Kapitel 56

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Belle

Es spielte sich alles wie in Zeitlupe vor meinen Augen ab. Sicherheitsmänner, unter ihnen Shane, stürmten ins Zimmer, um nach dem Grund für meinen Schrei zu suchen. Daraufhin folgten mehrere Ärzte, die - ehe ich mich versah - versuchten meinen Vater wieder zu beleben. Sein Herz hatte aufgehört zu schlagen.

Während ich stocksteif im Türrahmen stand und mich nicht vom Fleck rühren konnte, starrte ich das ruhende Gesicht meines Vaters an. Dabei rinnen mir stumme Tränen über die Wangen und meine Brust fühlte sich so an als würde man gerade versuchen mir das Herz rauszureißen.

»Ich bringe dich hier raus, komm.« Ich merkte gar nicht, dass Shane mich an der Hand nach draußen führte, weg von meinem Vater, der noch immer seine Augen nicht geöffnet hatte. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass ich den Atem angehalten hatte bis ich vor der geschlossenen Tür stand und den Defibrillator von hier hören konnte.

Das war mein Vater, dessen Herz aufgehört hatte zu schlagen. Das war mein Vater, den man versuchte zu retten. Das war mein Vater.

In all den Jahren hatte ich mich so verdammt undankbar und verzogen gegenüber ihm benommen gehabt... obwohl er wirklich nur mein Bestes wollte. Er hatte sich immer um mich gesorgt. Und wie dankte ich ihm das?

Bitte, lieber Gott, lass ihn leben. Gib mir die Chance alles wieder gut zu machen. Lass sein Herz wieder schlagen, ihn atmen, ihn leben. Bitte.

Ich schluchzte laut auf, weswegen Shane mich sofort in seine Arme zog und mir beruhigend über den Rücken strich. Ich verlor meine Beherrschung endgültig und weinte in seine Brust.

Mach dir keine Sorgen um mich., hatte er doch gesagt...

~~~

Es wurde immer voller im Wartebereich, aber Sierra und Emily waren immer noch nicht da. Wo blieben sie? Man hatte ihnen doch längst Bescheid gegeben, oder nicht?

»Keine Sorge, sie sind sicherlich auf dem Weg.«, versuchte Shane mich zu beruhigen, der mir keine Sekunde von der Seite gewichen war. »Und deinem Vater wird es auch gutgehen.«

Ich nickte geistesabwesend.

Und endlich betrat der zuständige Arzt den Raum und kam geradewegs auf Shane zu. »Sie sind der persönliche Sicherheitsmann?«

Ein Nicken.

Und wieder verfluchte ich, dass nicht alle wussten, dass es mein Vater war, der gerade im Untersuchungsraum lag. In ihren Augen war ich nur die violette Bedienstete, die den Farblosen entkommen war. Nicht mehr, nicht weniger.

»Mister Night wies einen auffällig hohen Anteil an Acrylamid im Blut auf. Das ist die Ursache für die häufigen Hustenanfälle, die Schwindelgefühle und seinen drastischen Gewichtsverlust.«

Mir blieb die Luft weg.

»Diese Chemikalie wirkt in hohem Maß giftig und ist krebserregend. Es löst sich leicht in Flüssigkeiten auf und dient daher sehr gut als Gift. Zudem«

Ich hörte nicht mehr hin, stattdessen versuchte ich die Informationen zu verarbeiten, dass jemand meinen Vater vergiftet hatte. Jemand wollte seinen Tod, aber war daran gescheitert, denn er lebte noch. Wer könnte jemandem so etwas antun wollen? Welcher seiner Feinde hatte da seine Finger im Spiel?

»Darf ich ihn sehen?«, unterbrach ich das Gespräch zwischen dem Arzt und Shane.

Den Blick, den der Arzt mir zuwarf, hätte ich eigentlich vorhersehen müssen. Wer bist du?, schien er mich im Geiste zu fragen.

Red Princess - Die Suche nach der Roten PrinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt