Kapitel 35

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Belle

Ohne noch mehr Zeit zu vergeuden, hievte ich mich auf das schmale Fensterbrett und schlüpfte erst mit dem Kopf durch - alles frei - und dann versuchte ich so gut es ging mich selbst durch zu pressen. An den Brüsten, später auch an den Hüften wurde es sehr eng, weil ich mich seitlich versuchte durchzukriegen statt bäuchlings, und ich befürchtete fast schon stecken geblieben zu sein, da gab mir Jack den letzten Ruck von hinten und ich fiel vorwärts aus dem Fenster und landete unsanft auf Händen und Knien. Aber es blieb keine Zeit zum Jammern oder ihn deswegen anzubrüllen, denn sobald ich den Dreck von mir geklopft hatte, landete Jack geschmeidig auf den Füßen neben mir. Verblüfft sah ich ihn an. Wie hatte er es geschafft so zu landen?

Erst jetzt entdeckte ich das größere Fenster gleich daneben. Wieso bemerkte ich das erst jetzt?

»Sie suchen das gesamte Krankenhaus nach dir ab.«, sagte er.

Super! Wie war ich zu einer gesuchten Kriminellen im ganzen blauen Viertel geworden? »Was soll ich tun?«, fuhr ich mir unruhig über das Gesicht. Das hätte nicht so laufen sollen! Das hätte nicht passieren sollen!

»Du bist eine Violette, die von den Farblosen entführt wurde. Auch wenn sie dich zu fassen bekommen, dir werden sie nichts tun. Vertrau mir.« Er sah mir eindringlich in die Augen, wahrscheinlich weil er meine Angst spürte.

Und tatsächlich schaffte er es mich zu beruhigen. Ich vergaß, dass Dad niemals zulassen würde, dass mir was geschah. Und Jason, der blaue Anführer und Dads engster Freund, auch nicht. Auch er wusste über meine Identität Bescheid. Vielleicht suchte man sogar deswegen nach mir?

»Du hast recht.«, nickte ich. »Also, wohin jetzt?«

Er lief, sich dauernd umsehend, weiter weg vom Krankenhaus. »Nicht mehr lange und sie werden das gesamte Krankenhaus umzingelt haben«, sagte er leise und zog mich noch rechtzeitig hinter eine Hecke, die um das Gebäude verlief und nur eine kleine Lücke aufwies. Beim Durchdringen des Gebüsches holte ich mir neue Kratzer an Gesicht und Hals ein. Jack hielt mich am verletzten Handgelenk fest, weswegen ich schmerzerfüllt aufzischte. Sofort ließ er ab und warf mir nur einen entschuldigenden Blick zu ehe er in die Richtung schielte, aus der wir gerade kamen. Schnell zog er sich wieder zurück und atmete tief durch und schüttelte den Kopf. »Zu viele. Ich habe nicht genug Patronen.«, flüsterte er und fluchte vor sich hin.

Er dachte daran eine Schießerei zu eröffnen?! Ach du heilige-! »Bitte, tu das nicht.«, flehte ich im gleichen Flüsterton. »Es gibt andere Wege-«,verstummte ich als er den Zeigefinger auf meine Lippen legte und erneut zu den Wachen schielte.

Währenddessen betete ich innerlich, dass wir ohne eine Schießerei davonkamen. Ich konnte mich noch sehr gut an die letzte Schießerei erinnern. Und diese endete damit, dass Michael, einer meiner Bodyguards starb und Shane am Arm verletzt wurde. Ob es Jack war, der Michael auf dem Gewissen hatte und Shane verletzte?

Zittrig atmete ich ein und schüttelte seine Hand von mir ab. Wie konnte ich jetzt auf der Seite des Feindes sein statt bei den Blauen? Wie kam es, dass ich nicht die Chance ausnutzte und um mein Leben rannte? Jack war der Bösewicht hier, nicht die Blauen. Aber warum erschien ständig das Bild des toten Farblosen im Keller vor meinen Augen? Warum roch ich noch das Blut, das in Unmengen geflossen war?

Die Antworten darauf waren auch die Antwort auf mein Zögern: Ich vertraute niemandem mehr. Weder den Farblosen, noch den Bürgern im blauen Viertel. Ich musste es alleine ins rote Viertel schaffen.

Ob Shelly wusste, was einige Etagen unter ihr vor sich ging?

»Wir rennen auf mein Kommando los, verstanden?«, wies mich Jack an. Ich konzentrierte mich wieder auf das hier und jetzt. »Und nicht zurückblicken. Wir laufen hinter das nächste Gebäude und von dort aus zurück an die Stelle, an der wir das Pärchen gefesselt haben.«

Red Princess - Die Suche nach der Roten PrinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt