Kapitel 58

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Belle

Ich packte meine letzten Sachen in den Koffer und erlaubte mir einen kurzen Moment, um lange durchzuatmen. Ich hatte ausnahmsweise mal gut geschlafen, aber war immer noch so kaputt. Meinem Vater ging es gut und auch Jack hatte endlich das, was er wollte. Um Sierra würde ich mich später kümmern, jetzt erstmal ging es nach so langer Zeit wieder nachhause. Dort wartete bereits die nächste Aufgabe auf mich: Mir mein Armband umlegen. Wenn es dann meinem Vater soweit gut ging, würden wir es bekanntgeben. Es war an der Zeit.

Das hier waren wohl die letzten Tage, die ich als Belle - nur Belle - verbringen würde. Danach gäbe es mich nur als Night, die zukünftige rote Anführerin. Danach würde man mir überall rund um die Uhr auf Schritt und Tritt folgen. Alles was ich dann tun und sagen würde, wäre von größter Bedeutung. Jeder Fehler würde sich maximieren und man würde mir keine ruhige Minute mehr geben.

Darauf war ich nicht vorbereitet, aber das wäre ich auch in zehn Jahren nicht.

»Bist du soweit?«

Ich atmete ein letztes mal tief aus. »Ja.«

Shane nahm sich meine zwei Koffer und ging zur Tür raus. Ich schnappte mir noch mein Handy und meine kleine Tasche ehe ich ihm nach draußen folgte. Von meinem Vater hatte ich schon heute Morgen nochmal Abschied genommen und ihm versprochen, dass ich ihn sobald wie möglich wieder besuchen kommen würde, wenn man ihn nicht entlassen sollte.

Vor uns hin schweigend, traten wir an die frische Luft. Es nieselte, deswegen hielt mir schon ein anderer Sicherheitsmann, Keith, einen Regenschirm über den Kopf, den er parat hatte. Mir machte es nichts aus, nass zu werden, aber es wäre unhöflich ihn abzuweisen. Als ich in der schwarzen Limousine saß, merkte ich wie unnötig es war in so einer Karre von einem Krankenhaus abgeholt zu werden und wie viel Aufmerksamkeit wir dadurch erregten. Patienten und Besucher, die sich gerade auf dem freien Gelände befanden warfen uns fast alle neugierige Blicke zu. Aber alles was sie zu sehen bekamen, war die violette Bedienstete, die wieder zurück zum Arbeitsplatz geleitet wurde.

»Ob sie sich irgendwann an diesen Augenblick erinnern werden, wenn deine Identität erst einmal bekannt gegeben wird? Dann wird ihnen klar, dass sie die rote Nachfolgerin schon einmal persönlich gesehen haben.«, stieg Shane von der anderen Seite ein.

Uninteressiert zuckte ich die Schultern. Das war mir herzlich egal.

Darauf sagte er auch nichts mehr und wir fuhren schweigend los. Während der gesamten Fahrt herrschte eiserne Stille im Wagen, für die ich sehr dankbar war, denn so konnte ich die Ruhe genießen, gedankenlos aus dem Fenster starren und dabei dem Prasseln des immer stärker werdenden Regens lauschen. Ein Blick in den bewölkten Himmel verriet mir, dass es heute sicherlich noch gewittern würde.

Nach einer halben Stunde kam der Wagen zum Stehen und wir waren am Ziel angelangt. Da war es. Mein goldener Käfig. Es gab nur eine positive Sache an der Position als Anführerin: Ich würde diesen Palast öfters verlassen können.

Was mich im Inneren dieses Käfigs erwarten würde, konnte ich mir schon vorstellen: Endlose Stille. Sierra und Emily würden mich nicht empfangen, da sie diesen Ort, mich und meinen Vater verlassen hatten. Die Arbeiter hatte mein Vater auch versetzt.

Ich nahm mir fest vor, als Erstes diese Menschen freizulassen. Sie sollten dann selbst entscheiden ob sie weiter hier oder wo anders arbeiten wollten. Sobald meine Identität veröffentlich wurde, würde es kein so wichtiges Geheimnis mehr geben, das sie ausplaudern könnten. Deswegen würde nichts gegen ihre Entlassung sprechen. Niemand, auch nicht mein Vater, könnte dann dagegen was einwenden.

Die Sicherheitsmänner am Tor hießen uns willkommen und öffneten die Tore für uns. Ein Druck bildete sich in meiner Brust als ich durch diese Tore schritt. Das letzte Mal verließ ich diesen Ort ohne zu wissen, dass ich so schnell nicht mehr zurückkommen würde.

Red Princess - Die Suche nach der Roten PrinzessinWhere stories live. Discover now