Kapitel 37

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Belle

Ich musste mich bemühen, meine ganzen Gefühle runterzuschlucken, mir nicht anmerken zu lassen, wie viele Gedanken mich plagten. An einem einzigen Tag war so viel geschehen. So viel.

Mein Kopf brummte, tat mir weh von all dem Denken, dass ich die Tränen, die dauernd ausbrechen wollten, nur mit großer Kraft zurück drängte. Erst die unschuldigen Menschen, die wir überfielen, die Begegnung mit Shelly im blauen Krankenhaus, in das wir uns heimlich geschlichen hatten, der tote Farblose im Keller, die Experimente und zu allem Überfluss schliefen wir auch noch in dem fremden Haus der Menschen, dessen Leben wir ruiniert hatten. Nichts war okay.

Ich hätte eigentlich in meinem weichen Bett im Palast sein müssen, aber eine einfache falsche Fehlentscheidung, nämlich das Verlassen meines Zuhauses, hatte mich zu diesem Punkt geführt gehabt. Vielleicht hätte ich wirklich nie den Palast verlassen dürfen, vielleicht hätte ich nie meinem Vater widersprechen sollen und vielleicht war das die Bestrafung, die ich verdiente, die mir deutlich machen sollte, was für einen Fehler ich begangen hatte und dass ich nicht von meinen Verpflichtungen einfach so wegrennen konnte...

... Aber, wenn das alles ein dummer Fehler war, hätte ich denn je die Möglichkeit gehabt, die Sterne von so nah zu bewundern? Hätte ich je die Möglichkeit bekommen in einem Wald zu spazieren? Wäre ich je über mich selbst gewachsen, hätte für mich selbst gestanden oder je einen Blauen geschlagen? Nein. Und selbst wenn mir all die negativen Ereignisse im Kopf herumirrten, klopfte mein Herz bei dem Gedanken an Freiheit und Unabhängigkeit schneller. Das war ich weder im schwarzen Viertel, noch im roten, bemerkte ich.

Doch wo konnte ich für immer dieses Gefühl tief in mir festhalten? Wo konnte ich mich sorgenlos unter dem klaren Himmel an Leinwänden austoben?

Ich drehte mich nur halb zu Jack, als ich ihm das Desinfektionsmittel und die verpackten Pflaster und Verbandrollen, die ich vorhin aus dem Badezimmer mitgenommen hatte, fast ins Gesicht schleuderte. Überrascht schoss sein Kopf in die Höhe und seine Augen funkelten mich sofort böse an, da er kurz vorm Einschlafen gewesen war. Schnell wand ich mich wieder dem Kamin zu.

Und an der Tatsache, dass wir gerade nicht aneinander gefesselt schlafen gingen, ging ich davon aus, dass er die Türen verriegelt hatte. Ob er an die Fenster gedacht hatte, wusste ich nicht, aber ich hatte sowieso keine Kraft heute Nacht abzuhauen. Vielleicht in der nächsten. Denn vielleicht hatte er auch gar nicht vor einzuschlafen. Bei Jack wusste man nie und zu erwarten war das von ihm.

»Es tut mir leid.«, sagte ich schwer schluckend. Ich sprach nicht vom Aufwecken. »Ich... Ich wollte eigentlich nicht fliehen, aber...« Ich schluckte. »Ich hatte Angst, dass es meine einzige Chance sein würde, mein Zuhause je wieder zu sehen.«

Da meine Augen fest am Feuer hingen, registrierte ich Jacks Reaktion nicht, aber ich konnte mir sehr gut bildlich vorstellen wie er die Verbandsrollen verwirrt begutachtete. Ich wollte ihn nicht ansehen, wollte nicht sein Gesicht, das von Kratzern und blauen Flecken übersät war, sehen. Ich hatte auch so schon ein ausreichend schlechtes Gewissen. Über alles.

»Und es tut mir auch leid, dass du meinetwegen in diese Prügelei verwickelt wurdest.«

Allein bei dem Gedanken, was alles in diesem Wald hätte passieren können, wenn Jack mich nicht gefunden hätte, wurde mir schlecht. Und bei dem Gedanken, dass meine beste Freundin über das, was in ihrem Krankenhaus geschah, Bescheid wusste, wurde mir sogar noch schlechter. Shelly war aber kein solcher Mensch, sie wusste es sicherlich nicht, aber ihr Vater, Jason, war bestimmt nicht unschuldig.

Wieder durchzuckte mich ein Frösteln von innen heraus und brachte meinen gesamten Körper zum Erzittern. Ich schlang die Arme fester um meine Beine, blendete alles in meinem Umfeld aus und konzentrierte mich allein auf das Feuer, das mich nicht zu erwärmen schien. Auch wenn ich erneut näher heran rückte.

Red Princess - Die Suche nach der Roten PrinzessinDonde viven las historias. Descúbrelo ahora