Kapitel 19

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Belle

Die Kleidung war meine geringste Sorge. Ich machte mir viel mehr Gedanken darum ob ich wieder dieser Layla begegnen würde. Es belastete mich so sehr, dass ich sogar heute Nacht von ihr geträumt hatte.

»Übrigens, ich habe dir eine Zahnbürste besorgt. Steht gleich über dem Waschbecken.«, unterbrach Jack meine Gedanken.

Verblüfft starrte ich ihn an und wusste nicht wie ich diese Geste deuten sollte. Wieso behandelte er mich von gestern auf heute so nett? Hatte er mich nicht in einen Kerker verdonnert gehabt, nur weil ich nicht sprechen wollte? »Okay«, murmelte ich unsicher und entfernte mich.

Ich machte mich so gut es ging zurecht und putzte mir mit der Zahnbürste und dem wenigen Zahnpasta, das er hatte die Zähne. Anschließend verließ ich das Bad. Jack wartete bereits auf mich und mit meiner Ankunft verließen wir die Hütte auch schon. Ich spielte mit dem Gedanken ihn darum zu bitten, mich nie wieder Layla zuzuordnen, aber hielt es letztendlich für erbärmlich und schwieg. Diese Genugtuung konnte ich ihm nicht schenken.

Stattdessen betete ich in Gedanken, während ich ihm die Straßen runter folgte bis uns ein Mann aufhielt, um mit Jack zu sprechen. Mir warf der fremde Farblose nur einen knappen Seitenblick zu... 

Zusammen mit dem Mann kamen wir in einer Halle an, die voll mit Tischen und Stühlen war. In der hintersten Ecke gab es eine offene Küche, die nur mit dem Nötigsten ausgestattet war. Viele Leute hatten sich dort versammelt und schienen sich auf das Kochen vorzubereiten. Ich verstand nicht für was das Ganze war und was ich hier tun sollte.

»Maxon?«, rief Jack in die Leere, aber keine Sekunde darauf, tauchte ein junger Mann hinter der Theke auf und kam grinsend auf uns zu: »Jack! Was führt dich denn her?«

»Ich habe hier jemanden für dich.«, nickte der Anführer in meine Richtung. »Nach dem Abendessen nehme ich sie wieder mit. Bis dahin gehört sie voll und ganz dir. Zeig ihr was sie zu tun hat.«

Nervös schluckte ich schwer. Was, wenn er auch so krank war wie die Rothaarige von gestern?

»Ich bin Maxon«, lächelte der Blonde mich freundlich an, weswegen er mir direkt sympathischer vorkam. 

»Bella«, erwiderte ich knapp. Ich hatte erst gar nicht vor nett zu sein. Diesmal würde ich mir nichts gefallen lassen und das sollte jeder wissen.

Ich erntete einen fragenden Blick von Jack, aber ich ließ mir nichts anmerken. Layla hatte mir deutlich gemacht, dass das was sie mir angetan hatte niemanden was anging. Denn sie würde noch sehr oft über mich wachen müssen und ich wollte diese Zeit möglichst friedlich verbringen. Außerdem wollte ich bei dem farblosen Anführer nicht als Schwächling rüberkommen. Das könnte er für seine Zwecke ausnutzen.

»Na, dann. Bis später!« Und da war er auch schon über alle Berge.

»Du kannst Layla dabei helfen die Kartoffeln zu schälen.«, lächelte dieser Maxon mich unschuldig an. Als er ihren Namen in den Mund nahm, schreckte ich ungewollt zurück. Oh lieber Gott, bitte nicht. Ängstlich presste ich die Lippen aufeinander. Was sollte ich nun tun? Oder viel mehr, was konnte ich tun?

»Kann ich vielleicht jemand anderem helfen?«, wagte ich zu fragen.

Verwirrt blinzelte der Farblose. Er hatte wohl nicht erwartet, dass ich widersprechen oder gar mich trauen würde, den Mund zu öffnen. »Also, wenn du willst kann-«

»Ich könnte Hilfe gebrauchen, sie kommt zu mir.«, bestimmte Layla, die plötzlich hinter mir auftauchte.

Erschreckt griff ich mir ans Herz und betete zu Gott, dass Maxon ihr widersprach. Aber zu meinem Pech zuckte er gleichgültig die Schultern und schickte mich mit ihr hinter die Theke, wo ein ganzer Sack Kartoffeln auf uns wartete. Okay, ich schaffte es bestimmt eine blöde Kartoffel zu schälen. Wie schwer konnte das schon sein?

»Setz dich nicht dahin.«, hielt sie mich davon ab, mich auf den Stuhl an der Wand hinzusetzen und deutete mir stattdessen an mich auf den Boden in die Ecke zu hocken. »Dort störst du keinen.«

Ich atmete durch, um mich zu beruhigen. Es brachte zwar nichts, aber dennoch schaffte ich es ein sarkastisches Lächeln aufzusetzen und ihrer blöden Anweisung nachzukommen. Ich tat mich aufgrund meiner aufgeschürften Beine schwer mich hinzuknien, aber versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Und als ich dann endlich saß, stieß Layla den Sack voller Kartoffel vor meinen Füßen um, schnappte sich eine Schale und Messer und ließ sie achtlos auf meinen Schoß fallen. Auch zwei weitere leere Gefäße bekam ich zugestellt. Andere Farblose hatten mich für einige Minuten ebenfalls im Visier gehabt, aber sobald ich anfing meiner Tätigkeit nachzugehen, verloren sie das Interesse an mir.

Auch nach Mia Ausschau gehalten, um sie zu fragen wie man sowas richtig schälte ohne einen Schäler, aber sie war heute nicht hier. Deswegen versuchte ich so gut es ging das Messer handzuhaben, aber irgendwie hatte ich das Gefühl etwas falsch zu machen. Von der Kartoffel blieb nicht viel über, da ich es nicht schaffte nur die Schale abzubekommen.

Egal, damit mussten sie klarkommen, wenn sie mir die Verantwortung dafür übertrugen.

Doch natürlich fiel das Layla nach einiger Zeit auf. Sie sprang zornig von ihrem Stuhl auf und kniete sich zu meinen geschälten Kartoffeln. »Das kannst du doch nicht ernst meinen!«, fuhr sie mich ärgerlich an. »Gib das her!« Sie riss mir das Messer aus der Hand. »Du nimmst das Messer so in die Hand.«, zeigte sie mir den richtigen Griff und nahm auch eine Kartoffel in die Hand, um es besser zu demonstrieren. »Verstanden?« Sie sprach mit mir als wäre ich dumm oder noch ein Kind. Am liebsten würde ich ihr die roten Haare einzeln aus dem Kopf reißen.

Ich setzte ein übertriebenes Lächeln auf und nickte, nahm das Messer aus ihrer Hand und versuchte es erneut. Es gefiel ihr allerdings immer noch nicht. Diesmal packte sie mich an der Hand, welche das scharfe Utensil umklammerte, und fuhr damit fest in die Kartoffel in meiner anderen Hand.

Schmerzerfüllt zischte ich auf, schubste Layla zurück und sprang entrüstet auf die Beine. »Geht's noch?!«, brüllte ich. Ich hatte genug von ihr! Sie hatte mich absichtlich geschnitten! Das sah ich in ihren amüsiert funkelnden Augen!

»Du musst lernen vorsichtig mit scharfen Kanten umzugehen. Eigentlich solltest du das schon im roten Palast gelernt haben.« Jetzt formte sie die Augen zu Schlitzen und kam mir einen Schritt näher. »Erzähl uns doch wie sie einen solchen Nichtsnutz in ihrem ach so tollen Palast aufgenommen haben!« 

War sie deswegen so gemein zu mir? Sie hatte ihre Zweifel. So wie dieser Farblose nach dem ich aus dem Kerker entlassen wurde. Aber was konnte ich bloß getan haben, um ihre Zweifel zu wecken? Hatte vielleicht Mia geplaudert gehabt? War sie so an ihre jetzigen Privilegien gelangt?

»Ich habe es euch bereits erklärt!« Eine Menge hatte sich um uns gebildet. Maxon trat hervor. »Ich war neu im Palast... und war noch auf Probe!« Das Letzte fügte ich hinzu, weil es offensichtlich war, dass ich eine grauenvolle Haushälterin war. Wütend hielt ich mir die blutende Hand vom Leib damit nicht auch noch diese Klamotten schmutzig wurden. Sie hatte mir einen langen Schnitt in die Handfläche zugesetzt!

Ich hatte so Vieles auf den Lippen, aber ich riss mich stark zusammen. Ich würde ganz sicher nicht wegen ihr die Beherrschung verlieren! Denn ich wette, genau das wollte sie auch!

»Erzähl das deinem Anführer«, flüsterte Layla in meine Richtung ehe sie davon ging. Kurz vergaß ich zu atmen. Von welchem Anführer sprach sie?

Maxon kam besorgt auf mich zu. »Komm wir versorgen erst einmal deine Wunde und dann kannst du ja bei etwas anderem helfen, ja?«

Geistesabwesend nickte ich und starrte Layla hinterher. Wieso glaubte sie mir nicht? Und wie konnte ich die Farblosen bloß vom Gegenteil überzeugen?

Red Princess - Die Suche nach der Roten PrinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt