Kapitel 54

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Belle

Ich erlaubte es mir, noch einmal tief Luft zu schnappen bevor sich die Türen öffneten und wir im untersten Stockwerk ankamen. Erst erwartete mich die Dunkelheit, doch diese verblasste in jenem Augenblick als ich austrat und die Lichtsensoren meine Bewegung registrierten. Und... hier war nichts Außergewöhnliches. Es war hier nichts, das den Eindruck von Folter oder Laborversuchen erwecken könnte. Aber auf dem ersten Blick sollte man es wohl auch nicht sofort erkennen können.

»Was... Was wollen wir hier?« Dr. Keith schien verwirrt, aber folgte mir dennoch zur nächsten Tür, die ich etwas zögerlich öffnete. Nichts. Es war eine normale Abstellkammer für das Putzpersonal.

Ich verstand nicht. Erleichtert öffnete ich alle weiteren Türen, begegnete zwei Putzfrauen, die mich verdutzt anstarrten, und kam letztendlich zu dem Entschluss, dass das rote Krankenhaus keine solch abschreckenden Experimente an Menschen durchführte.

Es fiel mir ein schwerer Stein vom Herzen und ein kleines, befreites Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Doch dieses verblasste im Nu als ich meinen Vater aus dem Aufzug austreten sah. Oh, verdammt! Wie sollte ich meinen unangekündigten Ausflug begründen? Ich brauchte eine lückenlose Erklärung. Vielleicht konnte ich das auf eine Gehirnerschütterung schieben und meinen Arzt-

»Du weißt Bescheid.«, war das erste, was aus seinem Mund kam. »Man hat mich über dein Benehmen augenblicklich informiert... Du hast es gesehen, oder nicht?«

Meine Gehirn stoppte seinen Gedankengang und hielt inne als ich noch versuchte, sein Gesagtes zu verarbeiten. »Wovon redest du?«, brachte ich schließlich nur zustande. Ich hatte hier nichts gefunden. Vielleicht sollte ich so tun als ob, aber er hatte sich selbst verraten, in dem er mir die Frage überhaupt stellte.

»Liebes, es wird Zeit, dass wir Klartext miteinander reden.« Sein Blick war erschöpfter denn eh und je, aber dennoch ernst und entschlossen.

Mein Herz raste und meine Gedanken fingen an verrückt zu spielen als ich ergebend nickte und ihm - nur ihm allein - in die Richtung der Fahrstühle folgte. Auf dem Weg nach oben, sagte keiner auch nur ein Wort. Als wir im höchsten Stockwerk ankamen, begleiteten uns von dort an wie gewohnt wieder Sicherheitsmänner zur nächsten Tür und ließen uns schließlich alleine in einem Büro-ähnlichen Raum zurück.

»Setz dich.«

Schweigend nahm ich auf dem Stuhl am kleinen Couchtisch Platz und er gleich diagonal von mir. Ich hatte es nicht gewagt, den Blick von meinen Fingerspitzen zu heben, aber als ich es tat, bemerkte ich, dass es ihm genauso schwer fiel, die richtigen Worte zu finden. Er tat sich schwer, das Thema anzuschneiden, weswegen es in meinem Magen noch kribbeliger wurde. Über was wollte er Klarheit?

»Ich werde nicht lange um den heißen Brei reden. Im blauen Krankenhaus werden schreckliche Dinge vollbracht.«

Wow. Damit hatte ich am wenigsten gerechnet.

»Lügen wir uns nicht an. Es werden Menschenrechte auf höchstem Grad verletzt und gegen sämtliche Gesetze verstoßen, die auch nur im Geringsten mit der Würde des Menschen zu tun haben.«

Mir stand der Mund offen. Mein Vater wusste es. Er wusste, was man diesen unschuldigen Menschen antat und unternahm nichts dagegen, bevorzugte es zu schweigen. Wieso hatte er das dulden lassen? Stand er etwa hinter ihnen?

»Bevor du mich verurteilst, ich habe es vor nicht allzu langer Zeit erfahren und entsprechende Maßnahmen eingeleitet, aber...« Er fing lautstark das Husten an.

Nicht wissend, was ich tun sollte, ballte ich die Fäuste. In was für einer Welt lebten wir, dass man solch ein Vergehen ignorierte? Kein „Aber" der Welt könnte das rechtfertigen.

Red Princess - Die Suche nach der Roten PrinzessinWhere stories live. Discover now