4 - Zwischen zwei Reichen

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Die Straße nach Candalonien war wie ausgestorben.

Sie konnten nicht mehr weit von der Grenze entfernt sein, den Karten und Willehads Berechnungen nach, aber nicht einmal ein paar fußläufige Kleinhändler, die ihre Waren im nächsten Dorf des anderen Landes zu verscherbeln suchten, liefen ihnen über den Weg.

Es gefiel Asifa nicht.

Ihr gefiel eine ganze Menge an dieser Mission nicht, aber Raum für ihre Zweifel war ihr nicht vergönnt. Wenn es einen Weg gab, dann mussten sie es zumindest versuchen, alles andere wäre sinnlos. Der Wanderprinz hatte den bisher größten Teil seiner Reise damit verbracht, von seinem Zuhause fortzulaufen, in den Dornen hatte sich sein Ziel geändert. Es war das erste Mal ein Ziel, zu dem es richtige und falsche Wege gab. Dieses war hoffentlich ein richtiger.

„Wir sind nur noch ein paar Meilen von der Grenze entfernt", presste Willehad zwischen den Zähnen hervor, weiß im Gesicht. Sein Leben lang hatte er seinen knochigen Hintern auf die Kissen der jötmark'schen Kutschen gebettet, das Reiten war trotz der Übung, die sie hin und wieder auf der Reise gehabt haben anstrengend für ihn. Asifa hätte darüber geschmunzelt, wenn die Lage nicht so angespannt gewesen wäre.

Vor ihnen war die Landschaft karg, die wenigen Bäume knorrig und klein. Scharfzackige Felsen fraßen sich hungrig in den ausgetretenen Pfad, der sich immer mehr dem rauen Stein beugen musste und weite Schlenker zu machen begann. Aus den Felsen wuchsen Hügel, hinter denen die Sonne schon bald zu verschwinden drohte.

„Vielleicht ist diese Strecke für Wegelagerei bekannt", sagte Asifa leise. „Gelegenheiten für einen Hinterhalt gibt es hier genug."

„Das wissen auch die fargarischen Grenzwachen", erwiderte Samir. Sie bogen um eine der engen Kurven und sahen den Wachturm, der sich klein und robust an den nächsten Hügelrücken klammerte, aus dem gleichen Felsen geschaffen wie die umgebende Landschaft und beinahe unsichtbar. Samir lächelte in leisem Triumph. „Den ganzen Weg auf einmal werden sie nicht überblicken können, aber es wäre wohl schwer für größere Banden hier ungesehen entlang zu kommen."

Sie waren den anderen inzwischen ein ganzes Stück voraus geritten. Die Abendländer waren allesamt keine guten Reiter und der steinige, rutschige Weg machte es ihnen nicht einfacher. Asifas Brüder bildeten auf Samirs Wunsch hin die Nachhut und mussten sich so zwangsläufig ihrem Tempo anpassen.

„Tunnel", sagte Asifa düster. „Nur ein einzelner Spion in den Reihen der Wachen, der Schichtpläne verrät. Ich kann mir ein Dutzend Wege vorstellen, genau diese Sicherheit für sich auszunutzen."

Eine weitere Kurve und der Wachturm war verschwunden, die Landschaft so leer wie zuvor. Inzwischen war es so hügelig geworden, dass ihr Blick nie weiter als bis zur letzten Biegung reichte. Das Geräusch von klackernden Hufen und fortgekicktem Geröll drang allerdings sofort an Asifas Ohren, einen winzigen Augenblick bevor auch Samir sich straffte und die Augenbrauen hob.

„Nur zwei von ihnen", sagte Asifa und nahm eine Hand vom Zügel, um sie zu dem Schwert wandern zu lassen, das sie unter ihrem Gewand an die Seite geschnallt hatte. Offener Kampf gefiel ihr nicht, aber auf verschachtelten Wegen auf einzelne Gegner zu treffen ... es juckte ihr in den Fingern, endlich wieder ihre Klinge tanzen zu lassen. Worte und Drohungen waren schön und gut, aber träge wollte sie nicht werden.

Sie war enttäuscht, als die beiden Reiter vor ihnen in ihr Blickfeld kamen und beide Uniformen trugen, das Wappen von Fargaro weiß und unverkennbar auf ihrer Brust. Kurz bevor sie sie erreichten, zügelten sie mit barschen Stimmen ihre Pferde.

„Wohin des Weges?", rief einer der Männer ihnen ungehalten zu.

Asifa atmete tief ein und sagte nichts. Das hier war eine Aufgabe für Samir.

Dornen - Das Königreich in FlammenWhere stories live. Discover now