49 - Ein bekannter Feind

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Sie wussten schon, bevor sie landeten, dass der Stützpunkt verlassen sein würde, ohne eine Spur von Prinz Cristian und seinen Männern. Oder von Samir.

Sonst wären sie wahrscheinlich vorsichtiger gewesen und Luz hätte den Drachen mit mehr Abstand landen lassen. Er würde bei ihren hastig abgeladenen Sachen bleiben, bis es dämmerte – dann musste er sich ein sicheres Versteck suchen, das nicht so ungeschützt war wie das weite Flusstal, das sich neben ihnen erstreckte. Für die Frauen waren die Felszacken an seinem Rand gerade genug, um sich zu verbergen. Luz ließ sie fünf Laternen aus dem Gepäck holen, die der Drache mit Funken aus seinen Nüstern für sie entzündete, trotz seiner Größe voller Präzision. Asifa starrte ihn an dabei und konnte den Blick nicht abwenden, und sie bekam kaum mit, wie Luz sie in Gruppen aufteilte und jeder Anführerin eine der Laternen in die Hand drückte. Flammen, so winzig wie Funken ... sie hatte davon geträumt, von einem Pfad aus Funken, der sie immer weiter im Kreis führte.

„Gaspara, du nimmst Imelda, Ria und Asifa und überprüfst den alten Stützpunkt", sagte sie knapp zu der Späherin, die daraufhin die Lippen zu einem dünnen Strich zusammenpresste.

„Niemand wird dort sein, genauso wenig wie am See", gab sie unwillig zurück.

„Eben", sagte Luz kühl. „Dann wird euch auch niemand auf die Schliche kommen. Alle anderen suchen die Gegend ab, ob sie ein Zeichen von Cristian finden. Reina – Norden. Ernesta – Osten. Doroteia – Süden. Wir übernehmen den Westen. Los!"

Gaspara schnaubte auf, winkte aber die anderen Frauen mit sich nach unten zu den dunklen Gemäuern des alten Armeestützpunktes. Asifa sagte kein Wort, auch wenn sie Gasparas Meinung teilte. Der Westen würde sie nicht näher an die Männer bringen, denen sie folgten – sie hätte Samirs Nähe gespürt, das wusste sie. Ihr Schicksal war mit seinem fest verbunden und ihre Magie würde ihn finden, wenn er in der Nähe war, doch jetzt war da nichts als Leere und die beständige Ruhe des Drachen, der selbst längst in der Dunkelheit hinter ihnen verschwunden war.

„Wartet am Treffpunkt, wenn ihr fertig seid", wies Luz sie an, bevor sich ihre Wege trennten. Sie folgten einem schmalen, ausgetretenen Pfad zur anderen Seite weiter, bis sich dunkle Gemäuer aus der Nacht schälten. Der Armeestützpunkt, an dem Prinz Cristian und seine Männer laut der erspähten Informationen von Imelda hätten lagern sollen, entweder in dieser oder in vergangenen Nächten. Die junge Frau ließ ein kaum unterdrücktes Schnauben hören, weil es jetzt das zweite Mal war, dass sich ihre Informationen als nutzlos herausgestellt hatten.

„Ich bin sicher, dass sie noch immer irgendwo in der Nähe sind", wisperte Ria ihr zu. „Du hast uns in die richtige Richtung gelenkt, selbst wenn sie von ihren alten Plänen abgewichen sind."

Asifa verdrehte die Augen und sagte nichts dazu. Sie war sich sicher, dass Imelda wichtige Details übersehen hatte, als sie diese Pläne ausgekundschaftet hatte und sie jetzt zu beruhigen war völlig unnötig – das würde ihr nur genug Selbstsicherheit geben, dass sie das nächste Mal wieder schluderte. Wenn Luz Asifa allein ziehen lassen würde, wäre es nur eine Frage von ein paar Tagen, bis sie alles Nötige herausgefunden hatte.

Aber natürlich würde das nicht geschehen. Sie umschloss den Griff des Schwertes an ihrer Seite, das sie seit dem Aufbruch aus dem Kessel noch kein einziges Mal benutzt hatte. Zu Beginn der letzten Nacht war ihr Ziel noch klar genug gewesen, sie hatte sich der Mission gefügt und allein darauf gehofft, tatsächlich bald zum Einsatz zu kommen und den Frauen zu zeigen, wie man es richtig machte. Alles andere war für später gewesen. Sharif, Ofelia ... und Samir. Es ärgerte sie, dass sie es nicht gewusst hatte, geahnt wenigstens. Der Schluss wäre einfach genug gewesen – Samir hatte den Tod des Drachen versprochen und ihn nicht bezwingen können, natürlich würde er einen zweiten Versuch wagen. Vielleicht hatte sie sich von ihrem Stolz blenden lassen, weil sie selbst sich dafür nicht der Mission eines anderen Prinzen untergeordnet hätte, nicht freiwillig. Aber Samir hatte sich geändert und Samir musste verzweifelt genug gewesen sein. Samir dachte, sie wäre tot.

Dornen - Das Königreich in FlammenWhere stories live. Discover now