66 - Ein Ruf in Gold

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Ihr Inneres war den ganzen langen Flug über zu aufgewühlt gewesen, um einen wirklich klaren Gedanken zu fassen, und als sie den Berg der Drachenjungfrauen erreichten, wurde es nicht besser. Elwa hatte ihre neuen Begleiterinnen allein fliegen lassen wollen, und selbst sofort weiter zum Klippenschloss vordringen, aber ihr Pferd war störrisch gewesen und sobald sie den ersten Blick auf die Schlacht unter ihnen hatte werfen können, wollte sie ihr nicht einfach den Rücken zukehren. Sie versuchten Samir und Luz zu finden, irgendein bekanntes Gesicht, nur um zu erfahren, dass man sie wie Gefangene zurückgelassen hatte.

„Da unten, beim Drachen!", hatte Imelda laut gerufen und sie waren in einen scharfen Sinkflug gegangen, um direkt in die Höhle zu stolpern, vorbei an all den anderen Frauen und Soldaten, die in Kämpfe verwickelt waren, verzweifelt um den Eingang kämpfend.

Elwa verstand nur bedingt, was in der Höhle selbst geschah. Sie war nur sicher vor den Flammen, weil Imelda sie geistesgegenwärtig zur Seite zog und sie erkannte nur, dass ihre Anführerin gestorben war, weil die Frauen um sie herum so heftig reagierten. Aber als ihre Augen auf den Drachen fielen, aus viel zu vielen kleinen Wunden blutend, voll unbändiger Zerstörungskraft und trotzdem so majestätisch und wunderbar wie kein anderes Wesen, drang die Klarheit zurück in ihren Kopf.

Sie sah, wie Asifa nach dem seltsamen Stab am Boden griff und wie sich Prinz Cristian in der Ecke zu regen begann und sprang vorwärts, weil es keinen Zweifel daran gab, was in diesem Moment die einzig richtige Reaktion war. Als sie ihn tötete, spürte sie die Dunkelheit aufbrechen wie offene Geschwüre, aber die Dornen hatten aufgehört, mit ihr zu sprechen.

Asifa sah sie an und sagte, dass sie keine Zeit hatten, umzukehren und Samir zu holen und Elwa wusste, dass sie recht hatte, aber es war seltsam. Irgendwo dort draußen war er und sie zweifelte nicht daran, dass es ihm gut ging, und das er ihre letzten Worte verstanden hatte, aber egal wie sehr es sie drängte, zurück an seine Seite zu eilen, war es jetzt nicht der Zeitpunkt. Die Dornen sprachen nicht mehr mit ihr, aber Elwa konnte sie stärker denn je spüren, ganz ohne den Aufwand, weil es fast den Punkt überschritten hatte, an dem sie etwas tun konnten, ihre Macht ein stetiges Pochen in ihrer Brust, selbst in der ruhigen Präsenz des Drachen.

Hinter ihnen eilte eine der jungen Frauen aufgeregt in die Höhle.

„Sie sind kurz davor, durchzubrechen!", rief sie nervös. „Wo ist Calliope? Ist es an der Zeit, zurückzufallen?"

Sie blieb stehen, als sie die ernsten Blicke der anderen Frauen sah, Erkenntnis über ihre Züge kriechend.

„Wir haben keine Anführerin mehr", sagte Asifa fest. „Aber das haben sie auch nicht, dank Calliope und der Prinzessin hier."

Die junge Frau warf Elwa einen ungläubigen Blick zu und Elwa meinte sich dumpf daran zu erinnern, sie schon einmal gesehen zu haben, bei ihrer letzten Begegnung mit Asifa und dem Drachen, als sie sich nicht sicher hatte sein können, ob ihre Augen sie nicht getrogen hatten.

„Aber was sollen wir ...", stammelte sie dann, wieder zu Asifa gewandt und Elwa erwartete, dass Asifa die Augen verdrehen und sie abwimmeln würde, damit eine der anderen Frauen antworten konnte. Aber Asifa seufzte nur und drehte den Stab in ihrer Hand.

„Der Plan ist es, sie mit dem Drachen wegzulocken", sagte sie. „Genug werden uns folgen, und der Eingang der Höhle ist leichter zu verteidigen als der des Kessels. Sobald der Drache draußen ist, fallt zurück."

Sie sprach nicht mehr nur mit der jungen Frau, sondern mit allen Frauen in der Höhle – und zu Elwas zunehmender Überraschung hörten die Frauen ihr mit ernsten Gesichtern zu. Imelda nickte, und eine ihrer anderen Begleitungen, Reina, hob die Finger zwischen die Lippen und stieß eine Reihe kurzer, lauter Pfiffe aus, die an den Wänden der Höhle echoten und nach draußen drangen.

Dornen - Das Königreich in FlammenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt