36 - Königliche Machenschaften

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„Dass wir einen Stall voll hysterischer Jungfrauen retten müssen, war nicht Teil der Abmachung", stellte Yusuf trocken fest, sobald sie wieder einen abgeschiedenen, versteckten Tunnel erreicht hatten. Sie sprachen sich nicht ab, um sich erleichtert auf den Felsvorsprüngen niederzulassen und einen Moment zu verschnaufen – obwohl sie im Kerker der Entdeckung entgangen waren, sah danach selbst Yusuf deutlich mehr bedrohliche Schatten als sonst. So rasch, wie sie geflohen waren, brauchten sie eine Pause.

Willehad stöhnte auf. „Ich weiß doch!", erwiderte er. „Aber was hätte ich sonst tun sollen? Wenn ich es ihnen nicht versprochen hätte, wären wir den Soldaten völlig ausgeliefert gewesen."

„Eigentlich hast nur du ein Problem", bemerkte Lorelei grinsend. „Ich glaube, du bist der einzige, dessen Namen sie kennen. Ich meine, ich habe dieses Effenzia-Mädchen auf jeden Fall schon öfter gesehen, aber die guckt jemand in einfachem Dieneraufzug nicht genauer an."

„Effenzia von Balaga", murmelte Isidora nachdenklich. Sie war bleich und Schweißperlen standen auf ihrer Stirn, allein von dem Gewaltmarsch bis hierher zurück. Yusuf hatte einen knurrigen Kommentar dazu abgelassen, warum sie die Jungfrauen nicht genauso verzaubern konnte wie die anderen Gefangenen, aber Willehad war einfach nur froh, dass sie so weit durchgehalten hatte. Und er hatte das dumpfe Gefühl, dass es ihr ähnlich falsch vorgekommen wäre wie ihm, so klar falsch eingesperrten jungen Frauen die Erinnerungen zu rauben. „Das war Pech, das wir ausgerechnet sie treffen mussten. Ich hätte es vielleicht schaffen können, dass sie uns nur schwer beschreiben können, aber gegen einen Namen komme ich nicht an."

Sie senkte den Blick. Vielleicht hätte sie es bei voller Kraft vollbracht, aber ohne ihre Zauber davor hätten sie es niemals bis zu den Jungfrauen geschafft.

„Um das Versprechen mache ich mir weniger Sorgen", murmelte er. „Wenn wir uns zusammentun könnten wir wahrscheinlich tatsächlich einen Weg finden, um sie zu befreien. Aber dann keine Spuren zu hinterlassen, damit wir danach weiter nach dem Kapitän suchen können? Bis wir dafür einen Plan entwickelt haben, ist das nächste Drachenopfer gekommen und Jacinta stellt sicher, dass ich genauso wie sie in den Kerkern hier sitze."

Er erschauerte bei der Vorstellung. Hier unten in der Dunkelheit, ohne Blick nach draußen, ohne Bücher, ohne auch nur den kleinsten Hinweis, was außerhalb seiner Zelle geschah, das war eines der schlimmsten Schicksale, die er sich vorstellen konnte und nicht nur, weil er die jahrzehntelangen Gefangenen vom Anfang noch allzu gut in Erinnerung hatte. Er fragte sich, ob sein Großvater versuchen würde, ihn zu befreien – angenommen, der König würde überhaupt zulassen, dass irgendjemand von seiner Lage erfuhr. Ob er in Schande zurück nach Jötmark gebracht werden würde, der Prinz, der nicht ein einziges kleines Abenteuer erleben konnte, ohne ein fremdes Reich damit gegen sich aufzubringen ...

Lorelei sah ihm wohl an, woran er dachte, denn ihre Miene wurde augenblicklich ernst.

„He, das wird schon nicht passieren", beruhigte sie ihn bestimmt. „Wir halten sie einfach bei Laune, bis uns etwas einfällt. Wir haben es zu viert einmal alle nach unten geschafft, da schaffen wir es auch nochmal. Mit ein bisschen Proviant und Geschichten von oben lassen sie sich bestimmt auf das Opfer danach vertrösten, da bin ich sicher."

„Dazu müssen wir uns aber erst einmal zurückziehen", bemerkte Yusuf streng. „Wir dürfen nicht zu lange auf feindlichem Gebiet verweilen, wenn wir die Gefahr nicht noch größer machen wollen. Wenn alle wieder bei Atem sind, gehen wir weiter."

Er warf einen prüfenden Blick in die Runde und obwohl Willehad sich am liebsten einfach in die nächste dunkle Ecke verzogen und dort darauf gewartet hätte, dass sich all das von selbst klärte, musste er einsehen, dass er Recht hatte. Mit einem leisen Seufzen drückte er sich hoch, bereit zum Aufbruch.

Dornen - Das Königreich in FlammenWhere stories live. Discover now