48 - Dichte, tastende Ranken

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„Das gefällt mir nicht."

Es war der erste Satz gewesen, den Thabohani gesagt hatte, als er nach dem brutalen Kampf mit den Quellgeistern zu den überlebenden Soldaten dazu gekommen war und selbst wer kein Mittagsländisch verstand, konnte nur schwer überhören, wie sehr er den Plan von Prinz Cristian und Dimontero missbilligte.

„Zu viel Eintracht mit dunklen Mächten."

Er warf Elwa einen scharfen Seitenblick zu, als er das sagte, aber sie war zu froh darüber, dass er ebenfalls seine Ablehnung offen zur Schau trug und sie nicht die einzige war, der die Behandlung der Quellgeister Magenschmerzen bereitete. Selbst wenn es aus anderen Gründen war.

Sie hatten vier Soldaten verloren, die sie rasch im weichen Moorboden neben dem See vergruben, wie sie es schon mit den Opfern der Schattenkobolde getan hatten – Antonez hatte die Lippen fest zusammengepresst, nachdem er ein paar Worte des Abschieds gesagt hatte, seine Kompanie auf nur eine Handvoll Männer reduziert. Aber weder er noch die verbliebenen Soldaten beschwerten sich, sie kehrten ihren gefallenen Kameraden den Rücken zu und zerrten den Quellgeist gröber mit sich, als es nötig gewesen wäre, sodass er schon nach ein paar Stunden blutig aufgerissene Knie und Hände von den vielen Stürzen hatte. Immer wieder hielten sie kurz inne, damit Prinz Cristian einige Tropfen von dem Rosenextrakt über seine Lippen zwingen konnte, solange, bis von der Magie des Quellgeistes fast nichts mehr übrig war.

Hätte jemand ihn nur kurz mit dem Blick gestreift, hätte er ihn für einen jungen Mann mit wirren Haaren und nichts als einem zerrissenen Wams bekleidet gehalten, der letzte verbliebene Hinweis auf seine Identität die fließend blauen Augen. Am Anfang hatte er damit hilflos zu Elwa gesehen und sie hatte versucht, Cristian zu einer freundlicheren Behandlung des armen Wesens zu überreden, aber der Prinz war hart geblieben.

„Wenn er stark genug gewesen wäre, hätte er uns alle getötet", erinnerte er sie scharf. „Nur, wenn er ganz genau versteht, dass wir alle Macht über ihn haben, wird er uns bis nach oben zu den Berglagern führen."

Er beharrte darauf, dass sie nur Erfolg mit dem Plan haben könnten, wenn sie den Quellgeist gefügig machten und die Soldaten hatten zu viel grimmige Freude daran, den Gefangenen zu piesacken, als dass Elwa viel hätte ausrichten können. Erst, als sie die sumpfigen Wege neben dem See verließen und ihre Pferde wieder besteigen konnten, ging sie kurz entschlossen nach vorne und half dem Quellgeist nach oben, sodass er zwar mit gefesselten Händen auf dem Sattel saß, aber nicht längs über den Pferderücken gebunden wurde, wie es die Soldaten bereits überlegten. Ein, zwei Männer wollten sie aufhalten, aber Thabohani stellte sich ihnen mit verschränkten Armen in den Weg.

„Dunkelheit schlecht behandeln", sagte er grimmig. „Dann Rache härter."

Die Männer schnaubten auf und lachten leise, aber es klang nur verhalten und sie waren ein wenig zurückhaltender in ihrer groben Behandlung danach. Elwa atmete tief durch und versuchte sie zu ignorieren, während sie die Fesseln des Quellgeistes prüfte und schluckend feststellte, dass sie sich böse in seine Haut eingebrannt hatten, mehr, als sie das mit ihrer Festigkeit hätten tun sollen.

„Es tut mir Leid", wisperte sie ihm zu und lockerte rasch den Knoten, damit er es ein wenig leichter hatte. Plötzlich packten seine steifen Finger ihre, heftiger, als es bei seinem ungesunden Zustand hätte möglich sein sollen. Elwa erstarrte, versuchte aber niemanden auf sich aufmerksam zu machen. Sie wollte nicht, dass einer der Soldaten es als Anreiz nahm, dem hilflosen Quellgeist weitere Schläge zu verpassen, oder ihn mit dem Messer zu bedrohen – Antonez war der einzige, der ihn in Ruhe gelassen hatte, aber selbst er sah das Wesen nur mit klarer Verachtung an. Elwa konnte es verstehen, irgendwo, sie wollte es verstehen, aber sie konnte dennoch nicht nachvollziehen, warum man auf Gewalt nur mit mehr Gewalt antworten musste. Ja, der junge Quellgeist hätte sie fast getötet, aber er hatte gezögert, er hatte es nicht getan – er war nicht einfach nur ein gedankenloses Monster, das alles Lebende attackierte.

Dornen - Das Königreich in FlammenWhere stories live. Discover now