69 - Feuer oder Dunkelheit

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Als Samir Elwa von den Dornen befreit hatte und ihren letzten Vorteil willentlich fortwarf, hatte Asifa geglaubt, dass sie sterben würden.

Als die Dornen sie von allen Seiten überfallen hatten, der Spott des Königs überall und unauffindbar, hatte Asifa geglaubt, dass sie sterben würden.

Als ihr Kopf und Kraft der Dornen direkt entgegenstarrten und Asifa sich bereit machte, sie mit nichts als ihrem Schwert zu bekämpfen, hatte sie geglaubt, dass sie sterben würden.

Gewusst hatte Asifa nur eines, mit überraschender Klarheit: dass sie nicht sterben wollte. Dass sie alles tun würde, was nötig war für eine Aussicht zu leben, sie und andere, und dass die Lösung direkt vor ihr gestanden war, bis Willehad sie aufgehalten hatte und die Vernunft in sie zurückgekehrt war. Ihr blieb kaum Zeit, Wut über die vertane Gelegenheit zu verspüren, zu erkennen, dass das Mädchen in den Dornen jemand war, um den sich Willehad und Lorelei kümmerten und dass sie verhandeln musste um das Privileg, ihr Leben und ihre Macht zu beenden.

Sie wechselte einen Blick mit Samir.

„Es muss einen anderen Weg geben", sagte er leise. „Sie war unschuldig. Sie ist wie ..."

Wie Elwa, als die Dornen in ihrer Kraft begonnen hatten. Deswegen zögerte Elwa, deswegen zögerte Samir. Den König zu töten wäre einfach genug gewesen, für jeden von ihnen, aber jetzt war der König zerstört und die Dornen konzentriert auf einen unschuldigen Körper, ein besseres Schutzschild als all die Stacheln. Asifa sah das Mädchen davonhasten, die dunkle Magie verwirrt und chaotisch, noch nicht gefestigt nach der Übertragung der Macht auf sie und noch nicht konzentriert genug, um sie als Gefahr zu erkennen und sofort auszuschalten, aber das war nur eine Frage der Zeit.

Der Dhiragon an ihrer Seite wurde warm und sie packte ihn, ließ das Bewusstsein eines weiseren Wesens durch sie hindurchströmen und auf die Frage antworten, können wir das Mädchen retten?

Wir sind aus nur einem Grund hier, antwortete der Drache ihr und sie konnte seine Wunden an ihrem eigenen Körper spüren, zu groß und zu überwältigend für den wenigen Platz, den sie im Vergleich zu ihm in der Welt einnahm. Die Antwort versetzte ihr einen unerwarteten Stich, als ob selbst sie gehofft hätte, aber es war unbestreitbar, wie es weiterging. Gefühle waren im Weg, diese Wahrheit hatte sie früh gelernt und nie vergessen. Sie fühlte seine Flügel als wären es ihre eigenen, schwer und sperrig, gegen die Trümmer der Stadt schlagen, als er sich erhob. Aus seinen Augen konnte sie Luz und Thabohani sehen, schmutzig und schwer atmend, längst am Ende ihrer Kräfte und dennoch verbissen weiterkämpfend. Die Anstrengung ließ ihren Körper erzittern, als er sich gegen den harten Boden abdrückte und nach oben sprang und sie sah die Flecken von Schwarz, die über ihn niederzugehen drohten, aber all das war nicht von Belang, all das war nicht die Aufgabe.

Ihre und seine Sicht legten sich übereinander durch den Dhiragon fest in ihrer Hand und dann war es ein und die selbe Sicht, als er sich über ihren Köpfen gegen die Anziehung des Bodens stemmte und all seine Kraft in die Flammen legte, die die Dornen verschlangen. Asifa bemerkte nur aus den Augenwinkeln, wie die anderen zurückwichen, das Flammenmeer vor ihnen selbst mit mehreren Längen Abstand schmerzhaft heiß. Sie selbst bemerkte die Hitze kaum, so wenig wie der Drache sie bemerkte, ihre Augen fest nach den Zeichen suchend, dass sie erfolgreich waren.

Die Flammen hatten so heiß und machtvoll gewütet, dass es nur wenige Augenblicke dauerte, bis nichts mehr übrig war, um zu brennen. Dunkel verkohlte Baumstämme, die äschernen Überreste von ausgezerrten Ranken, die beim nächsten Windhauch zu Staub zerfielen, ein Krater aus Schwarz und Grau, beißender Rauch in der Luft. Sie hatte ihn dorthin geschickt, wo sie Isidora gesehen hatte, doch nichts hatte sich an der Dunkelheit um sie herum geändert. Asifa machte einen Schritt nach vorne und schirmte die Augen gegen den Rauch ab. Der schwarze Kokon genau im Zentrum der Zerstörung hob sich kaum gegen die umliegende Asche ab und Asifa wurde erst klar, was es bedeutete, als die verkohlten Ranken zerfielen unter neuen, frischen Ranken, die ausbrachen und sich fast sofort wieder über die verbrannte Erde ausbreiteten. Isidora stand zwischen ihnen völlig unversehrt, beschützt von den Dornen und wütend.

Dornen - Das Königreich in FlammenWhere stories live. Discover now