19 - Bis ans Ende, immer

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Er sprach kein Wort, als sie das Zimmer des Königs verließen, den ganzen Gang hinunter nicht. Die Müdigkeit zeichnete sein Gesicht und ließ ihn abweisender aussehen als sonst, sodass sie eine ungewohnte Befangenheit spürte, selbst das Wort zu erheben und sich zu erklären. Es war dumm und nicht durchdacht, das wusste sie. Sie hätte ablehnen sollen, höflich den Kopf neigen und ihren Platz zu Hofe wieder einnehmen, in den hübschen Kleidern, von denen man ihr jeden Tag mehr in den Schrank räumte.

Aber sie hatte Asifa ein Versprechen gemacht und dieses Versprechen machte es unmöglich, ihn allein ziehen zu lassen. Selbst wenn sie nicht Asifa war, wenn ihr die Selbstverständlichkeit, die Selbstsicherheit des Kampfes fehlte.

„Wer auch immer sein bester Kämpfer ist, wird mich unterschätzen", entfuhr es ihr, ihre eigene Nervosität in ihrer Stimme mitklingend. Sie hatte gekämpft, aber sie hatte noch nie ein richtiges Duell bestritten. „Ich kann mich verteidigen, Samir."

„Etwas Gegenteiliges habe ich nie behauptet", erwiderte er leise, vorsichtig. „Aber ich war es, der versagt hat und der es ausbaden muss. Das hier ist nicht dein Kampf."

„Und es war auch nicht Asifas Kampf, oder der von Sharif", erinnerte sie ihn bitter. „Und sie hast du nicht davon abgehalten, dir zur Seite zu stehen."

Er blieb stehen und sog scharf die Luft ein. Ihr wurde augenblicklich klar, was sie gerade gesagt hatte und sie bereute es, aber es war zu spät.

„Ich habe zu viel verlangt", murmelte er. „Von euch allen. Mein Gewissen würde es nicht ertragen, wenn noch mehr Menschen ihr Leben verlieren, weil sie glauben, mir folgen zu müssen."

„Unsinn", widersprach sie heftig. „Wir glauben nicht, dass wir dir folgen müssen. Wir tun es aus Überzeugung – Asifa und Sharif genauso wie ich. Ich kümmere mich um dich, Samir. Ich will dich nicht allein in der Fremde wissen."

„Und ich dich nicht dort an meiner Seite", erwiderte er und seufzte. „Ich kann dich nicht ... nicht noch einmal."

Sie hatte den Holzvogel längst in seiner Brusttasche zucken gesehen, aber das war der Moment, in dem er sich befreite und dabei ungehalten piepste.

„Du kannst kein Leben garantieren, Samir", sagte sie sanft und folgte seinem Flug mit ihrem Blick. Er zog seine Kreise über ihren Köpfen, zwischen den hohen Steinmauern. „Wir alle treffen unsere eigenen Entscheidungen. Und meine Entscheidung ist es, dich zu begleiten."

Er schloss die Augen für einen kurzen Moment und sie widerstand dem Drang, sein Gesicht zu berühren, über seine Wange zu streichen. Nicht vor dem Vogel, das wusste sie.

„Gut", sagte er dann. „Aber wenn es zu gefährlich wird, schicke ich dich zurück."

„Samir", sagte sie scharf und er biss sich auf die Lippen und wandte sich ab.

„Ich muss Yusuf besuchen", sagte er, ohne weiter auf sie einzugehen. Vor seinem Aufbruch hätte er sich nicht so gesträubt, sie mit ihm kommen zu lassen. Wenn sie den Erzählungen von Sharif Glauben schenkte, dann hatte es gar eine Zeit gegeben, in der er nicht einmal an die Möglichkeit von Verletzungen und Tod gedacht hatte, immer nur auf das Ziel bedacht. Aber natürlich war das gewesen, bevor er einen seiner engsten Vertrauten nach dem anderen verloren hatte. Sie konnte ihm nicht böse sein dafür, dass er vorsichtig war. Auch, wenn es sie von ihrer eigenen Angst, sich einem unbekannten Mann im Zweikampf stellen zu müssen, ablenkte.

Dass sie sich in so einer Lage wiederfinden würde, hätte sie sich bei ihrem Aufbruch nie zu erträumen gewagt.

Der nächste Diener, der durch die Gänge strich und auf einen Auftrag wartete, war nicht weit und brachte sie nach unten zur Krankenstation. Lorelei war dort, beschäftigt mit dem Wechseln von Yusufs Verband, während seine Augen ihm stetig zuzufallen drohte. Als er Samir erkannte, wirkte er dennoch hellwach.

Dornen - Das Königreich in FlammenWhere stories live. Discover now