35 - Unter Asche verborgen

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Das verlassene Dorf war schwerer für Samir zu betreten als für sie. Einfach war es dennoch nicht. Natürlich waren die Häuser nicht von Dornen überwuchert, die eingestürzten Wände mehr dunkel schwarz vom Feuer als grün sprießend, aber das Gefühl war das gleiche. Er hatte Dörfer wie dieses durchquert auf dem Weg zu Elwa, sie hatte sie von oben gesehen. Sie hatte Ilris gesehen, als man die Dächer noch hatte ausmachen können, sie hatte die unmenschlichen Kreaturen gesehen, die sich dort herumtrieben und den wenigen tapferen Helden auflauerten, die es bis dorthin schafften. Die Überreste von Leben, das auf völlig unnatürliche Weise beendet worden war.

Vom Dorf war wenig mehr übrig als abgebrannte Ruinen, die wenigen intakten Gebäude und Zimmer längst geplündert. Asche bedeckte die Wege in einer dicken Schicht, durch die man hindurchstapfen musste wie durch Schnee. Die umliegenden Felder waren ebenfalls schwarz verbrannt und der Geruch des Feuers hing noch immer in der Luft, als würden die letzten Holzbalken, die letzten Überbleibsel noch immer weiter glimmen.

Samir hatte die Hand schützend über den Vogel gelegt, während sie durch die schwarzen Felder zu der Anhöhe hochstapften, auf der das Dorf lag. Es war eine gute Lage – die Felder waren offen, um Regen und Sonne aufnehmen zu können und von der hohen Position ließ sich die Umgebung gut überblicken, Fremde schon von weitem leicht erkennbar. Ein einfacher Wachturm ragte von der höchsten Stelle der Erhebung empor, noch immer intakt, trotz seiner von Ruß schwarz gefärbten Seite. Wahrscheinlich war er eine schlagkräftige Verteidigung gegen kleinere Horden von Angreifern gewesen, ob es Plünderer oder ein übel gesinntes Nachbardorf war, aber gegen einen Drachen hatte er nicht viel ausrichten können.

Antonez teilte seine Soldaten augenblicklich in Schichten ein, in denen sie vom Turm aus Wache halten würden und ließ sie zwei der wenigen Bögen mitnehmen, die sich unter ihrem Gepäck befanden und die sie bisher noch nicht hatten benutzen müssen. Cristian stapfte zielsicher auf eines der anderen unversehrten Gebäude zu, ein kleines Gutshaus, das am Rand des Dorfes lag und als einziges von einer hüfthohen Steinmauer umschlossen war. Alle anderen folgten ihm weniger entschlossen, selbst Dimontero und seine eigenen Soldaten. Immerhin waren Elwa und Samir nicht alleine mit ihrem mulmigen Gefühl dabei.

„Ein unheiliger Ort", sagte Thabohani dumpf, der sich erst in Bewegung setzte, nachdem er die anderen Ruinen um sie herum ausgiebig in Augenschein genommen hatte. „Nicht gut."

Prinz Cristian bemerkte das Unbehagen der Übrigen und drehte sich genervt zu ihnen um.

„Kleinere Kompanien und Kommandos der Armee suchen hier öfter Schutz", erklärte er ihnen knapp. „Es mag nicht einladend aussehen, aber genau das hält auch Überfalle wie den letzten fern. Außerdem ist das Gutshaus eine bessere Basis, als es den Anschein hat."

Er wandte sich wieder um und schob das leicht verbogene, rostige Tor zu dem Grundstück auf. Brandflecken, Asche und angesengtes Holz waren hier genauso zu sehen wie im Rest des Dorfes, aber das Haus selbst bestand wie der Turm aus solidem, gut verputztem Stein. Sogar das schwere Eingangstor aus Eiche war nur leicht angesengt und es brauchte zwei Männer, um es aufzuziehen und in die schummrige Halle dahinter eintreten zu können.

Einmal mussten sich die Dörfler hier für Feste, Versammlungen oder Gerichte versammelt haben, lange Tische waren noch immer an die Wände geschoben, vertrocknete Blumengirlanden um die stützenden Holzpfeiler gewunden, aber es war genauso klar zu sehen, dass die Halle inzwischen einem anderen Zweck diente. Um die Feuerstelle lagen abgenagte Knochen und verkohlte Essensreste, umgeworfene Becher und stumpfe Messer, Strohmatten, vergessene Schuhe, grob geschnitzte Holzkunstwerke und eingeritzte Namen kündeten von all den Gruppen von Männern, die hier kurzzeitig untergekommen und ohne Aufräumen wieder weitergezogen waren.

Dornen - Das Königreich in FlammenWhere stories live. Discover now