33 - Helden in den Kerkern

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Willehad hatte sich noch sie so heroisch gefühlt wie zu dem Zeitpunkt, als sie zu viert in die Tunnel hinabstiegen. Yusuf ging mit grimmigem Gesichtsausdruck voran, gefolgt von Lorelei, dann kam er selbst und schließlich Isidora, die mit leise gemurmelten Sprüchen glühendes Licht über die Wände klettern ließ, um ihnen den Weg zu erleuchten.

Es hatte länger gebraucht, als es Lore lieb gewesen war, bis sie alle bereit waren – Isidora hatte sicherstellen müssen, dass niemand sie in der Zeit vermissen würde, Yusuf musste den Ausflug mit den Spaziergängen koordinieren, die ihn die Heiler auf der Krankenstation durchgehen ließen, Willehad war erst in der Lage gewesen, nach unten zu steigen, als sie einen festen Plan für die weitere Erkundung hatten. Er befürchtete, dass der beste Weg zu anderen Gefangenen sie tatsächlich durch die Tür der kaputten Zelle führen würde und dann mussten sie bereit sein, sich gegen herumstreifende Wächter zu verteidigen. Nicht nur verteidigen, auch sicherstellen, dass sich niemand an sie erinnerte.

Lorelei hatte Isidora dabei geholfen, ihr gemeinsames Tranksortiment ein wenig auszuweiten – die Zutaten konnte sie problemlos schneiden und mischen, nur die letzten Sprüche und kleinen Zauber mussten von Isidora selbst kommen. Allerdings gab es tatsächlich den ein oder anderen Trank mit magischen Fähigkeiten, den selbst jemand ohne Magie im Blut anrühren konnte, und Lore hatte alle diese Rezepte längst kopiert.

Willehad selbst hatte etwas zur Vorbereitung getan, was er sich noch vor ein paar Tagen nicht einmal erträumt hätte: er hatte einen Hammer, Nägel und Holz genommen und damit eine leidlich funktionierende Konstruktion gezimmert, die sie über das Loch im Gang hängen konnten, sodass sie sich danach wieder daran hochziehen konnten. Er hatte Brunnenbauanleitungen in der Bibliothek gefunden und sie modifiziert, sodass sie das Gestell nach unten tragen konnten und es deutlich mehr aushielt als nur einen vollen Wassereimer. Die Berechnungen und akribischen Zeichnungen seines Projektes hatten ihn zwei Tage gekostet, das Beschaffen des Holzes durch Felice einen weiteren, für das eigentliche Zimmern hatte er vier Tage und einige schmerzende Finger aufgebracht. Lorelei hatte ihn am ersten Tag ausgelacht, weil sie ihn so oft hatte verbinden müssen, dass er sich gleich dicke Handschuhe hätte anziehen können, aber als er tatsächlich die ersten Erfolge vorweisen konnte, wurde sie wieder still.

Sie hatten viel Zeit bei Isidora verbracht, er mit dem Hammer, Lorelei mit den Tränken, Yusuf mit einfachen Schwertübungen, die er nicht vor den lauernden Augen des Schlosses zeigen wollte. Ohnehin hatte er gesagt, dass es wichtig war, Manöver zu üben, die er auf engem Raum ausführen konnte. Selten hatten sie dabei lange weiter über ihre Pläne gesprochen, aber irgendwie war ein stummes Einvernehmen unter ihnen entstanden, das sich ungewohnt natürlich anfühlte. Willehad genoss es tatsächlich, mit den Händen zu arbeiten, obwohl er sich so am Anfang noch so ungeschickt dabei anstellte – von den anderen drei hätte es wahrscheinlich niemand besser hinbekommen, zumindest nicht solange Yusuf seinen rechten Arm noch schonen musste.

Der Morgenländer hatte sich als ungeahnt gesprächig herausgestellt, wenn man nur genug Zeit mit ihm verbrachte. Er hatte von seiner Jugend erzählt, als völlig klar gewesen war, dass Sharif und er den Fußstapfen ihrer älteren Brüder unter die Soldaten folgen würden, wie sie sich so hervorgetan hatten, dass man sie als die persönlichen Waffenbrüder und Lehrmeister des jüngsten Prinzen auswählte. Wie unverhofft sein Aufbruch sie getroffen hatte und wie viel ehrenhafter ihre Aufgabe schließlich geworden war, als sie Menschen in Not zu helfen begannen, nicht nur lange Runden um das friedliche Maraldur zogen. Ihm hatte der Plan mit dem Doppelgänger, als Samir ihn und Sharif das erste Mal als falschen Wanderprinzen hatte vorschicken wollen, deutlich weniger gefallen als seinem Bruder, aber schließlich eingesehen, dass er seinen Prinzen damit wohl besser schützte, als wenn er ihn immer vorangehen ließ.

„Ich wünschte, er hätte es hier immer noch getan", brummte er und klang fast so, als sah er Samir nach, sich nicht mehr für ihn verstellen zu müssen. „Vielleicht hätten wir uns dann mehr Zeit vor dem König erkaufen können und alles zu einem besseren Ausgang führen."

Dornen - Das Königreich in FlammenWhere stories live. Discover now