12 - Schwarz wie Ruß

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Der Morgen war noch früh, als sie sich zum Aufbruch bereit machten. Kein voller Tag war seit ihrer Ankunft verstrichen, aber Samir vermisste die verpasste Ruhe nicht. Er war ungeduldig und rastlos, selbst die eine Nacht in seinen höhlengleichen Gemächern noch zu viel. Der Ritt zum Außenposten am Fuß des Drachenberges würde sie den ganzen Tag kosten und er hoffte, dass er anstrengend genug sein würde, damit er wenigstens die letzte Nacht vor der nächsten Begegnung mit dem Biest durchschlafen konnte.

Er war früher auf den Beinen, als es nötig war. Das hier war kein langes Abenteuer, kein Ausflug mit unbekanntem Ende, auf den sie sich gut vorbereiten mussten. Morgen würden er, Sharif und Asifa mit der Drachengarde der Armee hoch zu der Höhle steigen, in der der Drache hauste, ihm ein Opfer vorspielen und dann gegen ihn kämpfen. Das war alles. Übermorgen würden sie bereits wieder im Schloss ankommen, egal wie der Kampf mit dem Drachen ausging.

Ihr Plan, dass Asifa den Platz des üblichen Jungfrauenopfers einnehmen würde und er und Sharif die Rolle ihrer Bewacher bedeutete nicht einmal viel Veränderung im üblichen, monatlichen Ablauf des Opfers. Die Ausstattung der kleinen Soldatengruppe war die gleiche wie immer, der einzige Unterschied waren die eigenen Waffen, die sie drei mitnehmen würden. Die Pferde warteten auf dem Vorhof des Schlosses, außerhalb der Mauer, nur eine kleine Anzahl der Städter war gekommen, um ihren Aufbruch zu sehen. Es fühlte sich nicht nach einem der Abenteuer an, die er sich im letzten Jahr untersagt hatte und wahrscheinlich war das auch gut so.

Die anderen verabschiedeten sich von ihnen am Eingang des Klippenschlosses, weil Yusuf mit seinem verletzten Arm zwar stehen konnte, aber keiner ihn die engen Pfade hinabsteigen lassen wollte. König Maddeo war ebenfalls gekommen, allein und ohne Wächter oder Berater.

„Nun, ganz nehme ich es ihr nicht ab", sagte er mit einem kurzen Blick auf Asifa. Sie hatten sie in ein weites, weißes Kleid gesteckt, das weich um ihren Körper floss und all ihre Ecken abrundete. Jede Jungfrau trug das weiße Kleid, das Symbol ihrer Reinheit, auch wenn sie sich bei Asifa sichtlich Mühe hatten geben müssen, um ihr ein auch nur ansatzweise unschuldiges Aussehen zu geben. Ihre Züge musste sie hier allerdings noch nicht verstellen und ihr Missmut über den Aufzug war schwer zu übersehen. „Aber solange das Volk es tut. Und wichtiger natürlich, das Biest."

Er sagte es in einem leichten Tonfall, als scherzte er, aber sein Blick war klar und stechend dabei. Im gestrigen Treffen hatte er wenig selbst beigetragen, nur zugehört, keine Anzeichen gegeben, ob er ihren Plan für sinnvoll oder töricht hielt. Samir verstand ihn. Nach Jahren des Terrors würde er sich nicht einfach der Hoffnung hingeben, völlige Gleichgültigkeit zeigen, bis der Erfolg kam oder nicht. Aber er würde kommen, da war Samir fest entschlossen. Er musste kommen, für Djadi. Der König war kein gnädiger Mann, der ihm auch bei Misserfolg helfen würde.

Der Holzvogel saß fest in Samirs Schulter gekrallt und schien nicht einmal daran zu denken, sich von ihm zu lösen, als wüsste er, dass er sich in Gefahr begab und wollte ihn davon abhalten. Eigentlich hätte er ihn im Schloss lassen sollen, in Elwas oder Yusufs Obhut, aber er zweifelte an seiner eigenen Stärke, ob er sein Ziel nicht zu leicht aus den Augen verlieren würde, wenn er nur eine Nacht ohne ihn verbrachte. Vor dem Drachenfeuer würde er sich hoffentlich davon überzeugen lassen, Abstand zu nehmen.

Samir atmete tief durch und versuchte nicht daran zu denken, was dem kleinen Wesen geschehen konnte, in dem das letzte Stück von Djadis Seele verblieb. Feuer hatte ihm Djadi geraubt und Feuer würde er sich entgegenstellen müssen, um ihn zurück zu bringen. Es sollte alles genauso geschehen, da war er überzeugt.

Warum fühlte es sich dann so bitter an, an diesem Morgen aufzubrechen?

„Wenn ihr gewartet hätte, wäre ich mitgekommen", brummte Yusuf missmutig. „Ich würde das Biest schon lehren, mich derartig zuzurichten."

Dornen - Das Königreich in FlammenWhere stories live. Discover now