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»Durch Geburt erschaffen, doch erst durch die Aktivierung deines dunklen Blutes wurdest du zu dem was dein Schicksal dir vorher bestimmt hat.«, hallte Mehyls Stimme durch die große Halle. »Eine Neugeburt, wie jeder der hier anwesenden sie selber erlebt hat. Genau wie dieses Ritual. Als Zeichen deiner Zugehörigkeit in unserer Gilde. Yscheze!«

»Yscheze.«, wiederholten alle gemeinsam.

Es war bisher die größte Neyfrem Versammlung, der ich beigewohnt hatte. Vor mir standen ein Dutzend Männer und Frauen, die darauf warteten, dass ich ihnen beitrat. Sie alle waren wie üblich in schwarz gekleidet, doch ihre Gesichter lagen im Schatten ihrer Kapuzen. Zu den Feierlichkeiten des Rituals gehörten schwarze Roben, die bis zum Boden gingen und kein Flecken Haut zum Vorschein kommen ließen. Obwohl ich die meisten heute zum ersten Mal sah. Wusste ich, dass sie ebenso wie ich und Mehyl hohe Adelige waren, die Mehyl unterstützten.

Ich schaute zu Mehyl, der mit eiserner Mine auf das Feuer blickte, dass vor ihm loderte. Er drehte ohne darüber nachzudenken das Eisen, -mithilfe einer langen Zange- und erhitzte es weiter in den tanzenden Flammen. Diese züngelten am Metall auf und ab, bis es so heiß war, dass das Eisen eine orangene Farbe angenommen hatte. Es war ein Test, um meine Loyalität zu prüfen. Sie versuchten mich zu brechen. Jeder Tag wurde ich aufs Neue geprüft, denn wenn man eine Schwäche hatte, war man leichter zu manipulieren und sie nutzten jede noch so kleine Schwäche aus. Doch bei mir würden sie scheitern. Ich war mir einer Sache noch nie so bewusst gewesen, wie der Tatsache, dass ich zu ihnen gehörte. Das war mein Schicksal. Das war es schon immer gewesen, selbst schon vor meiner Geburt.

Als Mehyl das Eisen aus dem Feuer nahm und auf mich zu kam, streckte ich ihm mit gehobenem Kopf meinen Arm entgegen.
"Keine Schwäche zeigen.", wiederholte ich wie ein Mantra.
Meine Augen bohrten sich in seine und ich versuchte weder zu blinzeln noch den Blick zu senken. Bis es den Blickkontakt beendete um einen Jungen ein Zeichen zu geben. Dieser trat aus dem Schatten hervor und nahm das Eisen, mit seiner bloßen Hand. Sein Gesicht zeigte keinerlei Regung, als ob das Metall nicht über 500 Grad heiß sei. An der Stelle, an der er das Eisen berührte, waren keine Verbrennungen zu sehen und seine Hände blieben so makellos wie zuvor.
Er konnte also das Feuer beeinflussen, genau wie mein Vater. Eine andere Erklärung gab es nicht. Dieses spezielle Ritual musste von einem Neyfrem mit der Fähigkeit des Feuers durchgeführt werden. Nur so konnte sichergestellt werden, dass ein Schwur gültig wurde, denn während der Brandmarkung würde der Junge sein Feuer, durch das Eisen zum dunklen Blut senden und so den Schwur, den man während der Brandmarkung geleistet hatte an die Person binden.
Mehyl hatte mir bereits gesagt, dass Vater früher die Brandzeichen gemacht hatte. Nach seinem Tod hatte sofort sein Nachfolger übernommen. Dieser Junge konnte kaum älter als zwölf sein und hatte sein Leben lang für diese wichtige Aufgabe trainiert.

Deshalb konnte Mehyl auf die Loyalität seiner Anhänger bauen und dass sie ihr Eid nicht brechen würden. Was jedoch nicht hieß, dass er ihnen vertraute. Ganz im Gegenteil. Mehyl vertraute niemandem. Er wusste ganz genau was sie waren und behandelte sie auch dementsprechend. Er wusste, wenn er sie nur eine Sekunde aus seinem Griff entließ würden sie ihn hinterrücks ermorden. Deshalb war Mehyl auch an die Spitze der Adeligen gekommen. Er unterschätzte nie seinen Gegner. So war er schon immer gewesen. Dummheit war noch nie etwas was man ihm nachsagen konnte. Er hatte die dunklen Neyfrem in diesem Raum bis ins kleinste Detail studiert und kannte jede Stärke und Schwäche, die er auch erbarmungslos ausnutzte.

Der Junge kam noch ein Schritt auf mich zu und bot mir an, ein Holzstück zwischen meine Zähne zu klemmen, doch ich verneinte. Es regte sich kein einziger Muskel in seinem Gesicht, als er das Eisen hob und mir in den Unterarm presste. Es tat höllisch weh, doch statt mein Gesicht zu verzerren, lenkte ich den Schmerz in einen kleinen Teil in meinem Kopf, den ich bereits unter Verschluss hielt. Öffnete ihn schnell und schob die Schmerzen hinein. Schmerzen entstanden nur im Kopf. „Eine Illusion nichts weiter. Nur eine Illusion.", wiederholte ich immer und immer wieder und versuchte mich auf etwas anderes zu konzentrieren, als auf die zerfetzte Haut an meinem Arm und den bestialischen Geruch nach gebratener Haut, der mir in die Nase stieg.

Dark Neyfrem #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt