~5.1~

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Das Training war heute besonders angestrengten gewesen. Attica hatte heute ihre Schicht sausen lassen und uns dafür den ganzen Tag trainiert. Zu meinem Pech hatte sie mich noch härter als sonst drangenommen, was ich nicht einmal für möglich gehalten hatte. Umso glücklicher war ich, als ich endlich gehen durfte. »Mayser. Bleib noch.«, befahl mir Attica. Ihre Miene war ernst, weshalb ich blieb, bis alle anderen gegangen waren.
»Bist du jetzt vollkommen verrückt geworden?«, schrie sie mich an. »Mehyl habe ich noch nie so wütend erlebt wie gestern. Wen du tötest oder nicht ist mir vollkommen egal, aber mach das erst, wenn ich nicht mehr für dich verantwortlich bin oder töte jemanden der Mehyl vollkommen egal ist. Aber töte nicht seine rechte Hand. Wenn du mich wieder in Schwierigkeiten bringst, dann wirst du das nächste Mal diejenige sein, die Leiden wird.« Obwohl sie mich die ganze Zeit anschrie, schien ihr Blick eine vollkommen andere Sprache zu sprechen. »Wäre ich jedoch nicht deine Vorgesetzte, dann würde ich dir sagen, dass du das gut gemacht hast.«, fügte sie hinzu und lachte kalt.
»Danke. Komm mit. Ich zeig dir was, während wir essen.«, erwiderte ich unbeeindruckt und ging ohne darauf zu achten, dass sie mir folgte. Ich wusste, sie würde es tun, denn alles war interessanter, als mit den Adeligen zu Essen. Obwohl sie selber eine von ihnen war, hatte sie noch nie dazu gehört. Sie war schon immer stärker als die anderen gewesen, weshalb viele ihr mistrauten und nach dieser einen Sekunde suchten, in der sie ihre Deckung fallen ließ und sie ihre Schwächen erkennen konnten, denn sie wussten, dass sie Attica nur mit diesem Wissen, wenn es hart auf hart kam besiegen konnten. Doch anders als der Rest der Adeligen war Attica ihr Anschein egal. Sie schleimte sich bei niemanden ein, um sie dann hinterrücks zu erdolchen, denn sie hatte diese ganze Show nicht nötig. Sie konnte jeden auch so mühelos vernichten. Deshalb war sie immer sie selbst und verstellte sich für niemanden. Attica sprach immer das aus was sie dachte, tat was sie wollte und gab dabei nichts auf das was andere von ihr denken mochten.
Wie ich erwartet hatte, war sie mir gefolgt und setzte sich neben mich. Schweigend aßen wir. Doch als um uns herum alle Gespräche verstummten, blickte sie auf und sah sich um, um die Ursache für diese Stille zu erblicken. Ohne mich anzusehen sagte sie so leise, dass nur ich es hören konnte. »Du bist vielleicht doch nicht so dumm wie ich angenommen hatte. Chapeau!«
Alle Blicke glitten von Des zu mir, als er auf mich zu kam und sich neben mich setzte, ganz selbstverständlich, als wäre nichts passiert. Er lächelte mich an und gab mir zur Begrüßung ein Kuss auf die Wange. Ich sah die überraschten Gesichter, der dunklen Neyfrem, die es fast hinbekamen die Überraschung nicht anmerken zu lassen.
»Wann ist der Geniale Plan eingefallen? Eine andere Seele in Des Körper zu stecken? Vor- oder nachdem du ihn getötet hast?«, fragte mich Attica telepathisch, um die neugierigen daran zu hindern zu lauschen. Als sie meinen überraschten Blick auffing verdrehte sie nur die Augen. »Der Vorbesitzer des Dolches, hat das andauernd gemacht. Ist ein praktischer Trick.«
»Und dann lässt du mich das auf eigene Faust herausfinden? Daran habe ich den ganzen Morgen gesessen. Und das schwierigste war jemand loyales zu finden, dessen Seele ich in Des Körper stecken konnte. Ich will alles wissen, was ich mit dem Dolch machen kann.«
»Und ich will Yons Kopf auf einem Silbertablett serviert bekommen, aber man bekommt nicht alles im Leben, Prinzessin.«, antwortete Attica. »Jedoch muss ich dir gestehen, dass du mit dem Dolch besser umgehen kannst, als ich erwartet hätte. Wer ist der glückliche in diesem Körper?«
»Das bleibt wohl mein kleines Geheimnis.«, erwiderte ich.
Des sah mich an. »Wie war das Training?« Ich wusste, dass ich die richtige Wahl getroffen hatte. Der neue Des verhielt sich sehr ruhig und ließ den Anschein erwecken, dass alles bei bester Ordnung war.
»Großartig.«, antwortete ich ironisch und verdrehte die Augen. »Wie immer.«
»Wenn das so ist, dann muss ich dich morgen wohl härter drannehmen.«, sagte Attica mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Ich rümpfte die Nase, aber antwortete ihr nichts darauf, denn ich wusste, dass es eine verlorene Sache war. »Also Des. Was genau ist gestern passiert?«, fragte sie laut genug, damit die dunklen Neyfrem der nebenstehenden Tische es hören konnten. Seine Antwort würde sich schnell genug verbreiten, sodass auch alle anderen wüssten, was geschehen war.
»Als ich davon gehört habe, konnte ich nicht mehr aufhören zu lachen und bin früher als geplant von meinem Auftrag zurückgekehrt. Ein Formwandler ist hier rein spaziert, hat sich für mich ausgegeben und niemand hat es gemerkt. Außer Mayser natürlich. Als sie mit ihm fertig war hat er wohl bereut ihr über den Weg gelaufen zu sein. Vielleicht hätte es sonst noch sein Plan ausführen können für die andere Seite zu spionieren.«, erzählte er Attica genauso laut wie sie zuvor.
»Du meinst die Neyfrem haben sich mit den Formwandlern zusammengetan?«, fragte Attica gespielt entrüstet. Mir war nicht ganz klar, warum sie uns half, wenn sie die Wahrheit wusste. Würde sie es Mehyl berichten? Wenn ja, dann würde Des nicht mehr seine rechte Hand bleiben und das alles war umsonst gewesen. »Aber sie hassen sich doch gegenseitig.«
¬»Wie es aussieht nicht so sehr wie uns, wenn sie nichtdestotrotz ein Bündnis in Kauf nehmen.«, entgegnete Des und sah sie enttäuscht an. Attica musterte ihn und schien sich Gedanken zu machen, wer wohl in Des neuen Körper steckte. Auch ich starrte ihn eine Weile an und bewunderte was ich vollbracht hatte. Die Dunkelheit in seinem Kopf war verschwunden und nachdem Des Körper eine neue Seele bekommen hatte war es wieder vollkommen in Takt. Leider hatte ich es nicht geschafft Des alte Erinnerungen mit dem neuen Bewohner seines Körpers zu verknüpfen, was es wohl etwas schwermachen würde, dass er sich genau wie Des verhielt. Viel wusste ich nicht über Des, deshalb konnte ich ihm nur erzählen, was ich die letzten Monate erfahren hatte. Wie sich jedoch der Des, der sich auf Mehyls Seite geschlagen hatte, von dem Des den ich kennengelernt hatte unterschied konnte ich ihm nicht beibringen. Hoffentlich würde es nicht zu offensichtlich sein. Erst Mal sollte er sich verdeckt verhalten und nicht allzu große Aufmerksamkeit auf sich ziehen. »Die Neyfrem haben wohl endlich gemerkt, dass sie nicht alleine gegen uns ankommen. Und obwohl sie sich gegenseitig nicht ausstehen können, sind die Feinde deiner Feinde schließlich deine Freunde.«
»Wenn Mehyl das mit bekommt wird er wohl etwas dagegen tun wollen.«, erklärte Attica an mich gerichtet. »Das bedeutet eine Menge Überstunden.«
»Was heißt das?«, fragte ich und bevor ich weiter sprechen konnte begann sie meine Frage zu beantworten.
»Neue dunkle Neyfrem rekrutieren. Allianzen mit Feinden der Neyfrem zu bilden. Was die Neyfrem jetzt beginnen zu tun, machen wir schon seit Jahrzehnten. Aber wir können immer stärker werden, als wir eh schon sind.« Es erstaunte mich immer wieder, dass Attica so viele Aufgaben übertragen bekam. Mehyl schien ihr zu vertrauen, um sie mit so wichtige Aufträgen zu beauftragen.
Attica sah auf ihre Uhr, stand plötzlich auf und sah Des auffordernd an. »Also Des wir müssen dann zur Besprechung mit Mehyl.«, sagte Attica und warf mir ein Blick zu.
»Warum hilfst du mir? «, fragte ich Attica telepathisch. »Hast du vor ihn zu verraten?«
»Keine Sorge ich bring ihn dir heil wieder.«, meinte sie. »Mehyl muss nichts davon erfahren.«
Es schien als meinte sie was sie sagte, aber vertrauen würde ich ihr deshalb nicht. Mehyl hatte sie beauftragt mein Training zu überwachen und sie hatte vorhin selber zugegeben, dass sie für mich zuständig war. Was bestimmt hieß, dass sie Mehyl jede Kleinigkeit die ich tat berichtete. Aber was hatte ich schon zu verlieren? Selbst wenn Mehyl erführe, dass ich in Des eine neue Seele gesteckt hatte. Ja, es wäre ärgerlich, nach all der Arbeit die ich in ihn gesteckt hatte, aber es wäre kein Grund für Mehyl mich zu töten. Also nickte ich Attica zu und ließ die beiden gehen.
»Halt die Augen offen und verhalte dich unauffällig. Du weißt was für dich auf dem Spiel steht.«, riet ich Des. »Wenn es den Anschein macht, als würde Attica dich an Mehyl verraten, dann verschwinde. Wir treffen uns dann an dem abgemachten Treffpunkt und…«
»Du brauchst es nicht tausendmal zu wiederholen. Ich habe es verstanden. Bis später.«, antwortete Des und ging neben Attica hinaus. Und ließ mich allein zurück.
Es würde gut ausgehen. Wenn Mehyl mir nicht von sich aus erzählen wollte, was vor sich ging, dann würde ich es so erfahren. Alles hang jedoch von Attica ab. Wenn sie es für sich behielt, würde sie wohl etwas im Gegenzug haben wollen. Sie würde es nicht einfach so verschweigen, außer etwas war auch für sie zu holen.

Dark Neyfrem #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt