~22.1~

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Die Sonne war bereits untergegangen, als uns Bay zum Essen abholte. Er führte uns über eine von Fackeln beleuchteten Brücke. Das Feuer der Fackeln flackerte vom Wind. Ich konnte mir gut vorstellen, warum es hier mal gebrannt hatte. Feuer in der Nähe von Holz aufzubauen, war wohl nicht die beste Entscheidung. Ein Funken und alles würde abbrennen. Vielleicht hatte Des ja doch die Wahrheit erzählt und er hatte wirklich versucht mit seinem Wasser ein Feuer zu löschen. Ausgeschlossen war die Möglichkeit nicht.
Die Gerüste und Baumhäuser schienen sich in die Unendlichkeit zu dehnen. Bay führte in das Zentrum des Labyrinths, bis es vor drei Baumhäuser stehen bleib, die nebeneinander auf der gleichen Plattform lagen. Wir traten in das Mittlere ein.
Schrilles Kindergelächter schlug uns entgegen.
Mitten im Baumhaus war ein riesiger Tisch, der schon angerichtet war. Anders, als angenommen, sah das Essen ganz normal aus. Auf dem Tisch standen zwei riesige brochierte Vögel. Sie sahen zwar aus, wie Truthähne, aber sicherlich war ein Tier, welches einheimisch aus Gaia stammte.
»Da seid ihr ja.«, rief eine tiefe Stimme. »Setzt euch. Das Essen wird sonst kalt.«
Dass sie keine Sekunde verschwendeten, um Nettigkeiten auszutauschen oder uns vorzustellen, gefiel mir sofort. Wir setzten uns. Freya und Zach blieben für sich.

Ein kleines Mädchen musterte Caleb prüfend. Sie und der Junge neben ihr mussten Ceyls Kinder sein. »Ich bin Jina.«, stellte sie sich schüchtern vor.
Auf Calebs Gesicht erschien ein riesiges Lächeln. »Ich bin Caleb.«, antwortete er.
Sie schaute schnell weg und ich hätte schwören können, dass sie rot geworden war. Caleb schien es nicht zu bemerken und wandte sich zu dem Jungen.
»Und wie heißt du?«
»Rid.«, erwiderte er knapp. Anscheinend war er genauso gesprächig wie sein Vater. Eine Frau nickte ihm aufmunternd zu. Rid sah sie nur genervt an. »Freut mich dich kennenzulernen.«, fügte er hinzu. Die Frau musste dann wohl Ceyls Partnerin sein. »Ich bin Ceyls Frau, Huzy.«, sagte sie, als sie meinen Blick bemerkte.

»Du scheinst nichts dagegen zu haben, dass dein Mann ständig mit diesem Mädchen rumhängt.«, stellte Ceyl misstrauisch fest und wechselte schlagartig das Thema. Er hatte es allerdings so leise gesagt, dass sie es nicht hören konnten. Mein Blick huschte zu den anderen. Nur Luc der neben mir saß hatte es anscheinend mitbekommen. Auf seinen Lippen bildete sich ein neckisches Grinsen. Ich zuckte mit den Schultern.
»Wir haben eine offene Beziehung.«, erwiderte ich, um mich rauszureden. Luc lachte bei meinem kläglichen Versuch. Ich warf ihm einen warnenden Blick zu.
»Also hast du jetzt etwas mit dem Anführer der Aypes?«, fragte er, während sein Blick von mir zu Luc wanderte.
Wie konnte Ceyl nur schon wissen, dass Luc der Anführer war. Er hatte sich erst vor kurzem vor seinem Volk geoutet. So schnell hatte die Nachricht sich nicht schon verbreiten können.
»Nein.«, erwiderte ich.
Ceyl sah mich skeptisch an. Er glaubte mir nicht. »Schlimmer als Deshar kann er wohl nicht sein. Da wäre alles eine Verbesserung.«
»Da hast du Recht.«, sagte Luc glücklich. Er lehnte sich zu mir. »Ich kann deinen Cousin gut leiden. Er kann die Leute gut lesen.«, sagte er so leise, dass Ceyl ihn gerade noch hören konnte.
Bay kam zurück und setzte sich zu meiner linken auf den freien Stuhl.
»Schlagt zu.«, sagte er, als Ceyls Frau sich auch zu uns an den Tisch setzte. Jeder begann sich Essen aufzuladen.
»Wirst du dieses Wochenende auch zu dem Treffen gehen?«, fragte Huzy. Ich sah sie verwirrt an. Von was für ein Treffen sprach sie?
»Das Treffen der Anführer. Weißt du noch. Ich habe dir davon erzählt.«, schaltete sich Attica dazu.
»Du weißt davon?«, fragte sie Aryn verwundert. Sie nickte, gab aber keine Erklärung.
Dieses Treffen hatte ich ja schon komplett vergessen. Es schien mir eine Ewigkeit her, seit Attica das erwähnt hatte.
»Davon erfahren nur die Anführer.«, erwiderte Aryn skeptisch. »Welche bist du?«
»Und wie kommt es, dass ihr davon wisst?«, konterte Attica. »Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die Wolfsbestien jemals dazu eingeladen wurden.«
»Diesmal wurden wir eingeladen.«, entgegnete Aryn bissig. »Wir sind die Ehrengäste.« Attica lachte abfällig.
»Du bringst uns also gleich zwei Anführer?«, fragte Ceyl nachdenklich, als würde er ein Puzzel zusammensetzen.
»Drei.«, entgegnete Bay.
»Mayser habe ich nicht mitgerechnet und Deshar erst recht nicht. Er ist auch nur einer durch seine Verbindung zu unserer Cousine.«, sagte Ceyl abfällig. Er war richtig in Fahrt gekommen. Von seiner anfänglichen Zurückhaltung war nichts geblieben.
»Ich meinte das Mädchen neben Des.«, erwiderte Bay und deutete auf Freya.

»Wer ist das?«, fragte er neugierig.

»Sie ist die Anführerin der Zoyats.«, antwortete ihm Bay.

Ceyl sah Freya abfällig an, bevor er sein Blick wieder auf mich richtete. »Was ist das alles, Mayser? Hast du wieder etwas geplant?«, fragte Ceyl. »Für was brauchst du so viele Anführer?«
»Es hat nichts damit zu tun, was sie sind, sondern viel mehr wer.«, sagte Caleb stolz und hob sein Kinn.
»Und was wäre das, Kleiner?«, fragte ihn Aryn amüsiert.
»Wir sind ihre Freunde und wir werden Mehyl aufhalten.«, erwiderte er und sah Aryn verständnislos an, als sei es das offensichtlichste. Dieser begann zu lachen und klopfte ihn amüsiert auf die Schulter.
»Also arbeitest du wirklich immer noch daran? Mehyl ist nachdem du zur Anführerin wurdest verschwunden. Wieso verschwendest du deine Energie daran? Er wird nicht zurückkehren.«, meinte Aryn sicher.
Freya lachte bitter. »Er wird nicht zurückkehren, weil er nie weg war.«
»Was weißt du schon, Erdenmächen?«, entgegnete Ceyl und runzelte wütend die Stirn.

»Anscheinend mehr als du. Ich war Monate lang seine Gefangene.«, sagte sie angewidert. Ich wusste nicht, ob ihre Missgunst dabei Mehyl oder Ceyl galt. Vielleicht war sie sogar gegen beide gerichtet.

»Ach warst du das ja?«, fragte Ceyl misstrauisch und musterte Freya eingehend.

»Glaub mir oder lass es sein. Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig.«, spukte sie Ceyl entgegen. Das war ja schnell eskaliert.

»Ihr Zoyats seid ja nie irgendjemanden Rechenschaft schuldig. Auch damals habt ihr schon immer getan was ihr wolltet. Kein Wunder, dass ihr Verbannt wurdet.«

»Du denkst das wäre für uns eine Bestrafung gewesen?«, fragte Freya und lachte höhnisch. »Das war das größte Geschenk was ihr uns jemals hättet machen können. Ihr habt unserem Volk einen ganzen Planeten geschenkt. Ich sehe das nicht als Bestrafung.«

»Den habt ihr ja auch schon in den wenigen Jahrhunderten zerstört. Es heißt, dass kaum einer von euch sich an Gaia erinnern kann. Wer vergisst seine eigene Geschichte?«, entgegnete Ceyl genauso verärgert. »Ihr tut immer so überlegen. Dann taucht ihr hier auf mit diesen lächerlichen Metallschiffen und denkt ihr könnt euch Gaia zurückholen?«

»Das war meine Schuld.«, gab ich zu um das Gespräch zu schlichten. Ich musste die Situation wieder unter Kontrolle bekommen. Wenn meine Cousins meine Begleiter nicht vertrauten, dann würden sie mir auch nicht vertrauen und genau auf dieses war ich angewiesen, um sie zu Mehyl zu schaffen. »Ich habe die Menschen dazu gebracht nach Gaia zu kommen. Wir brauchen ihre Hilfe.«

Meine Cousins schauten mich ungläubig an. »Ihre Hilfe? Sind die Menschen nicht die Zoyats, die nicht mal mehr ihre Fähigkeiten behalten haben?«, fragte Aryn zynisch. »Wie könnten die uns helfen?«

»Ihr müsst mir einfach vertrauen. Mehyl war nie weg und er wird bald ganz Gaia vergiften, wenn wir ihn nicht aufhalten. Und ich werde alles dafür tun, um das nicht geschehen zu lassen.« Mir fiel es seit ich ein dunkler Neyfrem war immer leichter zu lügen und die Leute um mich herum zu manipulieren. Als ich jedoch in die Gesichter meiner Cousins schaute, wusste ich, dass sie nicht einfach jedes Wort das aus meinem Mund kam, für bare Münze nehmen würden. »Das Treffen wird deshalb der Entscheidende Zeitpunkt sein. Wenn wir viele auf unsere Seite bringen können, haben wir eine Chance gegen Mehyl. Sonst sind wir verloren. Der Ausgang des Krieges hängt an diesem Treffen.« Obwohl ich meine Entrüstung nur spielte, wusste ich, dass ich Recht hatte. Wenn die Neyfrem viele Unterstützung hätte, würden sie uns aufhalten können.

Dark Neyfrem #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt