~23.2~

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Ohne auf seine Klagen zu achten, zog ich Zach hinter mir durch den Wald. Wiederwillig folgte er mir. Mittlerweile war es stockdunkel geworden. Nur der Mondschimmer, der sich durch die undichten Stellen der Blätter an den Ästen durchkämpfte, ließ uns etwas vor uns erkennen.
»Was soll das, Mayser?«, fragte Zach leicht gereizt. »Wieso willst du mitten in der Nacht eine Wolfsbestie jagen? Ich weiß, dass es dir Spaß macht zu beweisen wie stark du bist, aber irgendwann wird das nicht gut für dich ausgehen.«
»Ach komm. Tu nicht so, als würdest du dir Sorgen um mich machen.«, entgegnete ich. »Wir kennen uns nicht einmal richtig,«
»Ich helfe dir seit fast einem Jahr. Natürlich kennen wir uns. Wir sind Freunde. Auch wenn dein jetziger Zustand dich das nicht sehen lässt.«
»Wir sind keine Freunde. Mach dir nichts vor. Du hilfst mir nur, damit Freya nicht passiert.«, gab ich gereizt zurück. Eine Wolfsjagt sollte Spaß machen und er verdarb mir diesen mit seinen sentimentalen Reden.
»Das stimmt schon, aber ich denk trotzdem, dass in dir noch etwas Gutes steckt. Ich weiß, dass wir in der Zeit in der ich Des gespielt habe, nicht wirklich darüber geredet haben, aber ich weiß es einfach. Ich kann es spüren.«
»Pass auf, sonst klingst du noch so naiv wie Caleb.«, gab ich lachend zurück.
»Deine schnippischen Kommentare kannst du dir sparen. Ich weiß, dass er dir am Herz liegt. Warum hättest du ihn sonst die ganze Zeit beschützt?«, entgegnete er selbstsicher.
»Du denkst ich habe ihn beschützt? Ich habe nichts dergleichen getan.«
»Du hast seinen Vater getötet, bevor Caleb von ihm getötet wurde.« Hatte ich ihm das erzählt? Ich dachte, dass nur Attica davon mitbekommen hatte. Wieso wusste er das?
»Was auch immer. Caleb ist mir nützlich. Glaube aber ja nicht, dass ich ihn nicht töten würde, sobald sich das ändert. Ich denke nicht…« Ich brach ab.
Etwas Kaltes zog sich um mein Handgelenk. Ich schaute an hinab. Wie von Geisterhand hatte ich eine Handschelle um, die mich davon hinderte meine Fähigkeiten zu benutzen. Schnell sah ich zu meinem Angreifer hoch. Die Schnelligkeit mit der er sich bewegte ließ mich ihn kaum sehen. Mit einem kurzen Blick auf Zach, sah ich, dass auch er seiner Fähigkeiten beraubt wurde.
»Verdammt. Das ist deine Schuld.«, schrie ich Zach an, ohne die Busche und Bäume aus den Augen zu behalten.
»Wie kann das meine Schuld sein? Du hast mich hier her geschleift!«, schrie er zurück. »Ich habe dir ja gesagt, dass deine ständigen Himmelfahrtskommandos nicht gut gehen würden.«
»Könnt ihr jetzt mal aufhören euch gegenseitig anzuschreien und uns ein bisschen mehr Aufmerksamkeit schenken.«, sagte die Stimme eines Mannes, der gerade aus dem Schatten eines Baumes trat.
»Warum sollten wir?«, fragte ich amüsiert.
»Habt ihr die Handfesseln bemerkt. Jetzt kannst du nicht mehr deine Fähigkeiten gegen uns verwenden und Deshar kann unser Zuhause nicht ein zweites Mal zerstören.« Erst jetzt erkannte ich, dass es einer der Männer von vorhin war.  »Und wo ist euer Anführer geblieben? Hat er sich nicht mehr getraut?«
»Keine Sorge. Mich schlägt so leicht nichts aus der Flucht.«, erwiderte eine neue Stimme. Diesmal trat neben Zach jemand aus einem Gebüsch. Ich erkannte ihn in der Tat als den Anführer wieder.
»Hast du Waffen an dir?«, flüsterte ich Zach leise zu. Dieser schüttelte nur den Kopf. Verdammt. Ich hatte meine Waffen auch in meinem Zimmer gelassen. Nur meinen Dolch hatte ich bei mir.
»Waffen würden euch auf nichts gegen uns bringen. Ihr werdet jetzt dafür bezahlen. Immer denkt ihr Neyfrem, dass ihr etwas besser wärt. Grenzt uns aus. Haltet alle Versammlungen ohne uns, so als wärt ihr die einzigen Lebewesen, die auf Gaia wohnen.«, sagte er zwischen zusammen gepressten Zähnen. Noch eine Wolfsbestie traten hinter den Bäumen hervor. Es war auch einer der Personen wie vorhin angegriffen hatten. Ob die restlichen zwei auch hier irgendwo lauerten? »Aber Gaia gehört nicht nur den zwölf Völkern. Sie gehört uns allen. Und ihr zwei gehört mit zu den schlimmsten. Stolziert hier rum, als würde euch unser Camp auch gehören. Mir ist es egal, dass ihr mit unseren Anführern verwandt seid. Das gibt euch kein Recht.«
Ich gähnte leise. »Oh tut mir leid.«, gab ich gespielt von mir. »Ich bin fast eingenickt. Aber ich höre dir zu.«
Zach sah mich entgeistert an. »Sie meint das nicht so. Wir sehen das genauso wie ihr. Es war nie unsere Absicht euch zu unterdrücken. Wir haben wirklich großen Respekt vor euch.«, versuchte Zach erbärmlich wie er war die Situation zu schlichten.
»Spar dir das, Deshar. Wir kennen dich.«, sagte der, der aus den Gebüsch getreten war. »Und dieses geheuchelte Interesse passt nicht zu dir.«
»Okey. Also was habt ihr jetzt vor?«, fragte ich gespannt. »Wollt ihr uns töten?«
»Du solltest nicht so glücklich dreinblicken.«, sagte der Anführer gereizt. »Was stimmt nicht mit dir? Du hast keine Fähigkeiten und keine Waffen? Wie kannst du glauben, dass du gegen uns fünf bestehen könntest?«
»Ich denke natürlich nicht, dass es leicht wird. Dumm bin ich nicht.«, gab ich zu bedenken. »Aber ich liebe Herausforderungen.«
»Ohh man wir sind sowas von Tot.«, flüsterte Zach neben mir.
»Entspann dich Zach.«, flüsterte ich ihm zu.
»Ich soll mich entspannen? Sobald sich diese fünf Wolfsbestien verwandeln werden wir sterben. Und du provoziert sie auch noch.«, schrie Zach.
»Wenn sie wütend sind, werden sie nicht mehr so rational denken können. Vertrau mir.«, erklärte ich und versicherte mich dabei, dass ich so leise sprach, dass mich die Wolfsbestien mit ihren feinen Gehören nicht hörten. »Versteck dich hinter mich. Dein Körper ist wertvoll. Ich muss Maysers Plan aufdecken.«
»Ernsthaft daran denkst du jetzt?«, fragte mich Zach entgeistert. »Und ich werde mich nicht hinter dich verstecken.«
»Du hast keine Waffe. Ich habe mein Dolch. Geh hinter mich.«
»Du und dein Dolch, gegen fünf Wolfsbestien mit Klauen? Hast du jetzt den Verstand verloren. Wie kannst du glauben wir würden überleben?«
Ich sah ihn an und grinste provozierend, als mein Blick zu den Wolfsbestien glitt. Das machte sie rasend. Für sie war das etwas Persönliches. Sie mochten es nicht respektlos behandelt zu werden. Ich pfiff so laut es ging. Die Wolfsbestien hielten sich die Ohren zu. Sie begannen sich zu verwandeln, ohne auf mein Pfeifen weiter zu reagieren. »Das war dein Plan? Zu pfeifen?«, fragte ich Zach, während ich ihn hinter mich zog.
Schnell zückte ich meinen Dolch. Die erste Wolfbestie hatte sich fertig transformiert. Jetzt verstand ich, warum sie nicht nur Wölfe genannt wurden. Es waren keine Wölfe. Es waren Bestien. Als ich meine Cousins und ihre Begleiter gesehen hatte, war mir das nicht aufgefallen, aber umso mehr ich sie beobachtete, umso weniger sah ich den Wolfanteil in ihnen. Bevor sich die anderen Verwandeln konnten trat ich auf einen von ihnen zu und wollte ihn während seiner Verwandlung töten. Das war meine beste Chance.
Doch ich war einfach zu langsam. Der wo sich fertig verwandelt hatte, kam so schnell auf mich zu, dass ich ihn nicht sehen konnte und hinderte mich daran seinen Freund zu töten. Mit voller Kraft trat er mir in den Bauch. Er war so schnell. Ich konnte mich nicht wehren. Wie hatte ich sie nur unterschätzen können. Ich musste mir etwas überlegen.
Schwankend rappelte ich mich wieder auf. Jetzt hatten sie sich alle schon verwandelt. Verdammt. Es würde schwer werden zu kämpfen, während ich versuchte Zachs Körper zu retten.
»Klettre auf den Baum.«, befahl ich Zach.
»Ich denk nicht dran.«, widersprach er. Ich warf ihn ein Todesblick zu, doch er blieb standhaft. »Dann sterben wir beide.«
»Du Idiot. Ich werde nicht sterben. Weißt du noch? Ich bin unsterblich. Jetzt geh hoch. Ich verschaff dir Zeit, bevor sie dich in Fetzen reißen.« Zach schien überzeugt und kletterte geschickt auf den Baum. Ich pfiff wieder.
»Da oben kannst du dich auch nicht in Sicherheit bringen.«, brummte der Anführer. Es klang nicht mal mehr Menschlich.
Ich hob den Dolch. Irgendwie musste ich es schaffen sie auseinander zu treiben. Gegen die drei hatte ich keine Chance. Mein Gehirn setzte aus. Mir fiel nichts ein, um die Gruppe zu spalten. Die drei kamen diesmal langsam auch mich zu, als wollten sie mich quälen. Der Anführer schnappte mit seinen Klauen nach mir. Diesmal kam es mir vor wie in Zeitlupe. Hastig sprang ich zur Seite und entkam ihm kurzfristig. Mir entgingen jedoch die Krallen der Wolfsbestie, der neben dem Anführer stand. Mit einem ohrenbetäubenden Geräusch drangen sie in meinen Oberarm und bohrten sich bis zum Knochen. Mit einer fließenden Bewegung ließ er seine Krallen nach untern Schwingen und zerfetzte so meinen ganzen Rechten Arm. Jemand begann zu schreien. Erst als ich bemerkte, dass es meiner gewesen war schloss ich mein Mund und versuchte mir meine Schmerzen nicht anmerken zu lassen.
Alles was danach passierte ging so schnell. Der Anführer und die Wolfsbestie, die mir den Arm aufgeschlitzt hatte, stürzten sich auf mich, wie tollwütige Hunde begannen sie nach mir zu schnappen. Anfangs konnte ich ihnen noch ausweichen, doch lange konnte ich es mit beiden nicht aufnehmen.
Waren es nicht drei gewesen? Dieser Gedanke verschwand so schnell wie er gekommen war, als ihre Krallen mich immer öfter trafen. Ich blickte an mir herab. Das bisschen was von meiner Kleidung geblieben war, war blutdurchtränkt. Meine Beine konnten mich nicht mehr tragen und sackten unter meinem Gewicht zusammen. Dennoch ließen sie nicht von mir ab. Immer und immer wieder dangen ihre Klauen durch meinen Körper und zerrissen jeden Nerv, den sie auf ihren Weg finden konnten. Ich bemerkte erst gar nicht, dass sie von mir abgelassen hatten. Die Schmerzen hatten nicht aufgehört. Mein ganzer Körper pulsierte und Unmengen von Blut verließen mich.
Sie hatten aufgehört, rief ich mir wieder in Gedanken. Das hieß, dass sie jetzt wohl hinter Zach sein würden. Ich musste Des Körper retten. Mühselig hob ich meinen Kopf. Mehr konnte ich nicht zustande bringen. Doch die Wolfsbestien waren gar nicht hinter Zach her. Ihre Körper lagen verteilt auf den Boden. Zwei von ihnen sahen zwei noch in Takt aus, aber sie waren eindeutig tot.
Unruhig schaute ich mich nach dem nächsten Angreifer um. Es war Rrru gewesen. Sie hatte meine Pfiffe also gehört.
»Hol Hilfe Rrru.«, flüsterte ich fast.
Das letzte was ich sah, bevor schwarz vor Augen wurde, war Rrrus Hintern. Das konnte nicht das letzte sein, was ich sah, bevor ich starb. Ich konnte nicht sterben, rief mir mein Gehirn zu. Natürlich. Ich war ein dunkler Neyfrem. Aber warum fühlte sich das dann so an wie zu sterben?
Es kam mir vor wie eine Unendlichkeit, gefangen in meinem Körper, bis ich vom Boden aufgehoben wurde. Ich bekam alles mit. Jede Zelle in meinem Körper schmerzte. Es mochte sein, dass ich unsterblich war. Aber ich war auf keinen Fall schmerzresistent. »Nimm eine… der toten mit.«, murmelte ich. »Ich brauche… eine Bestie… nimm sie mit.«
»Alles wird gut Ivy.«, sagte Luc leise und drückte mich fester an sich.
»Nimm sie mit…«, beharrte ich kraftlos. Ich sah immer noch nichts. Es war als wäre die Welt dunkel geworden. Als wäre ich ohnmächtig, aber noch bei Bewusstsein. Ich konnte reden und alles hören, aber ich konnte mich weder bewegen, noch sehen.
»Kate, Freya ladet die Leiche auf den Ivok.«, bat Luc. Ich hörte wie Caleb Rrru beruhigte, bevor etwas auf ihrem Rücken landete. Rrru schien es nicht zu gefallen, aber Caleb leistete ganze Arbeit. Ich wusste, dass er nützlich sein würde.
»Lebt Zach?«, flüsterte ich.
»Ja. Du hast das schlimmste abbekommen. Er meint du hättest ihn gerettet.«, sagte Luc stolz und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Dark Neyfrem #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt