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Alles was danach geschah, passierte so schnell, dass ich nicht reagieren konnte. Etwas kaltes und vertrautes schloss sich um meine Hand. Es war die Handschelle, die mich hinderte meine Kräfte zu benutzen. Und genau wie ich gedacht hatte, konnte ich nicht mehr auf sie zugreifen. Eine starke Hand legte sich schnell um meinen Mund und riss mich mit sich. Ich war schockiert und reagierte einige Sekunden nicht, bis ich in einen Raum geschliffen wurde. Mit voller Kraft biss ich meinem Angreifer in die Hand. Ihm entfuhr ein Schmerzenslaut und ließ seine Hand von meinem Mund sinken. Jetzt wo mich nichts hinderte mich umzudrehen, wandte ich mich zu ihm und begann auf ihn einzuschlagen, genau wie Attica es mir in Training beigebracht hatte. Doch mein Angreifer war flink und wich gekonnt allen meinen Schlägen aus. Aber setzte dabei nicht selber zum Angriff. Es war so dunkel, dass ich nicht erkennen konnte, wer es war. Selbst seine Silhouette konnte ich kaum erkennen, so war ich auch verwirrt, als das Licht anging und niemand vor mir stand, sondern am anderen Ende des Raumes.

Jetzt konnte ich meinen Angreifer endlich erkennen. Es war Luc.

»Wie ich sehe hast du gelernt zu kämpfen.«, waren seine ersten Worte.

»Nicht besonders gut. Sonst hätte ich dich wenigstens einmal getroffen.«, gab ich wütend zurück. Und deutete auf mein Armband. »Was soll das, Luc?«

»Das ist zu meiner Sicherheit. Ich will nicht, dass du in meinem Kopf rumspukst.«

»Komm, nimm es mir ab. Wir sind doch Freunde.«, versuchte ich ihn zu überzeugen und setzte mein unschuldigstes Gesicht auf. Doch Luc schüttelte nur den Kopf und sah zu Boden. »Was machst du hier? Hast du den Wunsch zu sterben?«

»Ich habe mich so schuldig gefühlt, dass das alles passiert ist. Es war alles meine Schuld. Ich habe dich dazu überredet mir zu helfen.«, sagte er und blickte immer noch auf den Boden.

»Nein. War es nicht.«, widersprach ich. Nicht um ihn aufzumuntern oder besser fühlen zu lassen, sondern weil es einfach die Wahrheit war. »Mayser hat dich dazu überredet, Ivy zu überreden, also liegt die Schuld nicht bei dir.«

»Ich werde alles wieder gut machen. Versprochen.«, sagte er und blickte mir zum ersten Mal in die Augen.

»Es ist zu spät.«, sagte ich. »Es gibt nichts mehr gut zu machen. Ich bin jetzt wer ich immer sein sollte.«

Er musterte mich eine Weile und in seinem Blick konnte ich erkennen, wie er mich analysierte, um zu erkennen, ob es wirklich schon zu spät war. »Es ist nicht zu spät.« Da war er aber zum falschen Entschluss gekommen. »Kate und Jay führen sich wie verrückte auf. Sie wissen nicht wo du steckst und machen sich große Sorgen. Ich habe sie angelogen und ihnen gesagt, dass es dir gut geht. Sie wissen jetzt, dass sie halb Neyfrem sind. Sie befürchten, dass du nichts mehr mit ihnen zu tun haben willst.«

»Was willst du damit eigentlich erreichen? Sie sind mir gleichgültig. Außerdem wurde die Prophezeiung erfüllt. Wie war der letzte Satz, wenn du und ich Mehyl nicht aufhalten, dann kann nichts und niemand sie mehr aufhalten, das untergehen der Welten ist vorhergesehen.«

»Wir können ihn noch aufhalten. Helfe mir dabei, Ivy.«, bat Luc und kam ein Schritt auf mich zu.

»Es ist zu spät.«, wiederholte ich. »Wir haben versagt. Ehrlich gesagt habe ich auch nicht mehr Interesse daran ihn aufzuhalten. Das Leben als dunkler Neyfrem ist sorgenlos.«

»Also willst du den leichten Weg gehen?«, fragte er wütend.

»Ich glaube dir ist etwas nicht aufgefallen.«, zischte ich wütend, zwischen zusammen gebissenen Zähne hervor. »Ich bin nicht mehr die gleiche Person die du gekannt hast. Es ist mir egal was passiert, wenn die Prophezeiung sich nicht erfüllt.«

»Siehst du. Genau das glaube ich dir nicht.«, sagte er. »Wenn du doch so böse geworden bist, warum stehst du dann hier und unterhältst dich so normal mit mir?«

»Warum sollte ich etwas anderes tun?«, fragte ich ihn. »Du bist mir gleichgültig. Es würde für mich nichts ändern wenn du stirbst. Wenn Mehyl deinen Tot will, dann soll er das selber machen. Ich bin nicht seine Sklavin.« Seine Augen zeigten, dass meine Worte ihn getroffen hatten.

»Die Prophezeiung sagt, dass du mir helfen wirst. Also glaub ich dir nicht. Das ist alles eine Show um Mehyl zu Fall zu bringen. Ich will mit einbezogen werden.«, sagte er wütend und kam wieder einige Schritte näher, sodass er jetzt genau vor mir stand und ich hochblicken musste, um ihn in die -vor Wut funkelten- Augen zu sehen.

Ich lachte kalt. »Das traust du mir zu?«

»Ich trau dir noch viel mehr zu.« Er hob seine Hand und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich ballte meine Hand zur Faust und wollte sie ihm ins Gesicht rammen, doch er fing sie auf, als wäre ich ein schwaches kleines Kind. Ich versuchte ihn zu treten und mit meiner anderen Hand zu boxen, aber er wich jedem Schlag aus und drückte mich gegen die Wand. Er hielt meine Hände fest, damit ich nicht mehr auf ihn einschlug. Eine Welle aus Wut durchfloss mich und ich versuchte mich mit aller Kraft loszureißen, doch sein Griff ließ nicht nach. Ich gab mich nicht geschlagen und versuchte es immer wieder. Doch ich war so schwach. Aber irgendwann würde seine Kraft erschöpft sein müssen. Erst als er seinen Kopf zu mir runterlehnte und seine Lippen sich sanft an meine schmiegten, hörte ich schockiert auf mich zu wehren. Mein Gehirn setzte aus und ich regte mich nicht mehr. Ohne zu wissen warum ich es tat begann ich den Kuss zu erwidern. Der Grund dafür war einzig und allein, dass ich ihn genauso verwirren wollte, wie er mich verwirrte. Nur deshalb. Sonst gab es keinen anderen Grund. Keinen. Das redete ich mir immer und immer wieder ein.

Er drückte sich an mich und ließ meine Hände endlich los, um seine auf meine Hüfte zu legen. Doch statt ihn nun anzugreifen, wanderte meine Hand zu seinen Haaren und vergruben sich dort. Nach einer Weile löste er sich von mir und trat einen Schritt zurück. »Siehst du. Du bist nicht verloren. Es ist nicht zu spät.«

»Das beweist gar nichts.«, widersprach ich.

»Du weißt, wo du mich findest, solltest du deine Meinung ändern und mir helfen wollen.«

»Was? Willst du nicht mal wissen, wie es Freya geht?«, fragte ich provozierend. Er zuckte bei ihren Namen zusammen. »Schließlich leidet sie wegen dir unter Mehyls Druck ihm Zugang zu dem Weltenbaum zu verschaffen.«

Betroffen sah er weg, doch ohne zu fragen, wo sie war löste er die Handschelle und verschwand schnell, bevor ich ihn angreifen konnte.

Dark Neyfrem #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt