~5.2~

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Ein junger Mann kam an meinen Tisch und fragte, ob er sich gegenüber von mir setzten dürfte. Ich nickte und aß weiter, ohne ihm Beachtung zu schenken. »Ich muss mich wohl bei dir bedanken.«, gestand er. Desinteressiert schaute ich ihn an und erkannte die Wache die gestern die Heilerin rufen wollte. »Dank dir hab ich meinen Kopf noch. Es war uns nicht aufgefallen, dass es ein Formwandler war.« So schnell hatte es also schon die Runde im Saal gemacht. Ich nickte und nahm seine Dankbarkeit an.
»Ich denke das heißt, dass ich dir was schuldig bin. Also wenn du etwas brauchst…«, sagte er.
»Darauf komme ich zurück.«, antwortete ich und grinste.
Er lächelte verunsichert, weil er wahrscheinlich nicht wusste, was er erwarten sollte. Man merkte, dass er noch neu auf dem Posten war und die Regeln um hier zu überleben noch lernte. Eigentlich waren wir in dieser Hinsicht nicht sehr unterschiedlich.
»Seit wann bist du ein Soldat?«, fragte ich ihn.
»Erst seit letzten Sommer. Aber ich war sieben Jahre in der Ausbildung.«, erzählte er. »Seit ich ein dunkler Neyfrem bin.«
»Dann wurdest du mit wie viel Jahren dunkel?«
»Mit zwölf. Ich heiße übrigens Roney.«, stellte er sich vor. Ich wusste, dass er mich kannte, weshalb ich mich nicht vorstellte.
»Hältst du hier immer Wache?«, fragte ich neugierig.
»Eigentlich machen wir unsere Schichten untereinander aus. Aber wenn ich Glück habe, dann kann ich meine Schicht hier haben. Es ist sehr unterhaltsam, während dem Essen hier. Alle Wachen reißen sich um diese Schicht.«, erzählte er grinsend, bevor er innehielt um abzuschätzen, ob er die nächste Frage stellen konnte. »Und wie ist es die Schwester unseres Anführers zu sein?«
Ich ignorierte seine Frage. »Weißt du was. Du könntest mir wirklich helfen.«, sagte ich. »Wie gut kennst du Des?«
»Nicht besonders gut. Er ist immerhin Mehyls Rechte Hand. Ich war bei Versammlungen, die Deshar geführt hat dabei aber mehr nicht. «
»Ich möchte, dass du dich an ihn hängst. Seine Wache wirst und ihm hilfst.«, schilderte ich ihm seine neuen Aufgaben.
»Helfen? Bei was sollte jemand wie ich ihm schon helfen können? Du solltest keine Angst um ihn haben. Wenn du gesehen hättest, wie er kämpft und tötet, dann würdest du ihm kein Bodyguard suchen.«
»Mit helfen meinte ich eher, dass du auf sein Zeichen hin eine Ausrede erfindest und sein Gespräch unterbrichst. Freunde dich mit ihm an und ich bringe Mehyl dazu dich zu Des rechter Hand zu befördern.«, lockte ich ihn einzuwilligen.
»Das ist der Gefallen, den du einforderst? Ich soll mich mit deinem Mann anfreunden?«, fragte er verwirrt.
»Er ist nicht mein Mann.«, erwiderte ich emotionslos.
»Oh. Es heißt ihr hättet mal geheiratet.«
»Haben wir.«, gestand ich.
»Dann habt ihr eure Heirat aufgelöst?«, fragte er, als ob er froh über den Klatsch wäre. Genau wegen solcher Gespräche mochte er die Schicht hier besonders gerne. So war man auf den neusten Stand. »Das wird eine Menge dunkler Neyfrem freuen zu hören. Sie haben sich nur von dir ferngehalten, weil sie dachten, dass zwischen Des und dir was lief.«
»Ich dachte, dass dunkle Neyfrem keine Verbindungen untereinander eingehen, weil die Gefahr, dass einer der Kinder sie tötet zu hoch sei.«, fragte ich neugierig.
»Nur weil sie keine Kinder haben heißt es nicht, dass sie keine Bindungen eingehen. Viele dunklen Neyfrem sind zusammen oder verheiratet. Jedoch bedeuten Kinder Macht. Deshalb gehen sie und suchen jemanden, mit denen sie Kinder bekommen können.
Meistens bleiben sie dann in der Nähe des andern Elternteils, um sicher zu stellen, dass dieser nicht stirbt, bevor das Kind alt genug ist, ihn zu töten. Andere ertragen es nicht so lange mit dem Neyfrem zu sein und kehren schwanger zurück. Wenn das Kind erwachsen ist, geht es selbst auf die Suche nach seinem guten Elternteil. Wenn es Glück hat lebt es noch. Wenn nicht braucht es gar nicht zurück zu kehren.«, erklärte Roney. »Naja und du wärst auf jeden Fall die perfekte Partie. Die Schwester des Anführers.«
»Und Mehyl?«
»Der hat immer jemand anderes. Er hat sich noch nicht auf jemand bestimmtes festgelegt.«, sagte er und grinste.
»Okey. Also was sagst du zu meinem Angebot?«, fragte ich ungeduldig.
»Ich nehme natürlich an.«, nahm er glücklich an. »Und du kannst eine solche Entscheidung für Deshar treffen?«
Ich stand auf. »Ja. Er wird dir den Rest erklären.«

Als ich in meinem Zimmer angekommen war, überkam mich die Neugier und ich machte mich dran den Dolch zu inspizieren. Als ich die Augen schloss konnte ich sofort den Eingang spüren. Ich ging hindurch und öffnete mein geistiges Auge, doch was ich sah, sah so echt aus. So als würde es echt sein. Jedoch wusste ich genau, dass das alles nur eine Illusion war. Um mich herum, waren Zellen, die sich nebeneinander und übereinander anreihten. Alles war leer und verlassen. Das künstliche Licht blendete und der beißende Geruch nach verwesten stieg mir in die Nase.
»Siehe da wer mich besuchen kommt.«, hörte ich eine Stimme hinter mir.
Ohne ihm die Genugtuung zu geben mich zu erschrecken, wandte ich mich zu ihm um. Er sah genau so aus, wie im echten Leben. Nur schien er unbeschwerter zu sein. In seinen Augen schimmerte keine Reue oder Trauer wie sonst immer.
»Sieht nicht nach Folter aus. Es sieht eher so aus, als würdest du ausgeruhter und entspannter sein.«, gab ich zu.
»Du hast mich hier reingesteckt um mich zu foltern?«, fragte er ungläubig.
»Was dachtest du warum ich dich umgebracht habe? Weil ich dich so gut leiden kann?« Mein Lachen war bitter. Des zuckte zusammen.
»Weißt du ich kannte Atticas Vater. Ich weiß, dass der Dolch dir erlaubt diesen Ort so zu gestalten wie du willst. Wenn du mich also hierhergeschickt hast, dann kannst du mich nicht so sehr hassen, wie du vorgibst es zu tun.«, provozierte er mich.
»Warte Attica hat ihren Vater umgebracht? Und ihm den Dolch genommen?«, fragte ich überrascht.
»Ja. Hatte sie dir das nicht gesagt? Er hatte sie großgezogen nachdem ihre Mutter, die ein dunkler Neyfrem war starb. Erst nach einigen Jahren wurde sie von den dunklen Neyfrem gefunden und sie zwangen sie ihren Vater zu töten. Sie drohten ihre jüngeren Halbgeschwister aus der zweiten Ehe ihres Vaters zu töten.« Er senkte sein Blick, bevor er weitersprach. »Und sieh dir jetzt an wo sie steht. Eine der besten Generäle von Mehyl.«
»Sie wurde vor einem Leben gerettet, indem sie nicht sie selbst sein kann. Ihr wahres Ich zu unterdrücken hätte sie nicht glücklich gemacht.«, erwiderte ich.
»Das denkst du nicht wirklich.«
»Doch.« Ich ging ein schritt auf ihn zu. »Und du musst das gleiche gedacht haben, wenn du dich Mehyl angeschlossen hast. Warum?«
»Irgendwann wirst du mich verstehen.«, sagte er und trat ein Schritt näher. »Bis dahin kannst du mich in die dunkelste Ecke in diesem Dolch stecken. Das verkrafte ich. Ich würde nur nicht verkraften, dass du mich hasst.«
»Wenn du so versuchst gut weg zu kommen, dann kannst du es dir sparen.«
Seine Augen bohrten sich in meine und für einen Moment glaubte ich ihm fast. »Ich glaube bald wirst du hier mehr Gesellschaft haben. Dieser Ort sieht mir zu leer aus. Vielleicht hol ich ein paar Leute die dich nicht ausstehen können. Die haben sich bestimmt im Laufe der Jahrzehnte bei dir angesammelt. Ich komme wieder, wenn ich ein paar deiner Feinde gefunden habe und vielleicht dekoriere ich hier dann um.«
Als ich gerade gehen wollte sagte er: »Ich habe nie aufgehört dich zu lieben und das werde ich auch nicht.«
»Das wird dir hier nicht helfen.«Ich verschwand ohne einen weiteren Blick auf ihn zu werfen.

Dark Neyfrem #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt