~31.2~

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Luc und ich verharrten auf dem Boden. Keiner von uns wagte es sich zu bewegen. Luc begann zu lachen. Seine Brust bebte unter meinem Gesicht. »Ich wusste wir würden es schaffen. Auch wenn du zu dickköpfig warst es selbst zu sehen.«, gestand Luc. »Caleb hatte wohl Recht. Am Ende hast du uns geholfen.«

Das brachte auch ein Lächeln auf meinem Gesicht. »Das hätte aber auch ganz anders ausgehen können. Es ist zu früh, um Witze darüber zu machen! Noch haben wir nichts erreicht. Draußen steht eine Armee von dunklen Neyfrem. Wie sollen wir sie zu zweit aufhalten?« Ich wünschte ich hätte Lucs Leichtfertigkeit.

»Wir sind nicht zu zweit. Da sind noch Des, Attica und Freya.«, versuchte Luc hoffnungsvoll.

»Klasse. Ein Verräter, ein dunkler Neyfrem und die Anführerin der Verbannten. So können wir keine unsterbliche Armee besiegen.«, zeigte ich das offensichtliche aus.

»Sei doch nicht so pessimistisch! Wenn wir es schaffen eine uralte Prophezeiung zu erfüllen, dann können wir auch eine kleine Armee besiegen.« Er lachte.

»Ich bin kein Pessimist! Ich bin Realist!«, widersprach ich und musste selbst grinsen. Diese Situation war so abstrus. Hier saßen wir nun engumschlungen, nachdem ich ihn getötet hatte und rissen Witze über unseren bevorstehenden Tot.

»Freya kann uns hier rausbringen. Wir müssen nur die dunklen Neyfrem lang genug ablenken, damit Freya uns von diesem verdammten Planeten befreit.«, begann Luc unser Plan zu schmieden.

»Dich dürfen sie aber dann nicht lebendig sehen. Sonst wird Mehyl bemerken, dass die Prophezeiung nicht erfüllt wurde.«, stellte ich fest. »Du bleibst in der Höhle. Ich versuche Freya zu dir zu schicken. Sie kann dich zuerst zum Weltenbaum bringen, bevor sie uns andere holt.«

»Nein! Wir gehen zusammen.«, weigerte sich Luc meinen Plan umzusetzen. »Ich habe eine bessere Idee. Ich verwandle mich in ein Wesen und du sagst zu Mehyl, dass mein Blut das Heilmittel ist. So kommen wir beide hier raus.«

»Also gut.«, stimmte ich seinem Plan zu. Widerwillig löste ich mich von Luc und stand auf. Er tat es mir gleich und verwandelte sich in ein Taubenähnlichen Vogel. Gemeinsam gingen wir denselben Weg aus der Höhle, wie zuvor. Der Tag hatte sich endlos angefühlt. Ich konnte gar nicht glauben, dass sich in so wenigen Stunden alles verändert hatte. Als dunkler Neyfrem hatte ich die Höhle betreten, doch ich verließ sie als ein ganz anderes Wesen. Nicht ein Neyfrem und nicht ein dunkler Neyfrem. Ich war ein hybrid. Ein dunkler Neyfrem, mit Gefühlen. Dazu verdammt ein ewiges Leben zu leben.

***

Mit einem mulmigen Gefühl traten wir ins Freie. Es schien als hätten wir den ganzen Tag in der Höhle verbracht, denn es war wieder hell geworden. Mehyl stand nur einige Meter von der Höhle entfernt da und unterhielt sich mit seinen Soldaten. Ich schaute mich um und entdeckte auch meine Freunde. Attica saß neben Des und Freya. Schuldgefühle überrollten mich. Sie hatten wegen meinen Entscheidungen alle so viel Leid erfahren müssen.

»Mayser! Hast du das Heilmittel? Es ist ein Wunder!« Mehyl kam auf mich zu und musterte mich von Kopf bis Fuß.

»Ja. Dieses Ding, soll angeblich das Heilmittel sein. Die Göttin meinte, es sei sein Blut.«, log ich. Mehyl musterte mich und den Vogel. Er schwieg lange Zeit. Etwas schien er zu überlegen.

»Was ist mit Luc?«, fragte er. Es ließ den Blick nicht von dem Vogel ab. Er wusste es.

So lässig es ging, sagte ich: »Er ist tot. Musst ihn als Wolfsbestie töten.«, erzählte ich die Halbwahrheit.

»Mir kam grad die verrückte Idee, dass Luc auf deinem Arm sitzen könnte.« Sein Blick bohrte sich durch mich hindurch. »Aber du würdest uns nicht hintergehen. Nicht wahr?«

»Ich denke ich habe genug getan, um meine Loyalität unter Beweis zu stellen.«, erwiderte ich bissig.

»Ein Versuch ist es wert. Wenn es wirklich nicht Luc ist, dann werden meine Fähigkeiten bei ihm keine Wirkung zeigen.«, sagte Mehyl. Wie hatten wir nur gedacht, dass Mehyl auf so einen Trick reinfallen würde. Mehyl konnte vieles sein, aber er war nicht dumm. »Also verwandle dich.«

Luc hatte keine andere Wahl. Mehyls Fähigkeit Wesen zu beherrschen, zwang Luc sich zurück zu verwandeln.

»Mayser. Was hast du getan? Wo ist das Heilmittel?«, fragte mich Mehyl wütend. Ich zog Luc hinter mich und trat mit ihm ein Schritt zurück.

»Es ist noch in der Höhle. Aber ich bin nicht die Person die es holen kann.«, log ich.

»Natürlich bist du es. Rede kein Schwachsinn. Wo ist es?«, fragte er diesmal eindringlicher. Des der die Unterhaltung, wie alle anderen auch verfolgte, kam ein Schritt zu uns näher.

»Freya. Bring uns hier raus.«, sagte Luc in Gedanken, so dass nur Freya und ich ihn hören konnten. »Kannst du nur uns. Des und Attica, zu dem Weltenbaum bringen, ohne die anderen mitzuziehen?«

»Ja. Das kann ich.«, erwiderte Freya.

»Dann tu es.«, bat Luc.

Mehyl schien zu merken, dass wir etwas im Schilde führten. Mit einem festen Ruck zog er Des in seinen Griff. Zwei Soldaten kamen und hielten Des für Mehyl fest. Dieser nahm seinen Dolch aus der Scheide und hielt sie ihm Des an den Hals. »Überlege dir gut, was du als nächstes tust.« Sein Dolch wanderte zu Des Kehle.

Luc zog mich ein Schritt nach hinten, damit ich nichts unüberlegtes tat. Mehyl drückte sein Messer fester auf Des Kehle. »Entscheide dich Mayser. Entweder ihr verschwindet und Des stirbt, oder wir kommen mit!«, stellte mich Mehyl auf die Wahl.

»Geht«, flüsterte Luc, Freya zu. »Stell sicher, dass Ivy mitgeht. Ich verschaffe euch Zeit.«

»Ich werde Zach nicht sterben lassen!«, sagte Freya bestimmt.

»Zach ist nicht mehr in diesem Körper. Das ist Deshar. Dem gehört dieser Körper ursprünglich. Zach ist in Sicherheit auf Gaia.«, erklärte ihr Luc. Sie schüttelte stürmisch den Kopf.

»Nein. Du sagst es nur, damit ich euch rette. Aber Zach ist meine Familie. Ich kann ihn nicht sterben lassen. Nur wegen mir ist er in dieser Situation.«, sagte Freya bestimmt. Sie blickte zu Des und verharrte. Auch Des sah sie eindringlich an. Ihre Blicke bohrten sich ineinander. Des überzeugte sie. Nein. Das durfte er nicht tun.

»Wag es nicht Freya. Ich kann nicht zulassen, dass noch mehr sterben. Das könnte ich nicht ertragen. Nimm ihn mit.«, flehte ich sie an.

»Das kann ich nicht. Er trägt keinen Kristall bei sich.«, sagte Freya traurig.

»JETZT Freya.«, schrie Luc sie eindringlich an. Freya schloss die Augen und konzentrierte sich auf ihre Fähigkeiten. Nein. Was hatte Des Freya nur gesagt, um sie davon zu überzeugen? Wollte er sterben? Das durfte nicht wieder geschehen. Mehyl durfte nicht Des und Luc töten. Ich spürte wie Freyas Fähigkeiten sich vorbereiteten, mich mitzureißen. Schnell lief ich auf Luc zu, der sich wie ein Idiot Mehyl stellen wollte und zum zweiten Mal heute sterben wollte. Das konnte ich nicht zulassen. Ich packte Luc am Arm und zog ihn zu mir.

»Es tut mir Leid, Des. Aber ich kann nicht noch einmal sehen, wie Luc stirbt.«

Des nickte und lächelte mich an. Es war kein trauriges Lächeln, sondern ein verständnisvolles. »Ich werde bei Nalhyka auf dich warten.«, sagte er in Gedanken, bevor Freyas Macht mich überkam und ich begann das ziehen zu spüren. »Neein! Mayser!«, schrie Mehyl und mit hasserfüllter Miene schnitt er Des mit seinem Messer die Kehle durch. Noch bevor Des Körper den Boden berührt hatte, wurden wir in den Weltenbaum gezogen.

Dark Neyfrem #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt