~21.3~

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Kate sah mich mit ihren Rehaugen ängstlich an. Fast hätte ich geglaubt, dass ich mir alles nur vorgestellt hatte. Aber sie konnte mir nichts vormachen. Ich hatte es gesehen. Es war keine Einbildung gewesen. Sie hatte keine Angst. »Also wieso bist du dir so sicher, dass du zurückkehren wirst, wenn ich dich töte?« Mit der Spitze meines Dolches hob ich eine lose Haarsträhne, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatte. Sie zuckte nicht einmal zusammen. Das war der Beweis. Keine Sekunde später wurde ich von Jay und Luc von Kate gerissen.

Ein vibrierendes Lachen erklang von meiner Brust. »Lass es, Ivy.«, bat Luc und sah Kate besorgt an.

»Keine Sorge. Ich werde ihr nichts tun. Sie ist sowieso nicht echt.«, erwiderte ich bestimmt. »Ich fall auf deine Spielchen nicht mehr rein.«

»Das ist kein Traum. Wie oft soll ich dir das noch sagen.«, betonte er ausdrücklich. Er sah mich warnend an.

Ich ließ mich aufs Sofa fallen. »Also gut. Dann werde ich hier sitzen und warten, dass du genug hier von hast. Den eine Sache kann ich richtig gut und das ist Kate zu lesen. Wir sind zusammen aufgewachsen. Und so würde sie nicht reagieren. Sie scheint nicht einmal überrascht zu sein, dass sie diese Fähigkeiten hat. Dieses ganze „Ohh es schein, als hätte ich jetzt auch Fähigkeiten", kauf ich ihr nicht ab. «

»Was soll der ganze Lärm?« Attica erschien an der Tür und sah uns verschlafen an. »Sie lebt also wirklich? Ich dachte schon das hätte ich geträumt.«

»Siehst du Luc. Diese Fehler ruinieren deine Illusion. Dunkle Neyfrem träumen nicht.«, zeigte ich ihm seinen Fehler auf. »Achte nächstes Mal auf die Details.«

Er warf geschlagen die Hände in die Luft und ließ sich neben mich aufs Sofa fallen. »Es gibt wohl nichts was ich sagen könnte, um dich zu überzeugen, dass du wach bist?« Das gab es in der Tat nicht. Ich war mir mehr als sicher, dass ich Recht hatte. Luc würde auf diese Weise nichts erreichen. Es war ja nicht so, als würde ich in Freudentränen ausbrechen, nur weil Kate am Leben war.

»Wie kann sie am Leben sein?«, fragte Attica.

»Es ist ihre Fähigkeit.«, antwortete ihr Jay, der Kate nicht aus den Augen ließ.

»Wäre sie ein dunkler Neyfrem, wäre das eine Verschwendung.«, erwiderte Attica. »Wie viel Uhr haben wir überhaupt?«

»Wir haben fast den ganzen Tag durchgeschlafen. Bestimmt gibt es bald Essen, bei Ivys Familie.«, zog Luc diese Lüge fort. Ich drehte meinen Dolch zwischen meinem Fingern. Mehr, als eine kleine Bewegung brauchte ich nicht, um den Dolch mit Genauigkeit in Kates Richtung zu werfen. Weder Luc noch Jay, hatten die Chance es zu verhindern. Zielsicher bohrte sich mein Dolch in ihre Brust. Erschrocken starrte sie mich an. Anders als sonst, ließ ich meinem Dolch nicht ihre Seele aufsaugen. Es wäre sowieso nur eine Illusion gewesen.

»Ivy!«, schrie Jay mich hasserfüllt an. Luc hielt ihn davon ab, sich auf mich zu stürzen.

»Anders als Kate kannst du sterben.«, murmelte Luc ihm zu und riss ihn von mir weg. »Sie wird in ein paar Stunden bestimmt zu sich kommen.«

»Bestimmt?«, schrie ihn Jay wütend an. »Wir wissen nichts über ihre Fähigkeiten. Vielleicht war es eine einmalige Sache.« Sein Blick ging an Luc vorbei. »Wenn sie stirbt, werde ich dich töten. Du bist nicht mehr unsere Freundin. Für mich bist du gestorben.«

»Das hast du früh gemerkt.«, erwiderte ich genervt. »Luc. Lass mich jetzt aufwachen.« Er lief dunkelrot an. Seine Stirn verzog sich.

»Lese meine Gedanken, wenn du mir nicht glaubst. Aber hör auf deine Freunde umzubringen.«, schrie auch er mich an. Wieso war mir das nicht eingefallen? Anders, als letztes Mal, ließ Luc seine metallenen Schilde fallen. Schnell ging ich in seinen Kopf und suchte nach dem Beweis, dass die Illusion echt war. Doch ich fand nichts dergleichen. Es war unmöglich, dass Luc so etwas von mir verbergen konnte. Ich suchte in den tiefsten Stellen seiner Erinnerung von diesem Tag und fand nichts. Er war genau wie ich aufgestanden und war überrascht gewesen, dass Kate am Leben war.

Es war keine Lüge. Das war kein Traum. Es war echt. Langsam verlor ich den Verstand. Luc ließ mich verrückt werden. Ständig spuckte er in meinen Träumen rum und ich konnte nicht einmal mehr einen Traum von der Realität unterscheiden.

»Siehst du.«, sagte Luc bestimmt. Irgendetwas an seiner Miene stachelte meine Wut an. Es lag etwas Neckendes darin, als würde er sich über mich lustig machen. Lag es wirklich so fern, dass diese Situation ein Traum sein konnte? Kate war einfach von den Toten zurückgekehrt. Das klang nicht gerade wie etwas Reales. »Keine Sorge. Du wirst merken, wenn du von mir Träumst.« Er sagte es so, als wäre es meine Wahl von ihm zu träumen, wobei er es mir aufdrang.

»Seid ihr so weit?«, unterbrach uns Bay und trat in unsere Hütte.

Ich wandte mich von Luc ab. Mit seinen Spielchen würde ich mich später befassen müssen. Jetzt waren erst mal meine Cousins dran.

»Ja. Caleb geh Freya und Des aufwecken.«, sagte ich an Caleb gerichtet.

Er nickte eifrig und eilte davon in Freya und Zachs Zimmer.

»Ihr könnt nicht gehen!«, rief Jay verzweifelt. »Wollt ihr Kate einfach hier liegen lassen?«

Jay und Kate gingen mir langsam echt auf die Nerven. Wenn Jay nicht mit uns Essen gehen wollte, dann sollte er eben hier warten, bis seine Schwester aufwachte. Ich wandte mich von ihm ab und ging zu Bay. Luc versuchte währenddessen Jay zu beruhigen und trug Kate zurück in Jays Zimmer.

Erst, als Luc zu uns zurückkehrte kam Caleb mit Freya und Zach im Steppentau zurück.

Freya mied Bays Blick. Sie lehnte sich zu mir. »Kannst du deinen Cousins bitte sagen, sie sollen sich wenigstens eine Hose anziehen?«, flüsterte sie mir zu.

»Ich glaube kein einziger Wolf in diesem Camp besitzt eine Hose.«, antwortete ihr Bay.

»Du hast das gehört?« Freya lief rot an. Zach schnaubte neben ihr abfällig.

Er deutete nur auf seine Ohren und grinste spitzbübisch. »Wir haben die Sinne eines Wolfes.«, erklärte er.

»Großartig.«, murmelte Freya.

»Also wollen wir? Das Essen wird sonst kalt. Und glaubt mir ihr wollt keine hungrigen Wölfe erleben.« Er wartete gar nicht auf unsere Antwort. Bay drehte sich einfach um und verschwand. Uns blieb keine Wahl, als ihm zu folgen.

Dark Neyfrem #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt