~29.1~

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Ein säuerlicher Geschmack breitete sich auf meiner Zunge aus. Alles begann sich zu drehen. Als sich der Wirbel legte war ich in der Dunkelheit. Nur in der Ferne konnte ich ein schwaches Licht erkennen, dass eine Person um schmiegte. Langsam näherte ich mich und konnte mit jedem Schritt die Frau vor mir erkennen. Sie stand mit dem Rücken zu mir. Lange schwarze Gewänder zierten ihren Körper und fielen leicht zu Boden. Ihre Haare fielen über ihre Schultern, wie Wellen.

»Wer bist du?«, fragte ich die Gestalt vor mir, um ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Langsam wandte sie sich zu mir um, fast schon in Zeitlupe. Bis ich ihr Gesicht erkennen konnte.

»Ich bin du.«, sagte sie mit düsterer Stimme. »Dein jetziges und zukünftiges Ich.«

Waren es eigentlich Selbstgespräche, wenn man tatsächlich mit sich selbst sprach? Die Situation wurde immer abstruser. »Gut. Kann ich diesen Schwachsinn beenden und das Heilmittel bekommen?«, fragte ich mit der süßesten Stimme, die ich aufsetzen konnte.

»Nein.«, äffte mich mein Duplikat mit der gleichen zuckersüßen Stimme nach. »Erst musst du dich als würdig erweisen.«

»Wenn du ich bist, müsstest du dann nicht bereits wissen ob du selbst würdig bist?«, verdrehte ich ihre Logik.

»Oh ich weiß es.«, erwiderte sie langsam genervt und setzte den gelangweilten Blick auf, den ich seit meiner Kindheit perfektioniert hatte. Und nickte mir zu. »Die Frage ist ob du es weißt?«

»Dann können wir uns das hier sparen. Ich beantworte die Frage mit einem klaren, Ja.«

»Nein. So einfach geht das nicht. Es muss durch deine Entscheidungen belegt werden. Vorhersagen sind nicht immer zuverlässig. Die Zeit verläuft nicht in einer geraden Zeitachse. Sie ist vielmehr ein Baum mit vielen Wurzeln und Zweigen. Manche Wurzeln sterben nach einiger Zeit ab und treten nie ein. Andere wiederum wachsen und Dinge, die nie geschehen sollten, fangen an die Zukunft zu verändern. Der freie Wille muss immer gewährleistet sein.«

»Wunderschöne Metapher.«, sagte ich unbeeindruckt und verdrehte die Augen. »Was muss ich tun?«

»Das Halluzinogen, welches du getrunken hast, wird dir den Weg zeigen. Doch letztendlich kommt der Ausgang nur auf dich und deine Begleitperson an. Wen hast du ausgewählt?«, fragte sie mich.

»Luc.«

»Und warum fiel deine Wahl auf ihn?«, fragte sie erneut.

»Er hat mir praktisch keine Wahl gelassen. Denkt wir könnten Mehyl aufhalten. Und wie es scheint taucht er jetzt nicht mal auf.« Nach all dem war er nicht einmal hier.

»Nur ein liebender Neyfrem kann das Heilmittel erhalten und wie ich sehe sind wir das beide nicht. Ich repräsentiere deine Zukunft. Wenn du willst kann ich dir etwas über mein Leben verraten.«

»Es kommt drauf an. Habe ich Halluzinationen und nichts von dem was du sagst wird zutreffen?«, fragte ich sie.

»Nein. Es wird geschehen. Mit dem Trank bist du nur empfänglicher für das übernatürliche. Du kannst Dinge fühlen und sehen, die nicht in deiner Welt sind.«, erklärte sie.

»Nun gut, dann erzähl mir wie meine Zukunft aussieht.«, bat ich.

»Wie viele Jahre in die Zukunft willst du gehen?«, fragte sie mich. »Ich gebe dir nur Einblick in eine Zeit.«

»In hundert Jahren.«, antwortete ich.

»Was für eine Verschwendung.« Sie lachte mich aus. »Dein Leben wird viel länger gehen als hundert Jahre. Aber gut. In hundert Jahren werden du und Mehyl noch im Krieg mit den zwölf Völkern sein. Dieser Krieg wird in die Geschichte als der ewige dunkle Krieg eingehen. Das alles wird geschehen, wenn du nicht an das Heilmittel kommst.«

Dark Neyfrem #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt