~10.1~

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Als ich am nächsten Morgen erwachte, war es noch dunkel. Caleb weckte mich wie üblich auf eine unsanfte Art, die in mir das Bedürfnis erweckte ihn zu erwürgen. »Ivy! Steh auf. Heute ist deine Prüfung.«, schrie Caleb mich förmlich an.

»Hör auf zu schreien. Als ob ich das nicht schon wüsste.«, murmelte ich in mein Kissen.

»Ich habe mit Freya geredet. Sie hat mir gesagt ich soll dir nicht vertrauen.«, plapperte er weiter. »Und dass du mit Mehyl zusammenarbeitest. Ich habe ihr unser Geheimnis verraten. Sie hat mir aber auch versprochen es nicht weiter zu erzählen.«

Es war so nervig, dass er obwohl ich ein dunkler Neyfrem war immer noch an das Gute in mir glaubte. Was dachte er den bitte, was ich vorhatte? Ich versuchte mich zu erinnern, warum ich diesen lästigen Jungen in meinen Dienst gerufen hatte, aber mir fiel keine Begründung ein. Hatte ich mich selber für etwas bestrafen wollen? Vielleicht sollte ich einfach zulassen, dass er ein dunkler Neyfrem würde, dann wäre ich ihn endlich los und könnte mir die Mühe ersparen seinen Vater umzubringen.

».... helfen kann. Hörst du mir eigentlich zu?«, fragte Caleb aufgebracht.

»Ja.«, antwortete ich mürrisch und rappelte mich auf. Am liebsten hätte ich einfach weitergeschlafen. Ich war nicht besonders erpicht darauf mich zum Gespött zu machen. Aber jetzt aufzugeben würde mich nur Schwach aussehen lassen. Nach einer langen Unterhaltung mit Caleb, der dachte er wäre eine gute Idee, mir vor fünf Uhr morgens, in aller Ausführlichkeit die Schwachstellen des Lagers aufzuzählen. Ich hörte ihm nicht zu, bis mich etwas aufhorchen ließ.

»Warte. Wiederhole das noch mal.«, befahl ich.

»Die Mauer am Westflügel hat einen Riss und ich kann durchkrabbeln.«, wiederholte er stolz, dass ich ihn ernst nahm.

»Nicht das. Das davor.«

»Der Diener von Hiyon hat sich beschwert, dass er seit einer Woche die Schuhe und die Kleidung seines Meisters dreimal täglich putzen und flicken muss. Sie ist jeden Tag voller Ruß und an vielen Stellen versengt.«, sagte Caleb.

Seit einer Woche? Hatte er erfahren, aus was unsere Prüfung bestand? Wenn er so oft die Woche vor der Prüfung das gleiche gemacht hatte. Es war auch nicht so, als wäre es ihm unmöglich an die Information zu kommen. Er und seine Familie hatten Freunde in hohen Positionen. Wenn meine Annahme stimmte, dann hatte er einen weiteren Vorteil mir gegenüber. Es wurde immer aussichtsloser. Aber immerhin konnte ich jetzt vermuten, dass die Prüfung etwas mit Feuer zu tun hatte. Das sah Mehyl auch ähnlich. Unser Vater hatte die Gabe besessen Feuer bändigen zu können und Mehyl hatte sich schon immer davon angezogen gefühlt.

»Hat er noch etwas gesagt?«, fragte ich.

»Nein. Nur das.«, gab er zurück.

Nachdem ich meine Trainingssachen angezogen hatte gingen Caleb und ich den gewohnten Weg zur Trainingshalle. Nur dass sie heute voller neugieriger dunkler Neyfrem war. Obwohl es noch eine halbe Stunde dauerte, bis es losging, waren alle Plätze besetzt und viele niederer dunkler Neyfrem standen am unteren Rand der Arena, hinter der Absperrung. Selbst die Logenplätze waren alle bis auf drei besetzt. Natürlich war Mehyl noch nicht erschienen und auch nicht seine linke und rechte Hand. Ich sah mich um und entdeckte fast jeden von meinem Jahrgang, außer Hiyon. Natürlich hielt er sich mal wieder für etwas Besseres und dachte er wäre erhaben uns anderen gegenüber. Am liebsten würde ich ihm dafür eine reinhauen. Aber das würde wohl ein Wunsch bleiben, in all den Trainingsstunden hatte ich es nur einige Male geschafft ihn zu treffen. Heute gegen ihn zu bestehen würde unmöglich sein.

Vor mir stand Attica neben dem Regal mit den Waffen. Ich ging zu ihr rüber und schnappte mir die erste Waffe die mir auffiel.

»Du willst doch nicht mit einer Peitsche gegen Hiyon kämpfen oder?«, fragte Attica genervt und klang, als würde sie mit einem trotzigen Kind sprechen.

Dark Neyfrem #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt