Kapitel 17.1

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Eine gewaltige Explosion wurde verursacht. Die Erde bebte. Von meinem ehemaligen Heim war alles in Schutt und Asche zerlegt. Das wütende Feuer, das den Nachgang der Explosion darstellte, erledigte den Rest. Ich konnte nicht anders, als dazustehen und zu weinen. Alle, die ich in mein Herz geschlossen hatte und die mich mein gesamtes Leben über begleitet hatten, waren vernichtet worden. Mit einem Mal fiel mir Moesha wieder ins Gedächtnis, meine Freundin aus Kinderzeiten. Sie hatte mir bei der Wahrsagerin Madame Pottine wirklich sehr geholfen. Dennoch nahm mich die Angst in ihren Besitz, Moesha könnte dasselbe Schicksal widerfahren. Ich musste unbedingt nach ihr sehen und mich vergewissern, dass es ihr gut ging.

"Die Flügel mussten leider dran glauben."

 Ich drehte mich zu Levente und Artis hinüber, die rechtzeitig reagiert hatten, um Remmes Leichnam aus dem Haus zu befreien. Ich erkannte an Torbens Blick, dass sein Durst nach Rache noch lange nicht gestillt war. Tiefe Trauer legte sich auf sein Gesicht, als er seinen einstmals besten Freund betrachtete. Doch diese Trauer verwandelte sich so schnell in rasende Wut, dass ich keine Chance hatte, ihn davon abzuhalten, in die Trümmer des Hauses zu marschieren. Stattdessen heftete ich mich an seine Fersen. 

"Ich wollte dieses Vieh alleine erledigen!"

Mürrisch stapfte er durch einige zerbrochene Glasscherben. 

"Aber ihr kämpft doch im Team", versuchte ich seine Freunde zu verteidigen. 

"Das hier ist etwas anderes."

"Schon klar, weil es hier um Lisa geht", nuschelte ich vor mich hin und war ein klein wenig eifersüchtig auf seine ach so tolle Lisa.

Ich bin eifersüchtig auf eine tote Frau ... Wie tief kann man denn noch sinken? 

"Hast du ein Problem damit?"

Kampflustig stand er mir gegenüber, seine Brust rausgestreckt wie ein Hühne. Er spannte seine Muskeln an, so als hätte er tatsächlich vor, gegen mich zu kämpfen. Ich hob abwehrend die Arme in die Luft. 

"Hey. Ich bin nicht dein Feind, also lass bitte nicht alles an mir aus. Sole wollte dir nur einen Gefallen tun, und das hat sie auch getan, wenn du mich fragst." 

"Ach ja?"

Ich zeigte nach vorne zu einigen zuckenden Teilen. Die Überreste des mächtigen Kopponen lagen überall zerstreut am Boden. Er war am Ende seiner Kräfte, dennoch war der Kopf des Geschöpfes, und es war tatsächlich nur noch dieser ekelhafte Kopf aus diversen verschiedenen Hautpartien von Lisa, dazu imstande, zu atmen. Ich konnte mir nicht erklären Wie so etwas möglich war, aber ich sah es ja gerade mit eigenen Augen, nur wollte und konnte dieser Anblick mich nicht daran glauben lassen. 

"Dreh dich bitte um Sherin."

Torbens Tonfall war nun genau das Gegenteil zudem, wie er vorhin mit ihr umgegangen war. Ruhig, sanft und verständnisvoll, wie ein schnurrendes Kätzchen, das jeden Augenblick seine Krallen ausfuhr. 

"Wieso? Ich ..."

"Bitte. Tu einfach das, was ich dir sage."

Ich drehte ihm den Rücken entgegen und beschloss die nächsten Minuten in der Stille zu verweilen. Ich hörte nur dabei zu, wie er einen gewaltigen Brocken hob und ihn schließlich mit einem lauten Aufschrei nach unten knallen ließ. 

"Es ist vollbracht", äußerte er sich kurz, bevor er schnellen Schrittes an mir vorbeilief, so, als wollte er nicht, dass ich ihn in solch einem zerbrechlichen Zustand erlebte. Als wir uns draußen zu den Anderen gesellten, hatte Torben seine Gefühle wieder vollkommen im Griff. Als hätte er alles wieder tief in sich vergraben, sodass keiner an seine Zerbrechlichkeit herankam. Remmes war vermutlich der Einzige gewesen, dem er solche Dinge anvertraut hatte und nun hatte er keinen mehr. Auch wenn ich ihm angeboten hätte, sich mir zu öffnen, so stand zu viel zwischen uns, als dass er ein "Ja" akzeptieren würde. Das erste große Thema war wohl seine Lisa. Ja, sie war tot, aber für mich war es diese Frau irgendwie doch nicht, weil sie noch eine viel zu große Rolle in Torbens Leben spielte. Ich wusste einfach nicht, wie ich solch einer Frau gerecht werden sollte. Ich war nicht sie und wollte es auch nicht sein. Und wenn Torben mich nicht so akzeptierte, wie ich war, dann hatte es eh keinen Sinn.

Was rede ich denn da? Es hat sowieso keine Zukunft, das hat er selbst zu mir gesagt. Wieso mache ich mir also immer noch Hoffnungen????

Ich blickte in die traurige Runde und zugleich fühlte ich mich schlecht, da ich mir über solch banalen Kram den Kopf zermarterte, wobei vor einigen Stunden ein sehr guter Freund von uns gegangen war. Erst jetzt fiel mir auf, dass Delian sich wieder in sein altes Ich zurückverwandelt hatte und Nevia wie eine besorgte Frau, seine Wunden versorgte. 

"Es ist der Kopf", teilte Torben der Runde mit.

"Wenn ihr zuerst den Kopf des Kopponen ausschaltet, ist auch der Rest seines Körpers gelähmt."

 "Na dann haben wir ja eben viel zu Wenige erledigt. Auf geht's in die zweite Runde."

Voller Tatendrang marschierte Artis mit seinem Bierbauch voran. Sole hielt ihn jedoch davon ab. 

"Gerade in dieser Zeit sollten wir alle zusammen sein. Wir haben vor wenigen Stunden unseren Anführer verloren und er verdient es nach unseren Traditionen angemessen bestattet zu werden. Ich hoffe die Unterwelt, gewährt uns ein paar Tage Trauerzeit."

Betroffen blickten alle hinab zu Remmes, dessen Mundwinkel noch immer zu einem abscheulichen Grinsen nach oben gezogen waren. Man konnte ihm förmlich ansehen, dass sein Tod alles andere als harmlos gewesen war. Keiner sagte ein Wort. Für alle stand wohl fest, dass Remmes Beerdigung nun erst einmal vor dem bevorstehenden Kampf Vorrang hatte. An einem einzigen Abend hatte ich nicht nur meine Familie, sondern auch einen sehr guten Freund verloren.

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BLACK FEATHER (Wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt