Epilog

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Die Nachmittagssonne brannte in sein Gesicht, als er sich gerade einen Kaffee in einer Eisdiele genehmigte. Ihm gegenüber saß eine Unbekannte.

Eine Frau, die er eben gerade erst kennenlernen durfte. Seine Mutter kam in letzter Zeit viel zu oft auf die Idee ihn mit einer Frau zusammenbringen zu wollen, dabei war er mit seinen Ende 30 noch gar nicht so alt und er wusste auch nicht, wieso sie solche Angst davor hatte, dass sie keine Enkelkinder bekäme.

"Tom?"

Die Frau vor ihm riss ihn aus seinen Tagträumen und er blickte ihn ihr blasses unschuldiges Gesicht. Hellblaue Augen blickten ihn fragend an. Er fuhr sich über seinen Drei-Tage-Bart. Eigentlich war sie gar nicht so übel anzusehen. Doch seine Hingabe zu Frauen, diente nur einem einzigen Zweck, und der war, mit ihnen im Bett zu landen. Solche Empfindungen wie Liebe, existierten in seinem Wortschatz nicht, naja, vielleicht die Liebe zu seiner Mutter, aber sie wäre auch die Einzige.

"Entschuldige bitte, was hast du gesagt? Ich war in Gedanken."

Sie klemmte sich eine ihrer lockigen blonden Haarsträhnen hinters Ohr und schüttelte lächelnd den Kopf. Dieses Lächeln galt allerdings nicht seinem Charme, das wusste er, viel mehr war es eine feine Geste, ihm zu zeigen, wie angepisst sie über die derzeitige Situation war.

"Hör zu, ich weiß, dass deine Mutter der Auslöser für dieses Treffen hier ist. Ich meine, wir haben uns seit der Kindheit nicht mehr gesehen und du weißt mit Sicherheit nicht mal mehr meinen Namen."

"Ähm, doch, Stella."

"Clara, mein Name ist Clara."

Jetzt hatte er sie tatsächlich wütend gemacht. Sie stand auf und winkte die Bedienung heran.

"Wir würden dann gerne zahlen."

Die hagere Bedienung nickte ihr zu und verschwand wieder.

"Hattest du überhaupt schon einmal eine Frau?", fauchte Clara ihn an, doch ihm war die Situation durchaus bekannt und er wusste bereits jetzt schon, wie sie ausging. Ruhig drehte er sich eine Zigarette.

"Wenn du darauf hinauswillst, ob ich bereits schon einmal eine Beziehung hatte, dann nein. Das ist mir alles zu kompliziert."

Er leckte mit der Zunge über das Zigarettenblättchen, als er ihr direkt in die Augen sah.

"Aber ich hatte schon einige Frauen, die mehr als zufrieden mit meinen Qualitäten waren, wenn du verstehst was ich meine."

Sie schluckte schwer und man konnte ihr deutlich ansehen, wie sie abwägte, ob sie nun gehen sollte oder sich auf etwas einließ, dass sie womöglich später bereuen würde.

Mit einem Mal schaltete sich seine Intuition ein und sein Blick richtete sich nach links auf die Straße. Neben der Straße auf dem Bordstein stand eine Person, das Gesicht tief in eine Kapuze gehüllt. Er wurde beobachtet. Er stand auf, um die Person besser sehen zu können, doch da trat Clara wieder in sein Sichtfeld.

"Bist du wieder in deiner Gedankenwelt, Tom?"

"Verzeihung, aber ich dachte, ich hätte dort drüben jemanden stehen sehen."

Sie drehte sich in die Richtung, sodass er nochmals einen Blick auf den Bürgersteig erhaschen konnte, aber die Person war bereits verschwunden. Seltsam. Irgendetwas stimmte hier nicht. Clara knallte ihr Geld auf den Tisch.

"Du warst nicht nur früher seltsam, du bist es auch noch heute."

Er grinste zu ihr auf, als er sich seine Zigarette ansteckte.

"Das ist alles eine Sache des Blickwinkels, Schätzchen. Ich fand dich zum Beispiel schon immer bescheuert, aber das kann ich ja schlecht meiner Mutter sagen."

Sie blies ihre Backen auf und holte zum Schlag aus, doch Tom war schneller. Er sprang auf und riss ihren Arm nach unten.

"Das würde ich nicht tun."

Im selben Moment spürte er, dass hinter ihm gleich ein Malheur geschehen würde. Er ließ Clara los, drehte sich um und sah, dass der Kellner mit seinem Tablett voller Gläser ins Stolpern geriet und kurz davor war hinzufallen. Das Tablett flog in die Luft. Er fing es auf und balancierte vier von fünf Gläsern auf dem Tablett. Einige applaudierten, andere blickten nur vollkommen verdutzt zu ihm. Clara rappelte sich auf, schüttelte den Kopf und ließ das Wort:

"Freak", von sich, bevor sie mit ihrer Minihandtasche aus dem Tumult verschwand. Er bezahlte die Rechnung der Getränke und machte sich nun auch aus dem Staub.

Er hatte schon immer das Gefühl gehabt, er gehöre nicht hierher. Dass er zu etwas anderem bestimmt war, als jeden Tag aufzustehen, zur Arbeit zu gehen und wieder nach Hause. Zu seiner handwerklichen Tätigkeit war er noch beim Kampfsport, aber auch das war für ihn keine wirkliche Herausforderung mehr. Er hatte beim ersten Training bereits alle Mitglieder ohne jegliche Vorerfahrung besiegt.

Tom schleppte sich zu seiner zwei Zimmer Wohnung hinauf in den dritten Stock, gönnte sich eine kurze Erholungsphase unter der Dusche und ging mit nur einem Handtuch um die Hüften, durch die Wohnung. Seine inneren Sensoren schlugen erneut Alarm und er blickte aus dem Fenster. Dort stand sie wieder, die Person, und blickte zu ihm hinauf. Es war eine Frau. Dieser Schönheit konnte selbst der Kapuze, die sie trug, nichts anhaben. Smaragdgrüne Augen blickten ihm entgegen. Gebannt hielt er ihrem Blick stand. Er wusste nicht wieso, aber er musste zu ihr, er musste sie von Nahem sehen.

"Warte!", rief er nach unten, bevor er, nur mit seinem Handtuch bekleidet, die Treppen hinunterstürzte.

Und tatsächlich, sie hatte auf ihn gehört und gewartet.

"Du... du kannst mich sehen?", kam es stockend aus ihrer Kehle. Ihre Stimme war einzigartig. Nie mehr würde er sie vergessen.

"Wieso sollte ich dich nicht sehen können."

Er trat näher an sie heran und sie wich einen Schritt zurück. Er wollte nicht, dass sie schon wieder vor ihm verschwand. Er packte ihren Arm und zog sie zu sich. Sie war so leicht. So federleicht. Ihre smaragdgrünen Augen bohrten sich in Seine. Für den Bruchteil einer Sekunde stand die Zeit still. Keiner von beiden wagte sich etwas zu sagen. Dann zog er vorsichtig ihre Kapuze vom Kopf und zum Vorschein kam eine wilde rote Mähne. Tom war überwältigt von ihrem Anblick. Ihre vollen unvorstellbar roten Lippen öffneten und schlossen sich wieder. Obwohl er sie nicht kannte, schlug sein Herz in einem unregelmäßigen Takt und wollte gar nicht mehr aufhören sich zu beruhigen. Ihr blumiger Duft kam ihm unglaublich bekannt vor und er stutzte, als ihm bewusst wurde, woher er den Geruch kannte. Das waren die Blumen, die er tagtäglich roch, wenn er seinen einsamen Spaziergang durch den Park machte. Dieser Duft erinnerte ihn daran, dass er nicht alleine war, weil er sie hatte, genau diese Frau, die nun vor ihm stand. Er brauchte sie. Genau das war der Grund, wieso alles nie wirklich einen Sinn ergeben hatte, aber jetzt schon. Er hatte die gesamte Zeit über auf sie gewartet. Gefühlvoll nahm er ihr Gesicht in seine rauen Hände. Sie schaute zu ihm auf.

"Kannst du dich wieder an alles erinnern?", fragte sie vorsichtig und ein leichter Hoffnungsschimmer machte sich auf ihrem Gesicht bemerkbar.

Er schüttelte den Kopf.

"Nein, aber ich weiß, dass ich zu dir gehöre, Kleines."

Es schien für ihn noch immer so surreal, dass das hier auch wirklich passierte. Er spürte es am ganzen Leib, es war die richtige Entscheidung. Tränen sammelten sich in den Augen der Frau und ihre vollen Lippen fingen an zu zittern. Sie schlang ihre Arme um ihn und vergrub ihren Kopf an seiner nackten Brust, wo sie tiefe Schluchzer hinterließ. Sein Handtuch fiel achtlos zu Boden, doch das war ihm völlig egal.

Er gab ihr den Halt, den sie brauchte und er wusste vom ersten Moment an, dass er dieser Frau verfallen war und sie bis zum Ende hin, beschützen würde. Tom hatte seine Bestimmung nach so langer Zeit endlich gefunden.

ENDE

BLACK FEATHER (Wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt