Kapitel 14

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Ich konnte nicht glauben, welcher Anblick sich mir gerade präsentierte. Adam, mein kleiner Bruder, torkelte auf mich zu. Der Gestank nach totem Fleisch lag in der Luft und trieb meinen Gemütszustand völlig in den Keller. Sollte ich etwa gegen meinen toten Bruder kämpfen?

Vor wenigen Minuten hatte ich erfahren müssen, dass meine gesamte Familie geschlachtet worden war, und nun sollte ich auch noch gegen die noch vorhandene Hülle meines Bruders antreten?

Das hier war nicht mehr Adam, nein. Es war nur noch ein lebloses Etwas, eine Marionette, die darauf ausgelegt war, den Anweisungen Folge zu leisten und zu töten. Auch wenn es nicht mehr Adam war, der hier vor mir stand, so konnte und wollte ich ihm nicht wehtun.

Wie ein Zombie ließ er seine Arme leblos nach unten hängen und kam mir träge entgegen. Als er nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt war, beschleunigte er seinen Gang. Aus seiner Hose zog er ein Fleischermesser, womit er frontal auf mich zu rannte. Ich war viel zu schockiert über dieses abartige Erscheinungsbild meines Bruders, das ich nicht imstande dazu war auch nur irgendeine Regung zu vollziehen. Es war grauenhaft.

"Sherin! Pass auf!", versuchte mich Torben aus meiner Starre zu befreien. Doch ich war wie festgefroren. Ich konnte einfach nicht glauben, was hier vor sich ging. Torben positionierte sich vor mir und wehrte den ersten Angriff mit seinen Schwertern ab.

"Na, na, na, Torben. Für dich ist dieser Kampf nicht gedacht, also verschwinde!"

Mit nur einem Hieb seines Stockes, schmetterte Liam Torben gegen die geblümte Wohnungswand und verschränkte seine Arme, sodass seine beiden scharfen Schwerter beinah die Haut seines Halses einritzten. Wenn Torben nur eine Regung vollzog, und seine Schwerter zusammenfielen, dann würde er sich eigenhändig den Kopf abtrennen. Torben schrie laut auf, aber sein Zorn brachte ihn nicht sonderlich weiter. Liam grinste belustigend. „So kommst du mir wenigstens nicht mehr in die Quere."

Liam klatschte in die Hände und Adam fing erneut an, mich mit seinem Fleischermesser zu attackieren.

"Los! Biete mir etwas, das ich nicht so schnell vergessen werde", animierte er seine Kreatur.

So langsam löste ich mich aus dem Standbymodus. Ich wich ihm, so gut ich nur konnte, aus. Obwohl er bereits tot war, war er unglaublich schnell, indem was er tat. Ich wollte ihn nicht umbringen, es war eine Qual für mich ihn so zu sehen und dennoch hatte ich mich irgendwie zu verteidigen. Also schlug ich meinen rechten Arm in den Boden und versuchte die Schlange an meinem Arm zu wecken.

"Oh nein, meine Süße. Das hättest du wohl gerne Die Schlange kommt mal schön zu mir, zu ihrem rechtmäßigen Besitzer."

Erschrocken beobachtete ich, wie Liam die silberne Schlange mit gerade mal nur einer Handbewegung von meinem Arm löste. Viel zu viele Fragen schwirrten durch meinen Kopf und dann noch der frontale Angriff von Adam. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt mein inneres Gefühlschaos von Trauer, Bitterkeit, Aggression und Hilflosigkeit in Einklang zu bringen. Noch dazu war mir gerade meine wichtigste Waffe entzogen worden. Was sollte ich jetzt nur tun? Die letzten Kämpfe hatte ich ununterbrochen mit meinem Schlangenarm gekämpft. Er hatte mir einiges an Kraft genommen, aber genauso viel Kraft wiedergegeben. Zuerst dachte ich, er würde mich verändern, meine Persönlichkeit verdunkeln, was für einen kurzen Augenblick auch so war, sonst wäre ich nicht so unbeholfen auf Levente losgegangen. Aber ich hatte gelernt mit ihm umzugehen, auch wenn die hervorquellenden Adern nicht gerade für sich gesprochen hatten.

Adam ließ sich von meinem Gemütszustand natürlich nicht beirren. So registrierte ich viel zu spät, dass er vor mir stand und Torbens Rufe erreichten meinen Kopf ebenfalls nicht rechtzeitig. Diesmal konnte ich mich nicht einfach davonstehlen. Er traf meinen linken Oberarm und schnitt mir genügsam etwas Haut ab.

"Volltreffer", applaudierte Liam heiter.

Auch wenn ich wusste, dass sich mein Arm wieder regenerieren würde, tat es höllisch weh. Als ich vor Adam flüchtete, wünschte ich mir meine Schlange wieder zurück. Wie sehr ich sie nun brauchte, wurde mir erst jetzt so richtig bewusst. Die Erkenntnis traf mich, wie die Faust aufs Auge. Die letzten Tage hatte ich keine Probleme mehr mit der Schlange und meinen entzündeten Adern. Ein kurzer Blick auf meinen rechten Arm genügte, um festzustellen, dass er vollkommen gesund war. Die innere Entschlossenheit breitete sich aus. Ich stellte mich dem Kampf, auch wenn es mir noch so schwerfiel. Ich sah mit an, wie Adam mir immer näherkam. Mit der Schlange jedoch an meiner Seite, hatte ich keine Angst mehr, denn sie war ein Teil von mir geworden, sie war ein Teil der Familie, sie war ein Teil meines Vaters. Und so rief ich innerlich nach meinem Besitz.

"Hey! Was machst du da? Wo willst du hin? Bleib gefälligst hier!"

Liam schien zuerst ziemlich überrascht und schließlich sehr sauer darüber zu sein, dass er sein selbst geschaffenes Werk nicht mehr im Griff hatte, als sich die silberne Schlange, wie ein kleines schnurrendes Kätzchen, um meinen Arm legte.

Ich lächelte ihm zufrieden entgegen, was ihn schier in Raserei gerieten ließ. Wütend stieß er seinen schwarzen Gehstock auf den Boden, sodass sich seine rote Kugel darauf unaufhaltsam zu drehen begann. Seine gefährlichen roten Schlitzaugen nahmen mich regelrecht ins Visier, als hätte ich ihm einen Strich durch seinen Plan gemacht. Immerhin stimmte das auch in gewisser Art und Weise.

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Hier ist also ein neues versprochenes Kapitel ; )  Hoffe ihr seid, trotz der etwas längeren Pause, noch als Leser dabei. Ich werde nun wieder versuchen, alle vier Wochen ein Kapitel zu veröffentlichen.

BLACK FEATHER (Wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt