Kapitel 3.3

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Mein Adrenalin lief auf Hochtouren, dennoch war ich viel zu geschockt, als dass ich einen Schritt nach vorne wagen konnte. Vor wenigen Sekunden stand Madame Pottine noch neben mir, und jetzt ...

Allein die Vorstellung an ihren zerfleischten Körper ließ eine gewaltige Gänsehaut auf meiner Haut entstehen. Noch immer hörte ich, wie dieses Vieh seiner Mahlzeit nachging. Ich war sehr darauf bedacht, keinen großartigen Lärm auszulösen. Vielleicht hatte ich ja Glück, und ich könnte mich somit ins Freie stehlen.

Ich versuchte meine Atemzüge so leise wie möglich zu regulieren, obwohl mein gesamter Körper unter Anspannung litt. Der erste Schritt nach hinten genügte und ich hörte, wie diese abartige Kreatur mit dem Essen verstummte. Normalerweise wäre meine erste Reaktion die Flucht nach draußen gewesen, aber ich stand wie gelähmt in der Wohnung der alten Dame, und sah mit an, wie dieses Etwas die Küchentür öffnete. Ein kurzer Blick hinein genügte, um zu erkennen, welchen Schaden dieses Ungetüm Madame Pottine zugefügt hatte.

Mit den Beinen, die aussahen, als wären sie eine Art Schraubstöcke, kam es auf mich zu. Die Waden bestanden jedoch aus menschlichem Gewebe. Ebenso wie der Rumpf und ein Teil der Arme. Den Rest seiner Körpermasse bestückte kaltes Metall. Nur das Gesicht sah irgendwie danach aus, als ob die einzelnen Hautfetzen von irgendwoher zusammengesucht  und dann zu dieser entstellten Fratze verarbeitet worden wären, die mich mit einer fiesen Grimasse beäugte. Es zeigte mir seine spitzen scharfen Zähne. An seinem Mund hing noch ein Stück Hautfetzen das womöglich keiner anderen gehörte als der lieben netten alten Dame, die es vor einigen Minuten genüsslich verzehrt hatte. Die wenigen dunklen Haare, die dieses Ungetüm auf dem Kopf hatte, hingen ihm sehr unvorteilhaft vor den erdigen Augen.

Ich wollte so sehr verschwinden, doch ich konnte es einfach nicht. Wie sehr wünschte ich mir mein altes Leben zurück. Vielleicht würde ich ja jeden Moment in meinem Bett aus diesem Alptraum erwachen.

Die Kreatur ließ sich genügend Zeit, um zu mir zu gelangen. Es wusste ganz genau, dass meine Chancen aussichtslos waren. Einige Meter vor mir blieb es stehen, stellte seine Schraubstockarme fest auf den Boden, sodass sich in der Mitte aus dem fleischigen Arm die Tentakel-Arme hinausbohrten und auf mich zuschossen. Sie verfehlten mich um Haaresbreite.

Bestürzt griff ich an meine Wange. Es hatte mich tatsächlich erwischt. Ich spürte die Feuchtigkeit auf meiner Haut, und sah fassungslos auf meine Finger, die in Blut getränkt waren.

Ich hatte bereits mit der Welt abgeschlossen, denn als normale Sterbliche war ich diesem Ding hilflos ausgeliefert. Ich presste die Augen zusammen und hoffte auf das Schlimmste, doch es geschah nichts. Als ich sie wieder öffnete, war dieses seltsame Geschöpf verschwunden.

Vielleicht habe ich mir alles nur eingebildet?

Der Beweis lag womöglich in der Küche, aber unter keinen Umständen würde ich mich in diesen Raum wagen, dann ließ ich lieber meine Zweifel an der Sache bestehen.

Langsam drehte ich mich um, und schritt zur Tür. Es war, als müssten sich meine Beine erst einmal wieder in Bewegung setzen, so als wären sie eingerostet gewesen. Ich öffnete die Haustür und stellte entsetzt fest, dass ein unaufhaltsamer Sturm aufzog. Das Wetter schien vollkommen verrückt zu spielen. Dunkle schwarze Wolken zogen auf. Donner und Blitze hallten aus dem Himmel hinab und nach weniger als ein paar Minuten setzte ein unkontrollierbares Unwetter ein. Der Regen wollte sich gar nicht mehr beruhigen. Als ich schließlich ein seltsames Geräusch hinter mir vernahm, stürzte ich erschrocken die Veranda hinunter und rannte hinüber zu einem verlassenen Feldweg. Ich wusste nicht wieso, aber irgendwie war es richtig, diesem Weg hier zu folgen.

Es fühlte sich an, als würde ich um mein Leben laufen. Immer weiter, nur nicht stehen bleiben. Die kalten Regentropfen, die mittlerweile meine gesamte Kleidung durchnässt hatten, hinderten mich daran, mein Umfeld besser wahrnehmen zu können. Feuerrote Haarsträhnen klebten an meiner nassen Schläfe. Der Klang meiner eiligen Schritte hallte in meinen Ohren wider. Mein Hals brannte bereits und ich wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis mein Körper an den Rand seiner Grenzen kam. Ich spürte, wie sich meine einfachen Turnschuhe auf dem harten Kopfsteinpflaster abrollten und ich viel zu oft die Pfützen übersah, die sich durch den dauerhaften Regen gebildet hatten. Obwohl diese Schnitzeljagd meinem verletzten Fuß nicht sonderlich guttat, blieb mir keine andere Wahl, als vor diesem Ungetüm zu flüchten und darauf zu hoffen, dass mein Leben irgendwann einmal wieder normale Züge annehmen würde ...

Meine Blicke richteten sich nach vorne, als ich Schritte vernahm. Augenblicklich blieb ich stehen als ich jemanden auf mich zu rennen sah. Es war der unbekannte Mann, dem ich bereits nun schon zum dritten Mal begegnete. Er lief in einer unglaublich schnellenGeschwindigkeit zu mir hinüber. Die Kutte, die er trug, behinderte zunehmendseinen Lauf und so warf er sie kurzerhand zu Boden. In voller Montur jagte erin meine Richtung. Sein nackter athletischer Körper war unheimlich schön anzusehen,im Vergleich zu dem, was ich vor wenigen Minuten hatte ertragen müssen. 

Mit seinen abgetragenen Stiefeln, die ihn als Erstes in der Kneipe verraten hatten, blieb er vor mir stehen. Obwohl die Situation alles andere als harmlos war, geriet ich durch seine Anwesenheit leicht ins Schwanken. Glücklicherweise bemerkte er nichts davon. Mit seinen leuchtend stahlgrauen Augen warf er mir einen flüchtigen Blick zu, bis er wieder in die Richtung starrte, aus der er mir entgegengekommen war.

"Wir müssen hier weg, und zwar sofort."

Diese einzigartige kratzende, aber dennoch unheimlich männlich wirkende Stimme, würde ich niemals wieder aus meinem Gedächtnis verbannen.

Mein Blick richtete sich nun ebenfalls nach vorne, und ich sah, wie sich eine Handvoll der seltsamen Kreaturen in unsere Richtung schleppten.

"Noch mehr solcher Monster", redete ich laut vor mich hin.

"Was heißt hier noch mehr? Bist du ihnen schon einmal begegnet?"

Ich nickte. 

"Ja, dort drüben in dem Gemäuer. Es hat die Dame des Hauses angefallen und verspeist", kam es von mir, leicht außer Atem. "Nur mich hat es seltsamerweise am Leben gelassen."

Mit seinen rauen Fingern nahm er mein Gesicht in seine Hände und drehte es zur Seite.

"Das ist nichts schlimmes, nur ein Kratzer", versuchte ich ihn zu beruhigen.

"Wenn du wüsstest ..."


BLACK FEATHER (Wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt