Kapitel 25.1

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Ich erwachte in einer kalten, nassen Höhle. Es war dunkel und ich roch einen metallischen Geruch.

Blut!

Schlagartig war ich hellwach. Ich kannte diese Umgebung. Ich war schon mal dort gewesen. Schnell rappelte ich mich vom steinigen Boden auf und folgte den Lichtern, die mich aus weiter Entfernung hoffentlich zum Ziel brachten.

Bitte lass es noch nicht zu spät sein.

Die Lichter waren Fackeln, die mir den Weg zu einem Kerkerverließ leuchteten. Dort saß sie in ihrer eigenen Blutlache. Ihr einmal so schönes blaues, seidiges Gewand war durchnässt, vollkommen zerrissen und mit Blut besudelt. Ihre dünnen Ärmchen hingen schlaff an den Ketten fest. Ihr Kopf war nach vorne gesackt und ich konnte erkennen, dass sie irgendetwas mit ihrem Kopf angestellt hatten. Sie wiegte sich hin und her. Vermutlich war es der Schmerz, der sie quälte und nicht zur Ruhe kommen ließ. Als ich näher an sie herantrat, erkannte ich, dass man ihr ein Teil ihres Schädels entfernt hatte.

Wer hat ihr denn so etwas angetan?

Bodhir, schoss mir der Name durch den Kopf und augenblicklich erinnerte ich mich daran, dass mir womöglich nicht mehr viel Zeit blieb, bis Bodhir die Höhle betrat und ihr die Flügel, ihr Lebenselixier als wandelnder Engel, nahm. Immerhin hatte ich diese Szene bereits schon einmal durchlebt. Ich hoffte nur, dass mir etwas mehr Zeit blieb. 

"Lisa?", näherte ich mich ihr zögerlich.

"Wer... wer ist da?"

Ich kam direkt zur Sache, auch wenn Lisa auf mich wirkte, als wäre sie zur Hälfte anwesend und zur anderen Hälfte bereits an einem völlig anderen Ort. 

"Hör zu. Ich bin Sherin. Torben schickt mich, um dich zu retten."

"Torben?"

Ihre Stimme war nur ein leises Flüstern. Aus irgendeinem Grund fing sie an zu lachen.

"Mein Torben. Immer ist Verlass auf ihn."

Sie stöhnte vor Schmerz auf, als sie versuchte ihre Position zu ändern und spuckte etwas Blut aus.

"Wir haben nicht viel Zeit. Irgendwie muss ich dich herausbringen."

Ich versuchte ihre Ketten zu lösen.

"Das ist zwecklos."

Mühsam richtete sie ihren Blick zu mir auf. Erschrocken blickte ich in ihre blutunterlaufenen Augen. 

"Lass es sein. Bitte. Lass mich zurück."

Hilfesuchend zerrte ich an ihren Fesseln, dabei wusste ich ganz genau, dass es nichts brachte. 

"Nein, das werde ich nicht. Ich habe es Torben versprochen. Ich habe ihm versprochen, dich wieder zu ihm zurückzubringen, zurück in seine Arme, und zwar mit allen Mitteln."

"Du liebst ihn wirklich sehr."

Ertappt hielt ich in der Bewegung inne.

"Woher..."

"Jemand, der bereit ist so viel für jemand anderen zu opfern... ich spreche aus Erfahrung."

"Ich möchte nicht mit leeren Händen wieder zu ihm zurückkehren."

Schmerzhaft wiegte sich Lisa erneut von der einen zur anderen Seite. 

"An meinem Hals hängt eine Kette", keuchte sie auf. "Reiß sie doch bitte ab und gib sie Torben." 

"Ich werde nicht ohne dich gehen!"

"Doch das wirst du."

"Ah, wir sind also schon wach?"

Ich kannte diese Stimme. Das war die Stimme des Verräters.

"Bodhir", kam es hasserfüllt aus meiner Kehle.

"Wer hat das gesagt?"

Ich spürte, wie er leicht die Fassung verlor. Er hatte wohl nicht mit einem weiteren Besuch gerechnet. 

"Woher...", begann Lisa und ich hatte Mühe sie in ihrem Flüsterton überhaupt zu verstehen.

"Du kommst aus der Zukunft."

Ich nickte. Ich brachte den Boden mit meinem Schlangenarm in Wallung, sodass Bodhir ins Taumeln geriet und beinah die Bekanntschaft des Bodens gemacht hätte.

"Los! Komm schon, Lisa! Versuch aufzustehen!"

"Ich kann nicht", röchelte sie und spuckte erneut einen Schwall frischen Blutes auf den Boden. Geschockt betrachtete ich ihre geöffnete Schädeldecke.

"Ein Mensch!", riss mich Bodhirs Stimme aus meiner Starre und ich stellte mich wie Schutzschild vor Lisa.

"Wenn du zu ihr willst, musst du zuerst an mir vorbei."

Ein gehässiges Lachen löste sich aus seiner Kehle und sein hässlicher Pagenschnitt wackelte mit jeder seiner Bewegungen.

"Nichts leichter als das."

Er schwang seine Säge nach oben und zum ersten Mal sah ich sie. Die Säge Ileijaeil, geschaffen von der Hölle, um das Leben im Himmel auszulöschen. Sie war wunderschön, doch in den Händen dieses Verräters würde sie nur Schaden anrichten. Meine Ohren vernahmen ein leises Summen und je näher er mit der Säge kam, desto lauter wurde das Summen.

Ob es wohl genau das Summen ist, welches die anderen Engel oben im Himmel dauernd gehört haben?

"Nein, das kann nicht sein", hörte ich Lisa flüstern. "Du musst hier weg."

Bodhir schwang die Säge zu mir herunter, doch kurz vor mir, stoppte er ab. Ich realisierte erst einige Zeit später, dass Bodhir gar nicht absichtlich abgestoppt hatte. Er versuchte mit aller Gewalt die Säge zu beherrschen und zu bewegen, doch sie rührte sich nicht.

"Was zum Teufel soll das!", fluchte er.

In Sekundenschnelle und vermutlich mit ihrer allerletzten Kraft, befreite sich Lisa aus ihren Fesseln und stieß mich zur Seite.

"Los! Verschwinde! Du gehörst hier nicht hin!"

Augenblicklich setzte die Funktion der Säge wieder ein und ich hörte Lisas Schmerzensschreie, als ich mich umdrehte und in die Richtung lief, aus der ich gekommen war. Wie ein Staubsauger wurde ich von der Dunkelheit aufgesaugt und kam schließlich zu einem Ort, wo ich zwar überhaupt nicht hingehörte, allerdings hatte ich darauf gewartet, dass mich das Bild genau dorthin führte.

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In der Kürze liegt die Würze ; )

Wenn ich es schaffe, werde ich diesmal etwas schneller das nächste Kapitel hochladen, da das Jetzige etwas kürzer ausgefallen ist. Lasst mir gerne eure Gedanken da. 

Ich freue mich über neue Kommentare : ))

BLACK FEATHER (Wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt