Kapitel 24.1

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Noch genau einer war übrig. Levente. Danach würde ich alles zusammenpacken und mich dem Bild von Lisa widmen.

Ich stellte mich in Kampfposition und hoffte, dass er mich nicht allzu sehr in die Mangel nahm. Meine Wunde, die mir Delian zugefügt hatte, war wie immer auf unerklärbare Weise verheilt. Verletzbar war ich, doch scheinbar heilten meine Wunden sehr schnell.

Levente verzog keine Miene, als er sich mit seinen verschiedenfarbigen Augen vor mir positionierte. Sein Blick war nicht zu deuten. Er zückte seine Wiegemesser und warf sie mir ohne zu zögern, eines nach dem Anderen entgegen. Ich wich aus, so gut ich nur konnte und es war wirklich nicht schwer. Da begriff ich, dass Levente gegenüber mir nicht seine volle Kraft zum Einsatz brachte. Ich hatte ihn in den letzten Wochen sehr ins Herz geschlossen, immerhin war er mir ein sehr guter Trainer und Freund gewesen. Vielleicht empfand er ja genauso, und setzte seine Kraft deshalb nicht voll und ganz ein. Normalerweise waren seine Messer für das bloße Auge im Flug kaum sichtbar. Ich hatte durchaus Probleme ihnen auszuweichen und das ein- oder andere Mal erwischte mich ein Messer auch am Arm und Bein, aber ich konnte es dennoch wahrnehmen und war in der Lage dazu auszuweichen. Der Kampf war jedoch ziemlich unausgeglichen, weil er überwiegend daraus bestand, dass ich den Messern von Levente auswich und nicht wirklich auch einmal zum Zug kam. Irgendwie schaffte Levente es, dass seine Wiegemesser immer wieder den Weg zu ihm zurückfanden. Ich musste versuchen, sie ihm wegzunehmen, damit auch ich die Chance auf einen Angriff nutzen konnte.

Erneut flogen die Messer auf mich zu und ich packte einfach zu. Die Messer gruben sich tief in mein Fleisch hinein, in Arme und Hände, aber ich wusste, es würde wieder schnell verheilen auch wenn es jetzt im Moment höllisch wehtat. Levente hatte keine Schwäche. Vielleicht konnte ich ihm seine einmaligen Wiegemesser entgegenwerfen? Doch was würde es bringen?

Levente kontrollierte seine Messer. Er könnte sie problemlos wieder gegen mich richten. Ohne meinen nächsten Zug abzuwarten, hob Levente die Arme in die Höhe und trat einen Schritt aus dem Ring.

"Ich ergebe mich! Sherin hat gewonnen!", kam es selbstsicher über seine Lippen.

"Och komm schon", beklagte sich Delian.

"Das darf doch wohl nicht dein Ernst sein, Levente? Wo bleibt da der Spaß?" 

"Es sollte ein fairer Kampf werden!", schaltete sich nun auch Nevia mit ein. 

"Sherin hat bewiesen, wie weit sie im Kampf gehen würde!"

Er deutete auf meine Wunden, mitsamt den Messern, die noch immer in meiner Haut steckten. Doch mit dieser Begründung gab sich Delian noch immer nicht zufrieden. Er schimpfte weiter wüst vor sich her und entfernte sich mit Nevia zusammen vom Kampf.

Torben kam auf mich zu. Er machte ein besorgniserregendes Gesicht, als sich seine stahlgrauen Augen auf die Wunden richteten. 

"Du bist verrückt." 

"Du etwa nicht?", versuchte ich so belanglos wie möglich zu klingen. 

"Halt still. Das wird jetzt ordentlich wehtun."

Ich kniff meine Augen zusammen, nickte und spürte, wie er mir die Messer aus dem Fleisch zog. Wie von selbst löste sich ein zerberstender Schrei aus meiner Kehle, als er alle sechs Messer beinah gleichzeitig aus mir herauszog. Ich krümmte mich vor Schmerz zusammen. Ich spürte, wie sich seine Hand auf meinen Rücken legte. Durch meinen verschwommenen Blick hindurch, sah ich zu Torben hinauf. Stockend purzelte aus meinem Mund ein Satz, den ich nur teilweise herauszubringen schien: 

"Wir treffen uns bei mir im Zimmer, wenn es mir wieder besser geht."

Der Schmerz schien wohl alles andere in meinem Körper vollkommen lahm gelegt zu haben, meine Stimme mit eingeschlossen. Er nickte kurz halb abwesend, halb bei der Sache. Dann hob er mich hoch und trug mich in seinen Armen fort. Ich konnte noch nicht einmal etwas dagegen tun, weil mich meine Wunden an einer Flucht hinderten. Ich hatte keine einzige Hand frei. 

"Torben! Lass mich runter! Ich bin keine Schwerkranke!"

Zum Glück hielt meine Körperstarre nicht allzu lange an. Ich zappelte mit meinen Füßen hin und her, in der Hoffnung, er würde mich bald wieder auf den Boden lassen. Aber nein, leider lag ich falsch. 

"Stimmt, das bist du nicht, aber ich tue dir gern einen Gefallen und trage dich in dein Zimmer. Für gewöhnlich ist eine gewohnte Umgebung der beste Ort zur Heilung."

Noch immer machte er keine Anstalten anzuhalten. Seine nackte Brustmuskulatur rieb an meiner Haut und diese Berührung löste ein berauschendes Gefühl in meinem Inneren aus. Doch ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Er verdiente es im Moment nicht, so angehimmelt zu werden. Dafür saß die Verletzung zu tief.

"Dieses Zimmer ist vielleicht für dich eine gewohnte Umgebung, aber für mich ist dieser Raum nur Ballast. Vollgestopft von Erinnerungen, die nicht einmal meine eigenen sind."

Ich gab ihm etwas Zeit darüber nachzudenken, bis mir etwas einfiel. 

"Halt!", schrie ich aufgebracht. 

"Was ist denn nun schon wieder?" 

"Ich habe mein wichtigstes Unikat vergessen."

Ich hielt ihm meine mit roten Venen versehenen Arm nach oben. 

"Hältst du es für klug, dir jetzt dieses Ding umzuketten, wo deine Verletzung an der Hand noch nicht einmal ansatzweise verheilt ist?"

Seine Stirn legte sich in Falten und er sah noch faszinierender aus, wie er es sonst schon tat. Ungewollt verirrten sich meine Blicke zu seinem Strichmund.

So ein Mist!

Er war meinen Blicken gefolgt und für einen kurzen Moment war die Situation durch und durch angespannt. Unsere Blicke trafen sich, und keiner war mehr fähig irgendeine Regung zu vollziehen. Ich war froh darüber, dass das Geräusch der silbernen Schlange uns aus der Starre löste. Fest zog sie sich wieder um meinen Arm.

"Ich bin ohne diese Waffe geliefert."

"Falsch, du hast ohne diese Waffe gegen Boston gekämpft."

"Er ist auch ein Mensch. Unsere Gegner sind es nicht und gegen sie brauche ich meine Waffe."

"Du weißt schon, dass sie dich verändert."

"Willst du mir jetzt einen Vortrag halten oder bringst du mich jetzt bitte endlich auf mein Zimmer?"

Er verstummte und trug mich ohne einen weiteren Kommentar abzugeben, auf mein Zimmer, und legte mich auf's Bett.

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Ein etwas kürzeres Kapitel, ich weiß, aber hätte ich die beiden Kapitel zusammengefasst, wäre es viel zu lang geworden .

Das nächste Kapitel lade ich vermutlich etwas schneller hoch ; )

BLACK FEATHER (Wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt