Kapitel 9.1

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Einen weiteren Vorteil brachte die Trainingseinheit allerdings mit sich. Ich hatte nun endlich die Möglichkeit meine Familie zu verteidigen, in der Hoffnung darauf, dass sie noch lebte. Ich musste beim nächsten Besuch auf die Erde unbedingt zu ihnen. Viel zu lang lebte ich nun im Ungewissen und wusste noch nicht einmal, ob es ihnen gut ging oder ob sie nun Grace zum Opfer gefallen waren.

Obwohl ich meine Zeit lieber darin investiert hätte, eine Lösung dafür zu finden, um Torben von seinem Leid zu befreien, folgte ich Sole wortlos zur Trainingshalle. Ich wusste nicht was ich für ihn in einer solch ausnahmslosen Situation hätte tun können. Ich hoffte inständig darauf, dass ihm diese Verletzungen nicht zum Verhängnis wurden. Als ich still hinter Sole hinterherlief, verirrten sich meine Blicke seitlich zu den Statuen. Anders als erwartet sahen die Figuren eher unheimlich und angsteinflößend aus. Krieger, die wohl auf einem Schlachtfeld alles gegeben hatten.

Ob sie wohl alle Engel waren?

Niemals hätte ich mir ausgemalt, dass Engel solch eine Art zu leben hatten. Man stellte sie sich für gewöhnlich lächelnd und mit einer Harfe schwebend in den Wolken vor. Das hier jedoch, war das komplette Gegenteil. Wo waren die sinnlichen Momente, die man sich als Erdenmensch immer und immer wieder vorgestellt hatte? Nein, hier ging es ums Kämpfen, und genau das war es, was mir nun bevorstand.

Sole machte vor einer unheimlich robusten Stahltür Halt, die mich irgendwie an eine Safetür erinnerte. Die enorme Drehtürregelung, die eines Steuerruders gleichkam, wurde von Sole betätigt und der schwere Stahlkörper schwang wie aus Zauberhand zur Seite.

Der Trainingsraum sah aus wie ein riesiger grüner Park, eingepackt in eine praktische Raumeinteilung. Sträucher umrandeten die benebelten Wände. Bäume verteilten sich wild auf dem Gelände und inmitten erblickte ich Delian und Artis, die sich in einem brutalen Gefecht gegenüberstanden. Levente beschäftige sich derzeit mit einigen Holzscheiben, die seitlich aufgebaut waren. In einer kaum wahrnehmbaren Sekunde feuerte er seine spitzen Wiegemesser gegen die Holzkonstruktion, die die Wucht des Anschlages kaum aushielten. Nevia schlenderte mit Pfeil und Bogen gerade zu Levente hinüber.

Wie eine Klette folgte ich Sole im Schlepptau und betrat den grünen Rasen des Hallenparks, in der man förmlich mit dem Schuh zu versinken drohte.

Alle vier blickten zu uns hinüber, doch keiner von ihnen verlor auch nur ein einziges Wort. Noch nicht einmal Delian in seinem verschwitzten durchtrainierten freien Oberkörper. Torbens Niederlage schien alle ziemlich getroffen zu haben. Dennoch kam Nevia etwas näher an mich heran und fuhr mit der Handfläche über die Kleidung, die einmal Lisa gehört hatte.

"Das hier kenne ich doch."

Nevia zögerte einen kurzen Moment, bis sie schließlich den Namen laut aussprach, den alle aus ihren Köpfen verbannen wollten.

"Du trägst die Kampfkleidung von Lisa, und genau so, wie sie es immer getragen hat", warf sie mir schon beinah beleidigend gegen den Kopf.

Sole hob entschuldigend die Arme nach oben.

"Sieh mich nicht so an. Ich habe ihr nicht vorgeschrieben, wie sie welche Teile tragen soll. Das war allein ihre Entscheidung."

Nevia umkreiste mich feindselig und ließ mich keine Sekunde aus den Augen, während die anderen Drei versuchten, ihr Training fortzusetzen.

Ich drehte mich mit ihr und wünschte mir herbei,sie irgendwie beruhigen zu können.

"Ich weiß, du bist mit Sicherheit sehr angespannt, seitdem es Torben so schlecht geht."

"Du hast keine Ahnung, wie es mir geht", feuerte sie mir entgegen.

"Nein, aber glaub mir wenn ich dir sage, dass mir Torben auch nicht egal ist."

Dass sie mir nicht jeden Augenblick die Augen auspickte, war alles.

"Natürlich ist er dir nicht egal. Meinst du, mir ist nicht aufgefallen wie du ihn anhimmelst."

Die Hitze breitete sich so schnell in meinem Körper aus, dass ich die Röte in meinen Wangen wohl kaum noch verhindern konnte.

"Mädels, bitte beherrscht euch doch. Jetzt ist mit Sicherheit kein guter Zeitpunkt um zu streiten. Klärt das doch bitte wann anders."

Delians genervter Unterton hallte durch meine Ohren und Sole nutzte die Gelegenheit, um das Thema zu wechseln:

"Ich soll Sherin das Kämpfen beibringen."

Die Männer hörten so rapide mit ihrem Training auf, dass ich mich selbst fragte, was denn so schlimm daran war, wenn mir Sole das Kämpfen beibringen würde.

Artis kratziger Auflacher ließ mich ein wenig aufschrecken.

"Wie soll sie denn in einem so kurzen Zeitraum das Kämpfen beherrschen?"

Sole zuckte mit den Schultern, wobei sich gleichzeitig ihre Lederjacke mit anhob und knarzende Geräusche hinterließ.

"Frag nicht. Ich finde es genauso schwachsinnig."

Etwas Schweres wurde neben mir auf die benebelt grüne Rasenfläche geknallt und erneut zuckte ich erschrocken zusammen. Leventes verschiedenfarbige eiskalte Augen betrachteten mich durch seine perlenbestückte Strähne hinweg emotionslos, bevor er den schweren Deckel der alten Holztruhe öffnete und sich vor mir in seiner gesamten Größe präsentierte. Ich fühlte mich in seiner Gegenwart immer noch sehr unwohl, vor allem wenn er mich so eindringlich ansah, musste ich jedes Mal auf seine volltätowierte Gesichtshälfte starren, die meine Angst zu ihm nicht gerade minderte.

"Such dir eine Waffe aus", kam seine knappe Äußerung, als ich fasziniert in die uralte Schatzkiste sah, die sonderbare Schätze enthielt. Es waren keine Goldstücke, doch für mich schien es dennoch eine Kostbarkeit zu sein. Diese Waffen waren vermutlich hunderte von Jahren alt und mir wurde die Chance geboten, mit einem dieser Reliquien zu kämpfen.

Eine Ansammlung verschiedener Arten von Äxten, Schwertern und Speeren. Beeindruckt wühlte ich mich durch die Truhe, bis mir schließlich etwas Funkelndes ins Auge stach. Neugierig holte ich die Waffen aus der Kiste und entdeckte dieses einzigartige Stück, welches mich weiterhin an glitzerte und den gesamten Holzboden bedeckte. Fasziniert starrte ich auf dieses einmalige Exemplar. Eine silberne Schlange lag eingerollt auf dem Boden. Gerade als ich gebannt meine Finger in ihre Richtung bewegen wollte, packte mich Jemand unsanft am Arm und zog mich von der Kiste weg.

"Das würde ich lieber lassen."

Leventes Hand hielt mich noch immer fest umklammert. Er schaute mir grimmig entgegen und wartete auf irgendeine Reaktion von mir.

"Was ist das", wollte ich unbedingt wissen.

"Diese Waffe hat bisher nur ein Engel beherrschen können und Dieser ist bereits seit rund zwanzig Jahren nicht mehr am Leben", gab mir Levente eine kurze Erklärung.

"Sunshine, ich glaube nicht, dass du mit dieser Waffe glücklich werden würdest. Du willst doch nicht, dass sie dein hübsches Gesicht zerstört?"

Delian schien wieder der alte arrogante Kotzbrocken zu sein, der jede Gelegenheit ausnutzte, um wieder einmal blöde Kommentare in den Raum zu werfen.

"Sunshine? Was soll denn die Masche nun schon wieder?"

Nevias beiläufige Bemerkung hörte sich alles andere als liebenswert an.

"Die Schlange ist sehr listig", übernahm Levente wieder das Wort.

"Sie hat sich damals diesen Engel ausgesucht und keinen anderen. Wenn man sie anfasst, wird man es bitter bereuen."

"Eine kleine Showeinlage gefälligst."

Delians Hand griff in die Kiste hinein.

"Delian! Nein!", war alles was von Sole kam, während sie ihn versuchte von der Truhe zu reißen. Doch es war bereits zu spät.

Die Schlange erwachte zum Leben.

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Was macht diese sonderbare Schlange wohl so einzigartig?

Sorry, es gibt nun erstmal kein Kapitel aus Torbens Sicht.

BLACK FEATHER (Wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt