Zwiespalt

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Sein nervöser Fußmarsch vor Sherins Zimmer nahm mit jedem Schritt zu. Er fühlte sich hin- und hergerissen. Einerseits wollte er nichts lieber, als ins Zimmer zu stürzen und sie in seine Arme zu schließen. Sie beschützen, für sie da sein. Er wollte, dass jeder wusste, dass sie ihm gehörte und sonst keinem anderen. Er wollte sie immer und immer wieder nehmen, sie kennzeichnen, damit keiner mehr auf die Idee kam, sie anzurühren.

Die andere Seite von ihm, vermisste Lisa und wollte sie wieder zurückhaben. Doch die Erinnerung an Lisa schien zu verblassen und mit einem Mal war Sherin wieder in seinem Kopf. Wütend schlug er mit der Faust gegen die unsichtbare Barriere, welches einer Wand nahekam. Er hasste sich für das, worum er Sherin gebeten hatte. Könnte er es doch nur wieder rückgängig machen. Er fuhr sich mit seinen Händen so durch sein Gesicht, dass er womöglich rote Striemen hinterlassen hatte. Wieder und wieder hämmerte er gegen die Wand, weil er sich einfach nicht zu helfen wusste.

Er wusste nicht, wie er dort wieder heil hinauskommen konnte, ohne dabei irgendjemanden zu verletzen. 

"Torben!", hörte er Sherins Stimme und augenblicklich unterließ er sein Gehämmer auf die Wand, hielt den Atem an und betrat vorsichtig ihr Zimmer. Er nahm erst wieder einen großen Atemzug, als er ihr Antlitz sah und sicher davon ausgehen konnte, dass es ihr gut ging. Sie blickte ihn noch nicht einmal an, sondern starrte stumm zu Boden.

"Ich bin soweit. Die Wunden sind größtenteils verheilt. Lass uns loslegen, bevor noch jemand etwas bemerkt."

Mühselig entstieg sie dem gemütlichen Bett und die Erinnerungen überkamen ihn, an sein letztes heißes Sexabenteuer mit dieser Frau. Nicht Lisa, sondern Sherin. Er wollte sie wieder in diesem Bett sehen. Nackt und voller Schweiß bedeckt, von dem anstrengenden und erotischen Sex, den sie beide hatten. Ein Geräusch riss ihn aus seinen Tagträumen. Sherin war gestolpert und dem Boden nahe. Er reagierte schnell und konnte sie gerade noch rechtzeitig auffangen. Ihre nackte Haut berührte Seine und es durchzuckte seinen gesamten Körper. Ihr dürftiges Oberteil konnte ihre fraulichen Reize nicht verbergen. Nicht im Geringsten. Jetzt sah sie endlich zu ihm auf. Ihre Wangen waren gerötet, als sie ihn mit ihren großen grünen Augen aufnahm. Er liebte ihre Zurückhaltung und ihre roten Wangen passten perfekt zu ihren Haaren. Das machte sie noch hübscher, als sie ohnehin schon war.

"Danke", kam es wie ein Hauch über ihre vollen Lippen.

"Hältst du es wirklich für eine gute Idee jetzt aufzustehen."

Er rang um Beherrschung, doch sein tiefes Knurren, verriet seine Absichten. Die Luft war zum Ersticken knapp. Dennoch blieb Sherin standhaft. Sie stand auf und wand sich aus seinem Griff, als sie ihn zum Rücken gewandt, ansprach:

"Ich ziehe das jetzt durch. Genau das wolltest du doch."

Ihre schwarze Hose, die viel zu eng an ihrer Haut klebte, linderte nicht gerade seinen Gemütszustand.

"Ich bin mir nicht mehr so sicher."

Ruckartig drehte sie sich um und für einen kurzen Moment konnte er einen Schimmer Hoffnung in ihrem Gesicht erkennen, bevor sie wieder ihre undurchdringbare Mauer aufgebaut hatte. Gerade so, als ob sie nun seine Verhaltensmuster angenommen hatte.

"Ich möchte nicht diejenige sein, die dich vor deinem größten Wunsch zurückgehalten hat. Du würdest dich immer fragen, was wäre wenn...und dafür möchte ich nicht verantwortlich sein."

Er wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Er konnte noch nicht einmal sagen, ob sie Recht hatte, mitdem was sie sagte. Er wusste im Augenblick gar nichts mehr.

Trotzig wand sie sich ab und stolzierte zum einzigen Portrait von Lisa. Hatte er etwas falsch gemacht? Erwartete sie von ihm eine Reaktion? Aber sie wollte es doch auch durchziehen, das hatte sie eben gesagt. Er konnte sich noch sehr anstrengen, aber er verstand einfach nicht die Verhaltensweisen der Frauen. Wortlos trat er hinter sie, wie ein Beschützer, allzeit bereit. Er sah nach vorne und wurde augenblicklich von Lisas Portrait in den Bann gezogen. Ihre Schönheit war überwältigend. Sie trug das schlichte, hellblau seidige Gewand, welches er damals für sie ausgesucht hatte. Ihre blond braunen Haare lagen locker auf ihren zierlichen Schultern und ihre erdigen Augen...

Moment. Hatte sie etwa eben gerade geblinzelt?

Sherin blickte über ihre Schulter in sein Gesicht.

"Hast du es auch gesehen?"

Er nickte fassungslos, die Augen immer noch starr auf das Portrait gerichtet.

"Sie bewegt sich", fiel ihm auf.

"Ja, das war beim letzten Mal ähnlich."

Ohne dass er es wollte, schubste er Sherin beiseite und versuchte einen Blickkontakt mit seiner Liebsten herzustellen. 

"Sie sieht dich nicht. Sie kommuniziert mit mir über einen grellen Ton, ich vermute, dass es so etwas wie Schallwellen sind. Irgendetwas will sie mir sagen."

"Dann finde es heraus", gab er barsch zurück. Er wollte nicht so hart zu ihr sein, das war nicht seine Absicht. Allerdings wollte er unbedingt das Geheimnis dieses Bildes lüften und hierbei konnte nur Sherin ihm dabei helfen. Sein oberstes Ziel bestand nun darin, Lisa zu helfen und sie vielleicht sogar zurückzuholen.

Er hörte, wie Sherin tief ein und ausatmete. Sie schwang ihre rote Mähne elegant nach hinten, bevor sie sich ihm gegenüberstellte. Gefühlvoll nahm sie sein Gesicht in ihre Hände und hauchte ihm einen Kuss auf seine Lippen. Er war so unvorbereitet gewesen, dass er sie einfach nur anstarren konnte. Wieder brachte ihn diese Frau an seine Grenzen und wieder wusste er nicht, was zu tun war. Er war hin- und hergerissen. Er wollte Lisa zurückhaben, gleichzeitig wollte er aber auch Sherin.

Noch immer hielt sie sein Gesicht in ihren Händen. Wie zwei füreinander Bestimmte, verschlangen sich seine Blicke in Ihren. 

"Ich liebe dich, Torben, und mache das hier für dich, bitte vergiss das nie."

Er liebte sie auch, das wusste er bereits schon länger, nur sagen konnte er es ihr noch nicht. Seine Gefühlswelt stand im Augenblick Kopf und er wusste noch nicht einmal, ob es gut war, was er hier gerade tat. Doch jetzt gab es kein Zurück mehr. Trotzdem brachten ihn Sherins Worte zum Nachdenken. Sie klangen gerade so, als würde sie sich von ihm verabschieden. Noch ehe er sich aber weiter darüber den Kopf zerbrechen konnte, hatte sie sich unter Tränen von ihm abgewandt und berührte nun das Bild, welches Lisa zeigte.

Lisa hatte Sherin fixiert, so sehr, dass es ihm etwas Angst einjagte. Das war nicht seine Lisa. Irgendetwas lief hier schief. Er packte ihre Hand, um ihr etwas Sicherheit zu geben. Doch je länger ihre Hand das Bild festhielt, umso durchsichtiger wurde ihr Körper. Augenblicklich bekam er es mit der Panik zu tun. Er wollte sie nicht verlieren. 

"Sherin! Sherin!", rief er hysterisch und versuchte die noch vorhandene Hülle von Sherin vom Bild wegzuziehen.

Zwecklos. Sie hatte sich in Luft aufgelöst. Was hatte er nur getan?

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Hättet ihr gedacht, dass Torben so weit gehen würde? Was haltet ihr von seiner Entscheidung? Könnt ihr es nachvollziehen oder findet ihr sein Vorgehen etwa total bescheuert? Lasst mir gerne eure Gedanken in den Kommentaren da ; )

BLACK FEATHER (Wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt