Kapitel 23.1

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Ich betrat den Ring, indem bereits Boston sehnlichst auf mich wartete. Zu meiner Verwunderung hatte er keine einzige Waffe bei sich. Er tänzelte gekonnt um mich herum und hob seine Fäuste in die Höhe. Sein kahlrasierter Schädel, seine Marinehose und sein weißes Muskelshirt, ließen ihn beinah gefährlich aussehen, aber nur beinah. Er war ein Mensch, genauso wie ich, also müsste ich ihm gegenüber eher eine Chance haben, wie bei den anderen Kriegern. 

"Na komm schon. Zeig mal, was du draufhast!", schrie er mir angriffslustig entgegen. 

Also ich weiß nicht, was Sole an diesem Kerl findet. Ja sicher, er ist gut gebaut, aber seine Großmaulart, sprechen nun nicht wirklich für seine inneren Werte. Solange Sole mit ihm zurechtkommt, soll es mir recht sein.

Ich stellte mich in Position auf, doch er ließ es gar nicht erst zu, sondern zog mir mit seinem Bein die Füße unter meinen Beinen weg. Als wäre das noch nicht genug, ließ er mich noch nicht einmal aufstehen. Er versuchte mich mit seinen Füßen regelrecht zu zerquetschen. Das war zu viel. Ich sprang auf und wehrte mich mit meinen Fäusten. 

"Aha. Auch schon wach!"

Er war stark und ich bezweifelte, ob ich dem tatsächlich gewachsen war, doch ich gab nicht auf. Er attackierte mich mit Fäusten und Kicks und spätestens jetzt wusste ich, dass er sich auf irgendeine Kampfsportart spezialisiert hatte. Das gab mir umso mehr den Anreiz ihn zu besiegen. Ich beobachtete seine Kampftaktik, lernte sein Muster und versuchte einen Schwachpunkt zu erkennen. Dann fand ich schließlich das Loch, welches ich gesucht hatte. Er machte nach seinen Kicks und Fausthieben eine minimale Pause, indem er kurz Luft holte, und diese Zeit machte ich mir zunutze. In jenem Moment, trat ich ihm in die Bauchgegend, legte meine gesamte Kraft in den Schlag und beförderte ihn somit aus dem Kampfring. Boston saß vollkommen überrumpelt auf dem Boden. Man konnte ihm ansehen, dass er mit einem solchen Schlag nicht gerechnet hatte. 

"Aller Achtung. Das verlangt nach Revanche."

"Die nehme ich später gerne an, wenn ich die Prüfung hinter mir habe."

Ich konnte mir ein siegessicheres Lächeln nicht verkneifen und stolzierte zu meinem nächsten Kämpfer; wohl eher Kämpferin.

Sole.

Soles Stärke waren ihre Waffen, die sie wohl unmöglich in unserem Duell einsetzen würde. Aber, falsch gedacht. Sie war mit ihrer vollständigen Waffenausrüstung ausgestattet und ballerte wie eine Irre auf mich los, sobald ich den Ring betreten hatte. Da mir mein Menschenleben zu schade war, verließ ich freiwillig, mit einem schnellen Sprint, wieder den Ring. 

"Das war leichter, als erwartet", grinste Sole und beförderte ihre Knarren wieder ins Halfter.

"Du vergisst wohl, dass ich ein Mensch bin!", rief ich ihr wütend zu.

"Und du vergisst wohl, dass Sterben deine Schwäche ist! Wenn du wirklich so viel Schiss vor deinem Leben hast, wieso bist du dann überhaupt noch hier?"

Ich musste wohl oder übel zugeben, dass sie recht hatte. Aus Angst davor getötet zu werden, hatte ich den Ring wieder verlassen. Aber wie bitteschön bekämpfte ich meine Angst gegen den Tod? Vor allem, wenn ich an meine nächsten beiden Gegner Nevia und Delian dachte. Nevia hatte ihren Pfeil und Bogen parat. Ihre Peitsche war an ihrem viel zu knappen Kleid befestigt. Delian schwang gekonnt seinen Speer hin und her. Obwohl der Speer bleischwer in seiner Hand lag, schwang er ihn mit Leichtigkeit. Diese Macht, die die Beiden gegenüber mir präsentierten, machte mich für einen kurzen Augenblick vollkommen sprachlos. Ich hatte noch nicht einmal großartig viel Zeit über meine Taktik nachzudenken, denn sie attackierten mich ohne Rücksicht auf Verluste. Als würde es hier um einen Kampf um Leben und Tod gehen. Nevia zielte und schoss einen Pfeil nach dem Anderen auf mich, und Delian attackierte mich mit seinem Speer. Ich versuchte ihnen immer wieder auszuweichen, was mir allerdings nur teilweise gelang. Delian erwischte mich an der rechten Wade mit dem Speer und ein brennendes, beißendes Gefühl durchzuckte meinen Körper. Er hatte mir einen gute Stichwunde verpasst, was mich leicht ins Wanken brachte und mich ungewollt auch langsamer machte. Der Schweiß rann mir aus jeder Pore und es wurde mit jedem Mal schwieriger ihrem Manöver auszuweichen. Beinah hätte mich Delian wieder mit seinem Speer erwischt. Meine langsamen Bewegungen machte sich Nevia zunutze. Sie hatte ihre Peitsche so schnell um meine Beine gewickelt, dass ich keine Chance dazu hatte, zu reagieren. Zumindest nicht als Mensch. Wie sehr wünschte ich mir jetzt meine Schlange zurück. Obwohl ich sie bereits seit einiger Zeit nicht mehr am Handgelenk trug, blieben die wunden Stellen an meinem Arm, als würde sich die Schlange immer noch an meinem Arm befinden. Plötzlich durchzuckte mich ein Geistesblitz.

Was wäre, wenn ich noch immer mit der Schlange verbunden bin?

 Ich rief mir wieder das Bild meines Vaters in den Sinn, als er vor meiner Zelle stand.

Fehlte ihm deshalb ein Arm? Weil er sich nur so die Schlange vom Leib halten konnte? War die Schlange im Endeffekt doch zu gefährlich?

Mir blieb im Moment keine Alternative, also folgte ich meinen Instinkten und richtete mich mit meinem linken Arm auf, um ihn auf den Boden zu stemmen. Nichts geschah, doch ich spürte, dass ich etwas ausgelöst hatte. Delian lachte auf und schwang elegant seine blonde Mähne zurück, als er mich mit seinen goldfarbenen Augen ins Visier nahm. 

"Was soll das werden, Sherin. Du hast deine Schlange nicht mehr bei dir, noch nicht gemerkt?" 

"Aber bald...", gab ich ihm nur als Antwort.

Nevia löste ihre Peitsche von meinem Bein, als mitgeteilt wurde, dass ich auch diese Runde wieder verloren hatte. Doch ich hörte gar nicht genau hin, weil ich viel zu sehr mit dem Geräusch beschäftigt war, dass ich meilenweit zu hören schien. Ich wusste und spürte, dass sich etwas in Bewegung gesetzt hatte, um zu mir zu gelangen. Noch einmal schlug ich meine linke Hand auf den Boden und nach wenigen Sekunden schoss etwas Undefinierbares vom Boden nach oben in den Himmel und kam gezielt auf mich zu. Nevia und Delian stellten sich schützend vor mir auf, doch ich hielt nur meinen linken Arm in die Höhe, damit die silberne Schlange ihren alten Platz an meinem Arm wieder einnehmen konnte. Ob es nun gut oder schlecht war, das zeigte allein die Zeit.


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Ich wünsche euch viel Spaß  beim neuen Kapitel.

BLACK FEATHER (Wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt