Rache / Kapitel 26.2

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Schon lange war er nicht mehr in einer solch ausgesprochen guten Verfassung gewesen. Er fühlte sich gerade so, als wäre er mit neuer Lebensenergie gesegnet worden. Als wäre er zu allem bereit. Und genau das machte seinen Kampf fast schon langweilig. Er war beinah wieder der Alte. Derjenige, der mit einem breiten Grinsen in den Kampf trat, weil seine Gegner sowieso keine Chance gegen ihn hatten.

Er spielte mit dem Lisa Kopponen, aus dessen rostigen Metallteilen eine ekelhaft schmierige Substanz herauslief, die es immer schwerfälliger zu machen schien. Selbst die Hautfetzen des Tattoos, welches in dem schleimigen Gesicht des Kopponen hing und früher einmal Lisas Pobacke zierte, machte ihm nicht mehr so viel aus. Er betrachtete dieses Geschöpf als Ganzes und wusste nun, dass es nur die Hautfetzen seiner Liebsten waren. Was ihn anfangs irritiert hatte, waren die erdigen Augen dieses Geschöpfes gewesen, die identisch waren mit denen von Lisas. Er konnte sich nur eine Lösung dafür ausmalen. Lisa wurde qualvoll getötet, das sah man eindeutig durch diesen Kopponen vor ihm, aber Sherin lebte noch. Und das war es, was ihn antrieb. Er dachte, er hätte sie durch seine Unachtsamkeit verloren, aber sie lebte und er musste alles dafür tun, damit sie lebend wieder hinauskam.

Der Koppone versuchte die altbekannte Taktik mit den Tentakelarmen und nutzte seine geistige Abwesenheit aus. Diesmal jedoch war Torben äußerst aufmerksam und sprang im hohen Bogen nach oben. Die Tentakelarme jagten ihm hinterher und er hüpfte leichtfüßig von einem Felsen zum Nächsten auf die andere Seite, in die Mitte und wieder zurück. Ein Grinsen zeigte sich in seinem Gesicht, als er bemerkte, dass sein Vorhaben Wirkung erzielte. Die Tentakelarme verknoteten sich und der Koppone sackte auf die Knie. Ein Scheppern ertönte. Siegessicher sah er zu Sherin hinauf, doch sie hatte ihren Blick in eine andere Richtung gerichtet. Irgendetwas schien sie zu beschäftigen. Mit einem Mal wurden ihm die Füße unter dem Boden weggerissen. Obwohl die Tentakelarme verknotet waren, schien es dem Wesen in keiner Weise im Kampf zu beeinträchtigen. Also musste Torben dafür sorgen, dass er die Metallarme bewegungsunfähig machte. Er rollte auf dem Boden einige Male hin und her, damit die Spitze der Tentakel ihn nicht durchbohrte, sprang dann in der rechtzeitigen Situation auf den Boden und wich dem Tentakelarm mit einem Rückwärtssalto aus. Während seines Sprungs schlug er mehrmals mit seinen Schwertern auf die Arme des Etwas ein. Seine Attacke zeigte Wirkung. Die schwarzen Spritzer, die aus den Metallarmen flossen, machten sie von Mal zu Mal schwerfälliger, bis sich die Tentakel schließlich gar nicht mehr bewegten. Auf diesen Moment hatte Torben gewartet. Mühelos lief er die Felswand hinauf, seitlich an dem Ungetüm von Kopponen vorbei und sprang mit einem wilden Kampfschrei mit einem Schwert in der Hand, auf seinen Rücken. Er rammte es ihm tief ins verweste Fleisch hinein, zwischen Nacken und Schulter. Siegessicher entrang ihm ein Lachen. Doch er hatte sich zu früh gefreut. Wie ein nasser Sack, ließ sich der Koppone nach hinten fallen und schien ihn beinah völlig zu zerquetschen. Er bekam kaum noch Luft. Ein Glück, dass Levente den Kopponen für einen kurzen Augenblick ablenkte.

"Spiel nicht so viel herum, Torben. Wir haben weitaus größere Sorgen, als dieses Ding hier!"

Leventes Blick richtete sich nach hinten und er blickte über seine Schulter in die Richtung, wo Nevia mit Delian gestanden hatte. Dort tummelte sich nun eine Horde voller Kopponen, die seine Freunde wortwörtlich in Stücke zerrissen. Artis hatte es wohl auch nicht geschafft. Der Schock saß tief und er war für einen kurzen Moment wie gelähmt. Mit so etwas hatte er nicht gerechnet. Schnell hatte er seinen Blick wieder auf den Kopponen gerichtet, den Levenete nun nicht so einfach mehr ablenken konnte. Voller Zorn kletterte Torben an seinem Rücken hoch, hielt sich wie eine lästige Klette an dem Monstrum fest und riss dem Kopponen unter einem gewaltigen Dauerschrei den Kiefer auseinander. Seine Schwerter stachen immer und immer wieder auf ihn ein, bis er sicher davon ausgehen konnte, dass er dieses Etwas ein für allemal erledigt hatte.

Ein heller Lichtblitz erstrahlte und Torben sah, wie Bodhir in einem Haufen voller Kopponen die Säge schwang. Da, wo einstmals Nevia, Delian, Artis und Levente gekämpft hatten.

Levente landete neben ihm, vollkommen am Ende seiner Kräfte.

"Jetzt sind wir wohl nur noch zu viert."

Torben sah hinüber zu Sole, die mit Mühe und Not versuchte, Liam in Schach zu halten. Dann wandte er seinen Blick wieder zu Levente.

"Unterstütz die Beiden. Ich kümmere mich um Bodhir."

"Hältst du das für klug?"

"Ich will endlich meine Rache!"

Levente klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.

"Ich hoffe, du bekommst sie."


Ein gewaltiger Schrei löste sich aus meiner Kehle, als ich mit ansehen musste, wie drei meiner Freunde zunichte gemacht wurden. Tränen füllten meine Augen und rannen achtlos meine Wangen hinab. Nevia, Delian und Artis. Ich konnte es noch immer nicht glauben. Ich wollte es nicht glauben. Es war einfach zu grauenhaft, um wahr zu sein. Liams gehässiges Grinsen in meine Richtung, sagte mir, dass er genau das von mir sehen wollte. Ich durfte nicht zu emotional reagieren, sonst hätte er genau das, was er von mir haben wollte. Durch meine unkontrollierbaren Emotionen würde ich die Kraft ein letztes Mal in mir auslösen. Genau das musste ich versuchen zu unterdrücken, auch wenn es noch so schwer werden würde. Ein klein wenig Hoffnung breitete sich in meinem Inneren aus, als mir bewusst wurde, dass Engel nur sterben können, wenn ihnen die Flügel genommen werden. Doch auch dieser Hoffnungsschimmer wurde mir zunichte gemacht, als Bodhir seine Säge in dem Kopponen Getümmel schwang. Dann drehte sich Bodhir in Torbens Richtung und mir wurde augenblicklich schlecht und ich vergaß meine Verbrennungen.

"Nein, bitte nicht", flehte ich zum lieben Gott. Natürlich nahm Torben Bodhirs Einladung an. Solch eine Gelegenheit ließ er sich nicht entgehen, das wusste ich, trotzdem hatte ich darauf gehofft, dass er sich für die Flucht entscheiden würde, um all dem den Rücken zu kehren. Aber Torben war kein Mann, der Bodhir einfach so vergeben konnte. Er nutzte die Gelegenheit, die sich ihm bot, auch wenn sie noch so aussichtslos erscheinen mochte. Torben war zwar ein sehr guter Kämpfer, aber er hatte keine totbringende Säge in der Hand, wie Bodhir. Diese riesige Handsäge jagte mir einen gewaltigen Schrecken ein. Die scharfkantigen Sägezähne schimmerten silbern, so als ob die Säge ein lebendiges Individuum wäre, dass nur darauf wartete sein nächstes Opfer zu reißen.

Torben war schnell in seinen Bewegungen, das verlieh ihm einen Pluspunkt. Für mich sah es schwer danach aus, als ob Bodhier die Säge Ileijaeil nicht vollkommen im Griff hatte, so als versuche er sie mit Gewalt zu beherrschen. Torben nutzte diese Gelegenheiten vollends aus, fiel mir auf. Ich hoffte, dass Torben die Macht der Säge nicht unterschätzte. Es sah für mich gerade mal so aus, als würde Torben mit seinen Schwertern vor ihm herumtänzeln.

Er spielt mit ihm.

Bei jeder Gelegenheit, die sich Torben bot, fügte er Bodhir eine neue Stichwunde zu.

"Komm schon Torben. Vermassel es bitte nicht", redete ich mit mir selbst.

Torben wagte sich immer näher an ihn heran. Meine Nerven lagen blank. Sein nächster Hieb mit den Schwertern galt Bodhirs Kniekehlen. Bodhir sackte zu Boden, ich meinte sogar leichte Tränen aus seinen Augen hervorblitzen zu sehen.

Tja, ganz so hart wie er tut, ist er wohl doch nicht

Torben ging noch ein Stück näher und sein belustigtes Lachen erfüllte die ganze Höhle und ließ selbst Sole, Boston, Levente und Liam zu ihm hinüberblicken. Doch Liams Blick war anders. Er nickte Bodhir zu, und Bodhir nickte ebenfalls. Er hatte sich so schnell aufgerappelt, dass Torben keine Chance hatte zu fliehen. Mit großen Augen und pochendem Herzen, sah ich dem Kampf entgegen, der sich nun in eine völlig andere Richtung entwickelte. Bodhirs Lächeln war kalt und unberechenbar und so langsam realisierte ich, dass er keine Probleme mit dem Umgang der Säge hatte.

"Torben! Pass auf!", schrie ich.

Doch meine Aufforderung sorgte bei ihm nur für Ablenkung und Bodhir hatte ihn schnell am Kragen gepackt, hob ihn hoch und schmetterte ihn gegen die Höhlenwand. Schwerfällig rappelte sich Torben auf, doch Bodhir stand bereits vor ihm, packte ihn am Hals und hob ihn nach oben.

"Grüß deine Liebste von mir", waren Bodhirs Worte, bevor er leichthändig die Säge schwang und mit einem Schlag Torbens Flügel abtrennte. Mein Schrei erfüllte die gesamte Höhle.

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BLACK FEATHER (Wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt