Kapitel 5.1

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Ich fühlte mich, als ob ich mit der Musik verschmelzen würde, daher realisierte ich erst später die Anwesenheit der Kopponen. Ihr unmögliches Gekreische holte mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich beobachtete die Menschenmenge, die gebannt nach oben zum Himmel blickte. Zuerst amüsierten sich die Leute lachend, da sie tatsächlich davon ausgingen, es handele sich hierbei um eine spezielle Showeinlage. Als die Kopponen allerdings hart auf dem Erdboden aufschlugen und rücksichtslos einige Personen zur Seite schubsten und teilweise niedertrampelten, brach die blanke Panik aus und riss mich schließlich aus meiner Trance heraus.

Suchend blickte ich um mich. Doch ich konnte Torben nirgendwo entdecken. Starr vor Schreck sah ich mit an, wie sich mir sechs der Kreaturen näherten.

Es bringt nichts, wenn ich mich jetzt umdrehe und weglaufe.

Sie fingen an, mich einzukreisen, sodass sich meine Fluchtmöglichkeiten drastisch verringerten. Angewidert blickte ich in die entstellten Fratzen, die sich aus einzelnen Hautfetzen zusammensetzten. Kurz vor mir stoppten sie ab und stemmten ihre Schraubstockarme in den Boden hinein. Erneut konnte ich mit ansehen, wie sich aus der Mitte der fleischigen Haut langsam ihre widerlichen Tentakelarme freisetzten, darauf bedacht, ihr Ziel ins Visier zu nehmen.

Ich wagte noch einmal einen Blick über die Schulter, suchte Torben, damit er mir zur Hilfe kam. Als meine Augen ihn fanden, war die Hoffnung, die ich hatte, dahin. Ein Koppone lag auf ihm und richtete ihn übel zu. Eine Blutlache war noch ein milder Ausdruck für die ungeheuerliche Menge an roter Flüssigkeit, die sich aus seinem Körper ergoss.

Mein einziger Lichtblick wurde zunichtegemacht. Mein Kopf schnellte nach vorne, als ich merkte, dass mir diese ekelhaften Arme viel zu nahe kamen. Ich versuchte so gut es mir möglich war, diesen Fangarmen auszuweichen. Immer wieder erhaschte ich einen Blick zu Torben.

Ich muss ihm helfen!

Er wirkte so unheimlich traurig, als wäre ihm gar nicht wirklich bewusst, dass der Koppone ihn schwer verletzt hatte.

Was macht er da?

Er hielt es fest, und versuchte es irgendwie vom Vorhaben abzubringen. Ich rollte mich auf dem Boden hin und her, als ich mit ansah, wie er mit seinen Lippen eine Unterredung mit diesem Etwas anfing.

Meine Konzentration ließ für einen kurzen Moment nach, und gerade genau in diesem Augenblick spürte ich, wie sich die kalte metallische Schlinge des Tentakelarmes um meinen Knöchel legte und mich unsanft über den steinigen Boden zog.

Ich schrie auf. Ich wollte das alles nicht. Wollte nicht, dass es so mit mir endete. Niemals hätte ich für möglich gehalten, dass ich irgendwann einmal in solch einem undenkbarem Schlamassel landen und hier mein Leben lassen würde. Anstelle von Angst breitete sich heiße Wut in meinem Inneren aus. Sie nahm eine so dermaßen geballte Form an, dass ich geplatzt wäre, hätte ich sie nicht in jenem Moment frei gelassen.

Ein Strahl entfachte sich aus meinem Körper. Ein Regenbogenstrahl, aus meinem Inneren erschaffen, suchte sich den Weg nach oben zum Horizont. Vier prägnante Farben, rot, gelb, grün und blau, die in einer rasanten Geschwindigkeit hinauf in den Himmel schossen. Mein rubinrotes Haar bewegte sich dabei wie eine Flamme im Wind.

Die Strahlen sorgten für meinen Schutz, da sie Jeden, der mit ihnen in Berührung kam, in Einzelteile zersetzten. Genau das geschah mit den Kopponen. Angriffslustig wie sie waren, versuchten sie mich zu schnappen. Da Torben bereits erwähnt hatte, dass sie ihre Gehirnzellen nicht großartig in Anspruch nahmen, war mir durchaus bewusst, sie würden nicht lange zögern, um mich einzufangen. Ein Schritt in die strahlenden Farben genügte, und von den monströsen Gestalten konnte man nur noch einzelne Staubpartikel erkennen. Es reichte noch nicht einmal aus, dass sich eines dieser gigantischen Wesen verabschiedet hatte. Nein, die anderen fünf folgten ihm im Schlepptau, und so war ich diese Viecher schneller los, als ich dachte.

Kaum fühlte ich mich in Sicherheit, kehrten die Farben zurück in den Mittelpunkt meines Körpers, und ich sackte erschöpft zu Boden. Ausgelaugt beförderte ich stoßweise den notwendigen Sauerstoff in meine Lunge. Langsam raffte ich mich auf. Das, was einmal meine kunterbunten Klamotten darstellen sollen, war nun völlig in Fetzen zerrissen. Glücklicherweise bedeckten die Stofffetzen noch die notwendigen Zonen, die ich unter keinen Umständen der Öffentlichkeit präsentieren wollte.

Sofort richtete sich mein Blick nach oben zu Torben. Eiskalte Augen brannten sich in meine Netzhaut. Dieser Koppone schien anders als die anderen zu sein. Ich konnte seinen Hass auf mich so stark spüren, dass ich am liebsten meine flammenartigen Helfer neu entfacht hätte. Doch ich war zu schwach und wusste nicht, wie ich sie auf Kommando erwecken konnte.

Schlagartig ließ der Koppone von Torben ab, der wiederum beinah bewusstlos zu Boden ging. Ein Kreischen aus völliger Raserei erklang in der menschenleeren Bucht, wo vor wenigen Minuten noch eine angesagte Party stattgefunden hatte. Es wollte sich auf mich stürzen, doch Torben kam ihm zuvor. Überrascht blickte ich zu Torben hinauf und wunderte mich darüber, woher er seine Energie nahm, denn so blutverschmiert wie er dort oben auf dem Gestein stand, mussten seine Reserven schon längst aufgebraucht sein. Mit einem Kampfschrei stürzte er sich auf das Wesen und verbrauchte somit seine gesamte vorhandene Kraft auf. Er umfasste die rechte Wade des Kopponen und schleuderte ihn in die Luft über seinem Kopf. Ich sah gebannt zu, wie er dieses Etwas wie eine Art Lasso herumwirbelte und die Geschwindigkeit mit jeder Umrundung zunahm. Schließlich ließ er es mit einem lauten Schrei los, flog zu mir hinunter, schnappte mich wie eine Art Greifvogel, der nach seiner Beute jagt, und landete mit mir dort, wo er vor wenigen Minuten mit diesem Vieh gerungen hatte. Er hustete stark, und aus seinen Wunden lief das Blut wie Zuckerguss aus einer Tube.

"So elend habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt", war alles, was er auf meinen bestürzten Blick hin erwiderte.

Er knickte ein, und ging zu Boden. Ich half ihm auf, und gab ihm meine Schulter als Stütze, doch er nahm meine Hilfe nicht an.

Er ist zu stolz dafür.

Aus heiterem Himmel schossen von oben Blitze auf uns hinab. Reflexartig wollte ich Deckung suchen, doch Torben hielt mich davon ab. Stattdessen schrie er aus Leibeskräften nach oben.

"Das wurde auch mal Zeit!"

Schließlich wandte er sich an mich. Obwohl er unter enormen Schmerzen litt, lächelte er mich an. Ich konnte nicht verstehen, wie man in einer solchen hoffnungslosen Lage noch dazu imstande war, seinen Humor mit einzubringen.

"Bist du schon mal auf einem Blitz gereist?"

Ich verneinte seine Frage mit einem Kopfschütteln.

"Na dann komm. Wir wollen sie schließlich dort oben nicht warten lassen", richtete er seinen Blick wieder nach oben zum Himmel, als er fröhlich auflachte und zum hell erleuchteten Blitz humpelte.

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Sorry, eigentlich hatte ich euch heute versprochen, die anderen Krieger bzw. Engel zu präsentieren. Es verzögert sich dann doch leider bis nächste Woche : (

Aber die Figuren und die Namen stehen bereits, ihr könnt also gespannt sein ; )


BLACK FEATHER (Wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt