Kapitel 18.1

243 22 0
                                    

Der Weg zum Himmel hinauf, kam mir unglaublich kurz vor, beinahe wie ein Wimpernschlag. Auch Torben hatte wohl seine Emotionen wieder fest im Griff. Ich nahm keine wirklichen Gefühlsausbrüche mehr wahr.

Der Weg zu Moesha hingegen war ein regelrechtes Gefühlschaos gewesen. So ewig kam mir die Fahrt dorthin vor, ich konnte sein Verlangen überall auf der Haut spüren, als würde er mich mit heißen Küssen überhäufen. Es fiel mir schwer, es über mich ergehen zu lassen und dabei nichts zu tun, aber es war definitiv besser so. Torben war gegenüber mir, sowieso nicht ehrlich, was seine Gefühle betraf, geschweige denn zu sich selbst. Also hätte eine Konfrontation eh nichts gebracht. Doch war ich schon etwas enttäusch darüber, jetzt so überhaupt gar keine Emotionen von ihm zu spüren. Er war gut darin, seine Gefühle zu unterdrücken, viel besser als ich. Doch diesmal würde ich nicht klein beigeben. Was er konnte, konnte ich schon lange.

Diese Nebelschwaden, die jeden Raum voneinander teilten, ich glaubte, ich würde mich nie richtig daran gewöhnen. Als wir gerade das Besprechungszimmer der Krieger betraten, erschien Levente im Flur. 

"Wir haben etwas in Bodhirs Gemächern gefunden. Ich glaube das solltet ihr sehen."

Levente klang ziemlich ernst und beunruhigt. Sole schritt kommentarlos an Levente vorbei, geradewegs auf dem Weg zu Bodhirs Zimmer. Überraschend stellte sich Levente Torben und mir in den Weg. Sein eindringlicher und bösartiger Blick, hieß nichts Gutes. Wie eine Barriere postierte er sich vor uns.

"Ich denke du solltest lieber nicht mitgehen."

Seine eisigen Augen starrten Torben lange an, bis irgendetwas in Torben „Klick" machte und er seinen Gang fortsetzen wollte. Doch Levente hielt ihn noch ein letztes Mal an seiner Schulter fest und schüttelte den Kopf. Levente meinte es tatsächlich gut mit ihm. Aber Torben wollte nichts davon wissen. Er schlug Levente die Hand von der Schulter und gab ihm ein ruppiges "Lass mich" zu hören. Ich hatte erwartet, dass Sole noch irgendeine Bemerkung von sich lassen würde, doch sie reagierte gar nicht auf Leventes Äußerung. 

"Was habt ihr gefunden?"

Sie folgte Levente, während sie auf seine Antwort wartete. Ich versuchte mit Torben Schritt zu halten, was mir nur teilweise gelang. Sein Seitenblick zu mir reichte aus, um zu wissen, dass er ziemlich genervt zu sein schien. Doch trotzdem konnte ich ihm durch meine Tollpatschigkeit, ein Lächeln aufs Gesicht zaubern. Ich musste fast mit joggen, aber zumindest gingen mir die Anderen nicht verloren. Für Torben schien das Ganze nicht von Bedeutung zu sein, aber für mich schon. Auch wenn es so aussah, als würde er seine kleine Schwester hinter sich herziehen, so war ich froh darüber, dass er überhaupt etwas für mich übrighatte, auch wenn seine Gefühle nicht so stark waren, wie meine für ihn.

Levente machte vor einer weißen Tür Halt, die mich an ein Märchen erinnerte. Sie war mit verschnörkelten Initialen und bunten Fabeltieren versehen. 

"Und hier geht's in Bodhirs Zimmer?", fragte ich ungläubig. Levente schaute in meine Richtung und anschließend zur Tür. 

"Meinst du etwa, es war Zufall, dass er der Außenseiter unserer Gruppe war?"

Seine eisigen Augen blitzten mir entgegen, so, als hätte ich eine falsche Äußerung gemacht. Scheinbar war er immer noch sauer, wegen meiner treffenden Voraussage seiner Tochter. Er klopfte dreimal gegen die Tür und man hörte, wie sich im Inneren etwas bewegte. Die Tür öffnete sich und Artis kam zum Vorschein, dessen Bart und Wampe wieder einmal besudelt waren, durch den Inhalt des kleinen Flachmanns, der niemals zu fehlen hatte. 

"Wie seid ihr hier hereingekommen? Bodhir hat doch einen speziellen Schließmechanismus", stellte Sole die Beiden unter Verhör. 

"Die Tür war auf, als wir hierherkamen", nuschelte sich Artis den Satz in den Bart hinein, sodass ich Mühe hatte, ihn überhaupt zu verstehen. 

"Also wollte er, dass wir das sehen", äußerte Sole ihre Vermutung.

Torben ließ meinen Arm los und trat ins Zimmer. 

"Was hat der Drecksack hier versteckt?", brachte Torben es genau auf den Punkt.

Erstaunt blickte ich mich in Bodhirs Zimmer um. Es war gerade so, als würde ich mich in einem Kinderzimmer befinden. Kindertapete, altes, aber wirklich uraltes Kinderspielzeug. Vermutlich aus Bodhirs Kindheit. 

"Der Kerl hat wirklich einen an der Klatsche",  sprach Artis das aus, was ich gerade dachte, als er in jenem Moment ein kleines Kinderschaukelpferdchen anstieß.

Welche schlimme Kindheit Bodhir wohl hatte, dachte ich mir und wollte es aber auch nicht weiter vertiefen.

Alles stand akkurat auf seinem Platz. Levente führte uns ins Schlafzimmer und auch hier war alles blitzeblank aufgeräumt. Er öffnete den weißen eingelassenen Märchenkleiderschrank und präsentierte uns Bodhirs Klamottengeschmack. 

"Im ersten Moment sieht alles noch normal aus..."

Er schob die Kleidung zur Seite und ganz hinten am Holz, erkannte ich eine kaum wahrnehmbare Tür.

"...doch blickt man hinter die Fassade, dann sieht man auch das Unscheinbare genauer." 

"War das Absicht?"

Genauso wie ich, legte Sole großes Erstaunen zutage. 

"Ja. Ich glaube er wollte, dass wir die Überreste finden."

"Überreste?", knurrte Torben aus seiner Kehle hervor.

Und ohne Rücksicht auf die Anderen, quetschte er sich durch die schmale Tür im Schrank hindurch. Ich versuchte ihm hinterherzueilen, aber direkt hinter ihm folgten Levente und Sole.

Ich fand mich in einer beleuchteten Höhle wieder. An der Wand hatte er die für ihn wichtigen Unikate, in zwei Vitrinen aufbewahrt. Zwei Paar Flügel glänzten in ihrer Pracht hinter der Glasscheibe entgegen und ein Zettel haftete auf einer der Vitrinen: "Das Überbleibsel eurer Geliebten ist sicher verwahrt".


**********************************************************


BLACK FEATHER (Wird überarbeitet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt