Kapitel 45

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Jetzt war er schon so lange weg.

Okay, Adrian saß gerade mal eine Stunde im Flieger. 57 Minuten, um genau zu sein. Aber es kam mir schon wie eine Ewigkeit vor. Wie sollte ich da die nächsten zwei Monate überstehen, wenn ich ihn jetzt schon so vermisste?

Mir ging auch sein 'Männerabend', zu dem er mich mitgeschleppt hatte, nicht aus dem Kopf. Nachdem Dan und ich beim Billard gewonnen hatten, stießen wir darauf an und spielten danach noch ein paar Runden gegen Adrian, bei denen er auch ein paarmal gewann.

Na gut, fast immer. Es war also nicht so, als hätten wir ihn komplett blamiert, aber trotzdem war er den Rest des Abends komisch. Nicht mehr so locker und unbeschwert wie sonst, obwohl er sich schon Mühe gegeben hatte.

Wahrscheinlich war er doch noch angefressen gewesen, weil wir ihn gleich beim ersten Versuch fertig gemacht hatten.

Danach hat er mich heim gebracht.

Und, nein, ich war nicht mit Dan nach Hause gegangen. Bei dem Gedanken an den vorlauten Kommentar von einem der Kerle aus der Bar, musste ich schmunzeln.

„Miss Carpenter, was meinen Sie dazu?" Jäh wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Schon wieder nicht aufgepasst.

Verdammt! Schule, Deutsch. Und mein Lehrer hatte gerade eine Frage gestellt, die ich natürlich mal wieder nicht mitbekommen hatte.

„Er ist ein durchgehend statischer Protagonist, weil er im Buch ausnahmslos ähnliche Wesenszüge aufweist", raunte Ceil mir geistesgegenwärtig zu.

Ach so, Lenz von Georg Büchner. Kapiert!

Ich gab Ceils Antwort genau so wieder und fügte hinzu: „Jedoch lassen ihn die Momente, in denen er einen klaren Sinn hat, ein wenig dynamischer erscheinen."

„Sehr treffend geschildert! Danke, Robyn. Dann werden wir nun den Übungsaufsatz beginnen. Die Aufgabenstellung finden Sie auf dem Blatt mit den Definitionen einer Novelle von Heyse, Goethe und Storm. Sie können jetzt damit beginnen."

Ich flüsterte Ceil ein 'Dankeschön' zu. Dann begann ich das Blatt zu suchen. Während ich in meinen Unterlagen kramte, fiel mein Blick auf die Uhr.

Jetzt war er schon 65 Minuten im Flugzeug.

- - - - - - - - - - - - - - - -

Verliebtheit ist eine Krankheit. Eine Geisteskrankheit. Eine Geistesgestörtheit eigentlich. Und ich litt darunter.

Im Laufe des Tages wurde mir bewusst, dass es mich noch nie so schlimm erwischt hatte wie jetzt. Ich ging völlig benommen mit dem Kopf unterm Arm durch die Schule und kapierte eigentlich gar nichts. Ich konnte mich nicht konzentrieren, ich vergaß alles, meine Gedanken schweiften die ganze Zeit ab, ich lief mit einem Dauergrinsen durch die Gegend, konnte kaum einen klaren Gedanken fassen und konstant dachte ich darüber nach, was Adrian in genau diesem Moment machte, sagte, dachte, was er wohl von dem halten würde, was ich gerade gesehen, getan, erlebt hatte, ob er überhaupt einen Gedanken an mich verschwendete... Ich hatte so ein großes Glücksgefühl im Bauch, ich war sicher, ich könnte fliegen, würde ich es versuchen.

Aber dann dachte ich daran, dass ich ihn zwei Monate nicht sehen würde und ein Schmerz breitete sich von meinem Herzen aus, formierte sich zu einer stechenden Masse, die mir bis in die Fingerspitzen lief. Ich sehnte mich so sehr nach ihm, dass mein ganzer Körper einfach weh tat. Und dabei kannten wir uns eigentlich kaum. Beziehungsweise wir kannten uns überhaupt noch nicht lange. Aber das war meinem Herzen herzlichst egal. Biest.

Ich verspürte eine innere Unruhe, ich hatte Hummeln im Arsch. Wie sollte ich mich die nächsten zwei Monate über irgendetwas freuen und wie sollte ich überhaupt auf irgendwas fokussieren können, wenn ich so rastlos war?

„Erde an Robyn!" Ceil riss mich mit ihren vor meinen Augen herumfuchtelnden Händen aus meinen Gedanken und Sehnsüchten.

„Was?" Ich war gerade völlig verwirrt. Ceil musterte mich einfach nur kritisch.

„Du bist den ganzen Tag dermaßen abwesend, also, erzähl was los ist!"

Statt zu antworten, guckte ich nur ein wenig betreten drein. Rein von der logischen Seite waren meine Gefühle und mein Verhalten völlig irrational. Das war mir durchaus bewusst. Aber wer dachte bitte schon logisch, wenn man so dermaßen verliebt war, wie noch nie zuvor in seinem Leben?

„Das ist nicht dein Ernst."

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Beste Freundinnen können einfach so knallhart ehrlich sein und dich auf den Boden der Tatsachen zurückholen - aber dafür lieben wir sie ♥

Hier ein großes Danke an meine besten Freundinnen - für alles! :***

<3<3<3
Tyekerfie & HeyGuys77


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