Kapitel 98

71.5K 3.5K 248
                                    

Bei meinem Anblick blieb er abrupt stehen und hätte glaube ich fast die Weinflasche fallen gelassen, die er in der Hand hielt. Und so wie diese aussah, war das nicht nur ein fünfzig Euro Gesöff...

"Hi", sagte ich steif und wollte ihn anlächeln. Doch dann fiel mir auf, wo Adrian gerade her kam.

Aus dem Keller.

Aus dem Weinkeller.

Aus dem Weinkeller direkt neben der Dunkelkammer.

Neben der Dunkelkammer, in der sich der Brief befand.

Der Brief, den ich gelesen hatte, was Adrian aber nie erfahren durfte.

Und jetzt dachte er wahrscheinlich, hoffentlich, womöglich, dass ich den Brief wirklich nicht gelesen hatte.

Aber was fühlte er jetzt? War er erleichtert? Enttäuscht? Verwirrt?

Meine Wangen glühten, als ich versuchte, ihn zu lesen, aber irgendwie gelang es mir nicht wirklich. Er schien verblüfft, mich zu sehen, aber das war klar.

"Hey...", kam es dann zögernd von ihm und der Klang seiner Stimme ließ mein Herz dahin schmelzen.

"Willkommen zu Hause!", versuchte ich gespielt fröhlich, aber selbst Ceils Katze würde hören können, wie falsch und gezwungen das klang.

"Heute rennst du nicht einfach weg?", fragte er dann langsam und zog eine Augenbraue in die Höhe.

Okay, peinlich... Und irgendwie wirkte Adrian ein wenig genervt.

"Okaaay, ich pack mal schnell die Sachen aus", murmelte Sandy und verschwand in die Küche. Ihre "Überraschung" für Adrian war nicht gelungen.

Überhaupt nicht.

Und jetzt stand ich einfach da und schaute Adrian an und wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich war schließlich in Rom einfach weggerannt. Wieso sollte er nicht denken, dass ich das noch einmal tun würde?

Innerlich grinste ich bei dem Gedanken, wie ich meine Beine packte und in das Haus nebenan sprintete, als wäre ein Mörder hinter mir her. Erwartete er das etwa?

Ich konnte gerade noch ein blödes Kichern verhindern, aber Adrian hatte anscheinend meine zuckenden Mundwinkel bemerkt.

"Was ist so lustig?", fragte er gerade heraus und schien selber nicht gerade belustigt. Ich setzte eine total ernste Miene auf und räusperte mich.

"Nichts. Gar nicht."

Stumm sahen wir uns in die Augen. Konnte er in meinen Augen lesen? Nach was suchte er? Die Stille wurde langsam unangenehm und ich zermarterte mir das Hirn, was ich sagen könnte. Aber da war nichts. Nur gähnende Leere. Und da Adrian auch keine Anstalten machte, etwas zu sagen, dachte ich, es wäre besser, ich würde mich zurückziehen und im nächsten Loch verschwinden.

"Tut mir Leid, echt. Ich... Ich werde dann mal gehen", stammelte ich und drehte mich um. Bloß weg hier!

"Weglaufen. Das ist also deine Antwort auf alles, Robyn?" Er sprach so leise, dass ich ihn kaum verstand. Wütend drehte ich mich wieder zu ihm um.

"Ich laufe weg? ICH? Ich war die, die von Anfang an bleiben wollte!" Genervt starrte ich ihm in die Augen, aber Adrian verzog keine Miene. "Und dann in Rom... Ich war einfach komplett überfordert. Ich weiß, dass ich nicht einfach hätte wegrennen sollen, aber ich konnte in dem Moment nicht klar denken. Ich hab dich mit dieser Frau gesehen und..." Ich brach ab, weil ich sonst wahrscheinlich zum Heulen angefangen hätte. Plötzlich war der Boden unter meinen Füßen extrem interessant. Überall hinsehen, nur nicht zu Adrian.

Heartsजहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें