Kapitel 12

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Am nächsten Tag in der Schule war ich völlig neben der Spur. Ich war so aufgewühlt gewesen, dass ich die ganze Nacht kein Auge zugemacht hatte. Ich hatte mir die Sache noch einmal gründlich durch den Kopf gehen lassen und war mir natürlich darüber im Klaren, dass ich nicht wirklich ein Recht dazu hatte, so wütend auf Adrian zu sein. Er konnte schließlich nicht wissen, dass ich gefühlsmäßig involviert war. Hoffte ich zumindest. Trotzdem war sein kleiner „Scherz" einen Tick zu geschmacklos gewesen.

„Was ist denn los, Prinzessin?", fragte mich Fabio in der Mittagspause, dem es nicht entgangen war, dass ich gedanklich nicht ganz bei der Sache war.

„Ich weiß nicht, was du meinst", entgegnete ich gänzlich unbeeindruckt von seinem Arm, den er um meine Schultern gelegt hatte, um ein Gefühl der Vertrautheit zu erwecken.

„Ich glaube du sehnst dich einfach nach noch einer Nachhilfestunde mit mir. Dem nicht zu übertreffenden Fabio, der Traum aller weiblichen Wes..."

„Mach mal halblang!", unterbrach ich ihn. Sein „entzückendes" Lächeln ließ mich völlig kalt. „Einmal die Woche reicht völlig aus."

„Nicht, wenn man an deine Chemie-Kenntnisse denkt", konterte er.

„Hey, hey, nicht so frech!", warf Ceil ein. Fabio lachte nur und schaute mich an.

„Nein, im Ernst, bella, du musst dich rein hängen. Bis zum Abi ist es nicht mehr lange."

„Stimmt, gar nicht lange. Sind ja nur acht Monate..." Ich schaute ihn trocken an, musste aber schmunzeln, als er begann, über meinen Sarkasmus zu lachen. Ich wollte es mir kaum eingestehen, aber sein offenes Lächeln hatte meinen Ärger auf Adrian in den Hintergrund gedrängt. Ein wenig versöhnlicher meinte ich: „Ich hab' wirklich nur einmal die Woche Zeit. Bloß weil ich in Chemie viel Stoff zum Lernen habe, kann ich die anderen Fächer nicht komplett vernachlässigen."

„Na gut, aber versprich mir, dass du dich auf jede Chemiestunde ordentlich vorbereitest und eine Stunde mit mir pro Woche ist Pflicht!" Er grinste mich schelmisch an. Schließlich gab ich nach und versprach es.

Plötzlich schaltete sich Ceil wieder ein: „Was haltet ihr eigentlich von den Vorschlägen für unsere Abschlussfahrt? Ich werde heute schon traurig, wenn ich daran denke." Und tatsächlich machte sich ein betroffener Ausdruck auf ihrem Gesicht breit. Tröstend legte ich meinen Arm um sie.

„Hey, nur weil die Schule bald vorbei ist, heißt das noch lange nicht, dass wir uns nie mehr sehen."

„Da bin ich aber beruhigt!", warf Fabio ein. Ceil und ich schauten ihn mit einem genervten Blick an.

„Wie sollen wir das nur eine ganze Woche mit ihm auf der Klassenfahrt aushalten?", fragte Ceil mich zwinkernd.

„Naja", überlegte ich, „London oder Rom sind große Städte. Da kann man leicht 'ne Leiche loswerden..." Mit gespielter Gekränktheit sah Fabio uns an. Lachend standen wir auf und machten uns auf den Weg zu dem Klassenzimmer, in dem wir mit Mathe gequält werden würden. Fabio holte uns schnell ein.

„Wisst ihr eigentlich, wie gemein ihr zu mir seid?"

„Wieso?", fragte ich.

„Ihr hättet auch auf mich warten können??" Er schaute uns abwartend an.

„Achso, stimmt ja, wir haben mit dir Mathe!" Ich tat, als hätte ich es tatsächlich vergessen. Meine Taktik funktionierte - Fabio schaute mich schockiert an. Leider begann ich so zu lachen, dass meine Schwindelei aufflog. Er begann auch zu lachen und stieß mich sanft an der Schulter. Ich stieß ihn viel härter zurück, sodass er mit voller Wucht gegen die Schließfächer knallte.

„Hey! Frauengewalt ist kein bisschen besser als die von Männern!", stichelte er.

„Nein, aber wesentlich lustiger!", konterte ich und kichernd gingen wir ins Klassenzimmer.

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Nachdem ich die Mathestunde und eine weitere Musikstunde hinter mir hatte, verabschiedete ich mich rasch von Ceil und Fabio, denn ich musste mich beeilen, um meinen Bus zu erwischen. Ich hatte Ceil von dem Vorfall mit Adrian berichtet und als ich sie jetzt umarmte, flüsterte sie mir „Lass dich nicht unterkriegen!" zu. Dankbar drückte ich sie noch einmal und lief dann zu der Bushaltestelle, an welcher der Bus bereits wartete. Ich stieg ein, stempelte und setzte mich in die hinterste Ecke. Gedankenverloren blickte ich aus dem Fenster, als der Bus losfuhr. Ich sah Bäume und Häuser an mir vorüberziehen und registrierte, dass der Bus an der einen oder anderen Haltestelle hielt, um vereinzelte Fahrgäste hinauszulassen. Als meine Haltestelle in Sicht kam, drückte ich auf den „Stop"-Knopf und stieg aus, als sich die Türen vor mir wie in Zeitlupe öffneten. Langsam machte ich mich auf den Heimweg und kramte nebenbei in meiner Tasche auf der Suche nach meinem Schlüssel. Ich hielt ihn bereits in den Händen, als ich um die Ecke in unsere Straße bog und zielstrebig auf unser Haus zusteuerte. Ich hatte schon die Haustür erreicht, als ich hörte, wie jemand meinen Namen rief.


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