Kapitel 2

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Meine Absätze klapperten über den Gehweg. Ich war spät dran, obwohl ich so viel Zeit gehabt hatte. Ich schüttelte meinen Kopf über meine Ungeschicktheit. Mein Blick wurde auf eine Gruppe aufgestylter Typen gelenkt, die mir hinterher pfiffen und zweideutige Bemerkungen fallen ließen. Wieder schüttelte ich den Kopf. 'Unmöglich!', dachte ich mir. 'Man muss sich nur die Haare bleichen lassen, dann...'

Früher hätten mich solche Pfiffe noch geschmeichelt. Früher, das hieß vor fünf Stunden. Aber da kannte ich Adrian noch nicht.

Nachdem ich die Tür zugemacht hatte, hatte ich mich in mein Zimmer begeben und angefangen nach einem passenden Outfit zu suchen. Ich musste ja auch bedenken, dass ich Adrian noch einmal in der Auffahrt hätte begegnen können. Nachdem ich mich bestimmt fünfmal umgezogen hatte, hatte ich endlich etwas gefunden, was mir gefiel. Ich hatte mich passend dazu geschminkt, aber natürlich nicht zu heftig, denn ich wollte ja keinen falschen Eindruck erwecken...

Schließlich hatte ich mein fertiges Werk im Spiegel betrachtet. Plötzlich hatte ich mich aber nicht mehr in meiner Kleidung wohlgefühlt. Schnell hatte ich das T-Shirt ausgezogen und erneut meinen Kleiderschrank durchwühlt, bis ich mich letztendlich für ein schwarzes, glitzerndes, trägerloses Top entschieden hatte, das am oberen Rand mit Nieten gesäumt war. Dazu hatte auch mein schwarzer Lederminirock gepasst. Ich hatte mich abermals in meinem Spiegel begutachtet. Schnell hatte ich mich abgeschminkt und eine neue Kombination aufgelegt. Sehr zufrieden mit meinem Outfit, hatten mich dann aber doch wieder Zweifel überkommen, ob der Rock denn nicht zu kurz war. Schnell hatte ich den Gedanken wieder verworfen, meine Beine hatte Adrian schließlich schon gesehen. Meine schwarzen offenen Schuhe mit den Keilabsätzen stellten sich daraufhin als größeres Problem dar: Ich konnte nur den einen finden. Ich hatte hektisch meinen Schuhschrank durchsucht und während ich den einen Schuh gleich vorne fand, verschwendete ich ganze vier Minuten meines Lebens damit, den zweiten zu finden, der in der rechten hinteren Ecke schließlich auftauchte. Vielleicht sollte ich hier wieder einmal für Ordnung sorgen...

Dementsprechend hektisch und zu spät dran, hatte ich mich endlich auf den Weg gemacht.

Ich erblickte das lila Neonlicht der Bar, in der ich mit Celia verabredet war. Ich trat durch die Tür und spürte einen Schwall Wärme. Der Bass der Musik ließ meinen Körper vibrieren. Suchend ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen, aber Celia war nirgends zu sehen. Pünktlichkeit war schon immer auch ihre Schwäche gewesen. Ich hängte meine Lederjacke an die Garderobe und ging zum Tresen, um Cocktails für Celia und mich zu holen. Seit wir die Volljährigkeit erlangt hatten, tranken wir fast immer dasselbe: einen Swimmingpool-Cocktail. Selbstverständlich mit Alkohol. Der Barkeeper reichte mir die zwei mit Schirmchen dekorierten Gläser und ich steuerte damit einen freien kleinen Tisch an. Kaum hatte ich mich gesetzt, stolperte Celia auch schon völlig abgehetzt durch die Tür. Als sie mich sah, breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Sie rannte quer durch den Raum auf mich zu und schloss mich zur Begrüßung in ihre Arme.

„Hi, Robyn!"

„Hi, Ceil!", grüßte ich ebenfalls.

„Wow, du hast schon Cocktails besorgt! Woher wusstest du bloß, dass ich einen Swimmingpool wollte?" Sie zwinkerte mir grinsend zu und setzte sich neben mich. Sie zog den Cocktail gleich zu sich und fing an zu schlürfen.

Ich konnte nicht länger warten, um ihr zu erzählen, was heute passiert war!

„Ceil, ich hab dir doch von dem neuen Nachbarn erzählt", platzte es aus mir heraus. Sie nickte abwesend, während sie einem neuen Kellner hinterher schaute. Sie stand auf süße brasilianische Sonnyboys, wie er einer war.

„Ceil!", sagte ich energisch und stupste sie an. Sie riss mühsam ihren Blick vom Kellner weg und schaute mich an. „Ceil, das hier ist wichtig!", lachte ich. Sie lächelte verträumt.

„Okay, okay, sorry. Ich würd nur zu gern wissen, wie dieser schnuckelige neue Typ heißt... Aber egal, ich hör dir zu." Sie steckte sich den Strohhalm wieder in den Mund und betrachtete mich, während ich von Adrian erzählte. Sie lachte schallend, als ich zur Handtuch-Szene kam. Als ich mit der Erzählung, die meine Glückshormone ganz schön in Fahrt gebracht hatte, fertig war, schmunzelte sie.

„Na sieh mal einer an... Sag mal, wann hast du wieder sturmfrei?" Sie zwinkerte mir vielsagend zu.

„Ceil! Was hast du nur immer für schmutzige Gedanken!", erwiderte ich empört, aber insgeheim dachte ich fieberhaft darüber nach. Andererseits: Wie sollte ich ihn bitte einladen, ohne dass es auffällig werden würde?

„War ja nur ein Scherz...", wiegelte sie ab.

Der neue Kellner ging nochmal an uns vorbei und Celia sah ihm wieder hinterher.

„Du bist ein hoffnungsloser Fall", meinte ich kichernd und fügte dann hinzu: „Wenn du dann mental wieder bei mir angekommen bist, dann erzähl ich dir den absoluten Hammer."

Dieses verlockende Angebot hatte zur Folge, dass wieder ihre ungeteilte Aufmerksamkeit und ihr fragender Blick auf mir ruhten.

„Was kann denn noch besser sein, als seinem Schwarm so knapp bekleidet mit einem Handtuch die Tür aufzumachen?" Sie prustete schon wieder los.

„Vielleicht, dass ich übermorgen bei ihm eingeladen bin?" Ich lächelte überlegen und Celia verschluckte sich an ihrem Cocktail. Als sie ihren Hustenreiz bekämpft hatte, fragte sie ungläubig: „Wie, bei ihm eingeladen? Habt ihr etwa ein Date?"

„Mann, Ceil... Es ist eine Grillparty zu seinem Einzug, um die Nachbarn kennenzulernen. Wir werden also kein romantisches Candlelight-Dinner haben. Mal ganz davon abgesehen sind meine Eltern auch eingeladen." Ceil hatte ganz große Augen bekommen.

„Aber das ist doch deine Chance!", meinte sie übereifrig. Ich entgegnete nichts. Als Optimist war ich nicht gerade bekannt. Und wie groß war bitte die Wahrscheinlichkeit, dass sich zwischen Adrian und mir was anbahnen würde?

Sehr gering.

Sehr, sehr gering.

Eigentlich gleich Null. Nein, eher im Minusbereich.

„Wie sieht er eigentlich aus?", fragte Celia plötzlich. Da musste ich nicht lange überlegen.

„Verdammt gut!", lachte ich. Ceil verdrehte die Augen. Ich wusste, dass sie an ausführlicheren Informationen interessiert war. Und am besten objektive. „Also, er hat dunkelbraune Haare, sie waren leicht gestylt. Bernsteinfarbene Augen... Er hat einen sehr intensiven Blick, seine Augen sind unglaublich lebhaft. Er hat eine dunkle Haut, aber es wirkt nicht ausländisch, sondern einfach gesund. Saubere, gerade Zähne... Und er hat einen extrem gut durchtrainierten Körper. Er stand zwar nicht nur in einem Handtuch vor mir, aber ich konnte es durch sein T-Shirt erkennen. Er wirkt einfach unverschämt anziehend!" Okay, aus der objektiven Beschreibung wurde dann doch nichts.

„Du machst mich ganz neugierig!", meinte Ceil begeistert. Sie leerte ihr Cocktailglas und ihr Interesse verflog im gleichen Moment, wie der heiße Kellner an ihr vorbeiging. Ich wusste, dass Ceil gerade einen anderen Mann im Kopf hatte als Adrian. Ich betrachtete den Wahrscheinlich-Brasilianer genauer, dachte aber in der folgenden Zeit nicht an ihn.

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