Kapitel 15

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Ein Geräusch drang an meine Ohren. Es war ein penetrantes Klingeln. Bis ich es deuten konnte, verging einige Zeit, in der ich langsam aus dem Tiefschlaf zu mir kam. Stöhnend streckte ich meine Hand Richtung Wecker aus und stellte diesen ab. Dann machte ich meine Lampe an.

Freitag, ein neuer Tag.

Juhu.

Schlaftrunken setzte ich mich auf, rieb mir die müden Augen und blinzelte in das Licht. Wie in Zeitlupe setzte auch die Erinnerung wieder ein und der Streit mit Ceil bahnte sich seinen Weg in mein Bewusstsein.

'Nicht jetzt', versuchte ich den Gedanken auf später zu verschieben. Ceil würde sich mit Sicherheit schon wieder beruhigt haben und gewiss würden wir über unser albernes Verhalten lachen können. Wir hatten noch nie Streit; also wieso dann wegen so einer Lappalie beginnen?

Ich zog mich an, schnappte mir meine Tasche und ging in die Küche, um zu frühstücken. Kurz darauf musste ich auch schon aufbrechen. Ich öffnete die Tür und atmete die frische Morgenluft ein. Als ich an Adrians Haus vorbeiging, sah ich, dass alles dicht war. Sogar die Rollos vor dem Küchenfenster.

'Gut so!', dachte ich mir. 'Du bist schließlich schuld an diesem Schlamassel...' Trotzdem machte sich ein Kribbeln in der Bauchgegend breit, das ich nicht unterdrücken konnte.

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In der Schule hielt ich Ausschau nach Ceil. Ich wollte die Sache unbedingt mit ihr klären, konnte sie aber nirgends finden. Ich blieb so lange bei den Schließfächern, bis ich es nicht mehr länger hinauszögern konnte, ohne dass ich zu spät kommen würde. Als ich ins Klassenzimmer huschte, blickte ich frustriert auf Ceils leeren Platz. Ich setzte mich hin und versuchte mein ungutes Gefühl zu verdrängen. Vielleicht kam Ceil einfach zu spät, wie immer halt.

Aber als sie nach fünfzehn Minuten noch immer nicht aufgetaucht war, begannen meine Gedanken sich im Kreis zu drehen. Schließlich kam ich zu dem Schluss, dass sie entweder krank war oder - was die wahrscheinlichere Lösung war - mir aus dem Weg gehen wollte.

„Robyn? Könntest du mir bitte meine Frage beantworten?"

Ich wurde so abrupt aus meinen Gedanken gerissen, dass ich kurzzeitig völlig orientierungslos war. In welchem Unterricht saß ich gerade? Ach ja, Biologie...

„Könnten Sie die Frage bitte wiederholen?", fragte ich und setzte meinen besten Dackelblick auf. Meine Lehrerin seufzte, tat mir aber den Gefallen. Nachdem ich die Frage korrekt beantwortet hatte, versank ich wieder in meiner Gedankenwelt.

Heute Abend war unser 'Ladies-Abend'. Ob Ceil kommen würde? Seitdem wir achtzehn geworden waren, hatte sie keinen einzigen verpasst - und wir trafen uns jeden Freitag. Einmal war sie sogar mit leicht erhöhter Temperatur aufgetaucht, nur weil sie unseren gemeinsamen Abend nicht absagen wollte.

Bei dem Gedanken musste ich lächeln.

'Aber heute ist alles anders', dachte ich mir und sofort war die alte Trübsal wieder präsent.

Ich kramte mein iPhone aus der Tasche und tippte mit geübten Fingern eine Nachricht an Ceil. Ich fand, dass „Kommst du heute noch? ;)" sehr neutral und damit durchaus akzeptabel war. Trotzdem fügte ich noch hinzu: „Hab keinen Bock drauf, dass Mr. Hoffmann und Fabio mir in Chemie abwechselnd auf den Sack gehen." Ich schickte die Nachricht grinsend ab und wartete ungeduldig auf eine Antwort. Die jedoch nicht kam. Jedenfalls nicht in der Bio-Stunde.

In Chemie bestätigte sich meine Befürchtung: Als Fabio merkte, dass Ceil nicht kommen und der Platz neben mir somit frei sein würde, schmiss er betont gelassen seine Sachen auf den Tisch neben mir und setzte sich mit so viel Schwung, dass sein Stuhl ein beträchtliches Stück zu mir hinüber rutschte.

Ich schaute ihn fragend an.

„Was machst du da?"

„Dich betreuen, bella. Das ist schließlich meine Aufgabe, oder?"

Ich verdrehte die Augen, richtete meinen Blick nach vorne und traf damit direkt den von Mr. Hoffmann, der mich mit bösen Augen fixierte.

„Ms. Carpenter, würden Sie bitte nach vorne kommen und die Hausaufgabe an der Tafel vortragen?"

Damn! Die hatte ich nicht gemacht! Wie konnte ich die nur vergessen?

„Äh... Ja, natürlich, Mr. Hoffmann. Moment..." Ich tat so, als würde ich meine Unterlagen herausholen und ärgerte mich über meine eigene Dummheit. Plötzlich hielt ich Fabios Notizen in den Händen. Ich schaute ihn überrascht an. Er gab mir sein süßestes Lächeln und völlig verwirrt stand ich auf, um zur Tafel zu gehen. Als Mr. Hoffmann mir die Kreide in die Hand drückte, fühlte ich eine unglaublich tiefe Dankbarkeit gegenüber Fabio. Jedoch kam mir der Gedanke, dass ich ihm jetzt eindeutig etwas schuldete. Ich blickte über die Schulter und sah ihn, wie er mich selbstsicher angrinste. Er hatte genau den gleichen Gedanken wie ich.

'Grandios...'

Als ich mir Fabios Hausaufgabe ansah, musste ich - leider - zugeben, dass er sie sehr ordentlich gemacht und, soweit ich auf den ersten Blick erkennen konnte, auch korrekt gemacht hatte. Aber das konnte ich nicht mit Sicherheit sagen, denn in Chemie war ich gewiss nicht DER Maßstab. Ich schrieb die Aufgaben an die Tafel und setzte mich wieder.

„Danke", meinte ich kurz angebunden und schob ihm sein Blatt unauffällig hin, damit es Mr. Hoffmann nicht bemerkte.

„Meine Hausaufgabe", flüsterte er zurück, „und deine Tafelanschrift - das ist eine tolle Kombination. Wir sind das perfekte Pärchen!"

Gegen meinen Willen musste ich grinsen.

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Tyskerfie & HeyGuys77


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