Kapitel 7

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Drei Stunden später sperrte ich unsere Haustür auf, Fabio im Schlepptau.

„Nettes Häuschen habt ihr hier." Er sah sich alles ganz genau an und ging dann unaufgefordert an mir vorbei ins Wohnzimmer, in dem meine Mutter gerade in einer Zeitschrift las. Er setzte sich wie selbstverständlich neben sie und hielt ihr seine ausgestreckte Hand hin.

„Hi, ich heiße Fabio!", erklärte er überschwänglich.

„Gaby, ich bin Robyns Mutter", meinte Mama mit einem grinsenden Seitenblick auf mich und schüttelte Fabio die Hand.

„Mum, Fabio hilft mir in Chemie", stellte ich klar. Nach dem Blick meiner Mutter wollte ich sicher gehen, dass es hier nicht zu irgendwelchen Missverständnissen kam. Das war sein Stichwort, um meiner Mutter seine Brillanz in Chemie zu erläutern, aber als er von seinem Berufswunsch zu erzählen begann, unterbrach ich ihn.

„Können wir hier am Esstisch lernen? Er bleibt auch nur eine Stunde."

„Aber sicher." Mama klappte ihre Zeitschrift zusammen und erhob sich.

„Es hat mich sehr gefreut Sie kennen zu lernen, Gaby!"

Meine Güte! Schleimte er sich bei jedem so ein? 'Nein', beantwortete ich mir meine Frage selbst, 'bei mir hat er eine Ausnahme gemacht'.

Ich räumte schnell Zeitschriften, Teller und Rechnungen vom Tisch und wir setzten uns einander gegenüber. Ich schaute ihn abwartend an. Und ein wenig skeptisch. Ich war echt gespannt, was mich erwartete.

„Robyn", fing er an.

„Ja?" Ich hob die Augenbrauen.

„Entspann dich und hör auf an meinen Fähigkeiten zu zweifeln!" Fabio wedelte mit seinen Händen. Der Sinn dahinter war wahrscheinlich, seine Worte zu unterstreichen. Ich rollte mit den Augen.

„Komm einfach zur Sache, ja?"

„Nicht so ungeduldig, Prinzesschen. Wir fangen mit den Grundkenntnissen an. Erklär mir wie das Periodensystem aufgebaut ist."

„Erste bis dritte Hauptgruppe sind Metalle, siebte Hauptgruppe sind die Halogene und achte Hauptgruppe sind die Edelgase", leierte ich gelangweilt herunter.

„Ein Glück", stieß Fabio erleichtert aus. „Wenigstens das sitzt." Ich schaute ihn böse an. Solche herablassenden Kommentare konnte er sich sonst wohin stecken.

„Bella... Es. War. Ein. Scherz." Ein leichtes Zucken war an seinem rechten Mundwinkel zu erkennen. Ich schaute demonstrativ auf die Uhr.

„Noch sechsundfünfzig Minuten, du Intelligenzbestie. Bring mir was bei oder du bist im Nu gefeuert." Ich lächelte ihn schief an.

„Du machst mich wahnsinnig, Robyn. Ist dir das eigentlich klar?"

„Das sagt der Richtige!", meinte ich mit dem Anflug eines Lächelns. Jetzt grinste er schelmisch von einem Ohr bis zum anderen.

„Nanana, wer wird denn so frech zu seinem Lehrer sein? Zur Strafe darfst du jetzt gleich eine Redoxreaktion aufstellen, natürlich inklusive den Teilgleichungen."

Ich stöhnte genervt, nahm aber Stift und Papier und wartete darauf, was er sagen würde.

„Bereit? Du erinnerst dich doch sicherlich noch an das Fehling-Reagenz. Dieses reagiert mit einem Aldehyd, sagen wir Glucose. Dann fang mal an."

Okay, also da gab es zwei klitzekleine Problemchen: Zum einen war ich mir nicht mehr sicher, ob das Fehling-Reagenz mit Kupferionen oder Silberionen war und zum anderen hatte ich letztes Jahr schon nicht kapiert, wie ein Aldehyd aussah, geschweige denn wie die Halbstrukturformel von Glucose aussah! Aber immerhin wusste ich, dass die Ionen, welche auch immer es waren, in die Teilgleichung der Oxidation kamen und dass die Reaktion in basischem Milieu stattfand, also musste ich mit Hydroxidionen ausgleichen.

„Na, wie weit bist du schon?", fragte mich Fabio, „Also, gedanklich meine ich, denn auf deinem Blatt steht ja noch nicht viel."

Um genau zu sein stand dort gar nichts.

„War Fehling das mit den Kupfer- oder den Silberionen?", wagte ich mich vorsichtig zu fragen.

„Kupferionen", antwortete er schlicht und verschränkte die Arme vor der Brust.

Gut, dann konnte ich jetzt schon die Oxidationsgleichung aufstellen. Ich schrieb schnell und Fabio beugte sich interessiert zu mir über den Tisch. Als ich fertig war, sah ich hoch und blickte in sein lächelndes Gesicht.

„Sehr gut!", lobte er mich. „Jetzt fehlt nur noch die Reduktion. Aber die dürfte ja jetzt nicht weiter schwer sein."

Ja, wenn man die Formel für Glucose noch hinbekommen würde, wäre das nicht schwer. Wenn das Wörtchen wenn nicht wär...

Nachdem ich geschlagene drei Minuten auf das Blatt vor mir gestarrt hatte, gab ich auf.

„Fabio, ich hab absolut keine Ahnung wie Glucose aussieht." Von Mal zu Mal fiel es mir leichter, ihn etwas zu fragen. Es war erschreckend!

„Glucose ist der Trivialname für Pentahydroxyhexanal."

Toll, jetzt war ich genauso schlau wie vorher. Das sah man mir anscheinend im Gesicht an, denn er nahm mir den Stift aus der Hand und malte mir Glucose auf.

„Weißt du jetzt wie's weitergeht?", fragte er.

„Nicht so wirklich...", gestand ich.

Eine halbe Stunde später hatte er es endlich geschafft, mir die Reduktion verständlich zu machen.

„Ich hab die Nachhilfe echt nötig...", bekannte ich beschämt. Ich befand mich in einer erbärmlichen Situation. Wenn es so weiter ginge, würde ich mein Abi ruinieren - und das nur wegen Chemie!

„Ach, halb so schlimm. Wenn wir uns regelmäßig treffen, bist du irgendwann genauso gut wie ich." Fabio lächelte mich aufmunternd an. „Besser wirst du zwar nie sein, aber damit kannst du, glaub ich, leben, oder?" Ein Gentleman war er wahrlich nicht. Trotzdem musste ich schmunzeln.

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Ein wenig Chemie-lastig heute - für alle, die auf Chemie stehen ;)

<3<3<3

Tyskerfie & HeyGuys77

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