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Nemesis
Unter mir erklang das laute Scheppern und Knallen von Stühlen. Stimmen brüllten alles mögliche an Beleidigungen durch die Gegend, Gläser gingen zu Bruch und Körper knallten auf den Boden.

Grimmig öffnete ich die Augen auf meiner dünnen Matratze und richtete mich auf.

Vor wenigen Stunden war ich nach nächtelangem Ritt endlich in einem Dorf direkt hinter der Grenze Leymaliens gekommen. Wie alles in Leymalien war es etwas schäbig, die Matratze platt gelegen, das Holz des Bettes und des Nachtisches hatte Löcher, die Tür war am Rand zersplittert.
Ich schlief mit Geld und Messer unter meinem Kissen, stand jetzt aber endgültig vom Bett auf.

Den ganzen Weg über war ich extrem angespannt gewesen. Die Grenze konnte ich überqueren, aber die eigentlich Gefahr lauerte in den leymalischen Wäldern. Ich hatte kaum geschlafen, immer auf Infizierte horchend oder auf leymalische Soldaten. Ich hielt es für unwahrscheinlich, dass Allstair sich um die Dörfer am Rande scherte, aber ich wollte es trotzdem nicht ausschließen.

Hier am Rande kannte man mein Gesicht nicht, obwohl man sicher von der grausamen rechten Hand des Königs gehört hatte. Doch je weiter ich mich ins Landesinnere bewegen würde, desto gefährlicher wurde es für mich.
Glücklicherweise führte mich mein Weg nicht nach Verax sondern viel weiter nördlich.

Trotzdem war ich nach drei Tagen ritt, inklusive Regen - Spätsommer hin oder her - ziemlich mies gelaunt und wollte Schlaf.

Der Plan war, so schnell wie möglich zum Götterschlund zu reisen und irgendwie diese Gruppe zu finden, die in ihm jagte. Wie ich sie überreden würde mir zu helfen, würde ich mir dann überlegen.
Und auf die Wüste war ich auch nicht unbedingt scharf.

Was meine Laune aber vor allem senkte, war die Tatsache, dass ich mit dieser Nummer einem Gott in die Hände spielte und letztendlich das tat, was er wollte.
Das einzige, was mich nicht das Handtuch werfen ließ, war die Tatsache, dass mein Leben an den Deal gebunden war und dass ich meine Rache am Ende bekommen würde.

Wenn die da unten im Gasthauses allerdings so laut waren, dass ich das Wummern mit den Füßen durch den Boden spüren konnte, konnte selbst ich nicht abschalten. Doch vor allem seitdem ich dem Rachedurst in der Burg Luft gemacht hatte, verspürte ich eine innere Rastlosigkeit, eine brodelnde Wut, die ich bewusst tief wegschloss. Als hätte ich einen Damm gebrochen und müsste ihn wieder zu bauen.

Seufzend stand ich auf, zog meine Stiefel an, band mir mein Schwert um, das am Bettpfosten lehnte und ging aus dem kleinen Zimmer raus. Meine Montur hatte ich gar nicht erst ausgezogen.

Als ich die knarzende Treppe runter stieg, wehte mir sofort der Geruch von Bier und Schweiß entgegen. Kaum trat ich in die Kaverne, eröffnete sich vor mir eine wilde Rauferei.
Es wurde mit Bierkrügen um sich geworfen, auf Tischen geboxt, Stühle umgekippt, Flaschen an die Köpfe geschlagen und alles was dazu gehörte.

Neben der Bar musterte ich die Szene mit dunkler Miene und ließ die kämpfenden eine Sekunde auf mich wirken.
Einfache Dorfbewohner, die ihr Elend in Alkohol ertränken wollten und vielleicht der ein oder andere auf der Durchreise, aber keine Soldaten.
Alle mit ausgeleierten Klamotten und müden Gesichtern. Für die Dörfer am Rand interessierte sich der König nicht. So lange sie die Abgaben zahlten, ließ man sie in Ruhe.

Eine Kellnerin kam mit einem Krug, den sie sauber machte, zu meiner Seite der Bar und fragte unbeeindruckt von dem Chaos:
„Was darf es sein?"
Kurz sah ich sie an. Sie hatte mattes, braunes Haar, war vermutlich ein Jahr jünger als ich und hatte den gleichen glanzlosen Ausdruck, wie alle hier.

„Ruhe wäre ganz angenehm", antwortete ich, da schnaubte sie nur und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu.
„Na dann viel Glück."

Nachdem die Männer es nach mehreren Minuten immer noch nicht klären konnten, sprang ich auf die Theke und stieß einen lauten Pfiff aus.
„Hey!"

Nemesis - Kronen und GötterWhere stories live. Discover now