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Nemesis
Der Ritt bis zur ersten Pause verlief schweigend. Was vor allem daran lag, dass ich sehr darauf konzentriert war, meine Mauern zu halten, während Naevan durch das Schaukeln des Pferdes immer wieder gegen meine Rücken stieß. Zumal im Sattel nicht besonders viel Platz für zwei Leute war.

Falls ihm meine angespannten Schultern und aufeinander gebissenen Zähne auffielen, erwähnte er es nicht. Wir beide behandelten gestern Nacht, als hatte es sie nie gegeben.
Was mir mehr als recht war. Er hatte viel zu viel gesehen - und diese Tatsache nervte.

Um gegen Mittag eine Rast einzulegen, saßen wir ab. Erleichtert atmete ich auf, als er vom Pferd runter ging und ich wieder aus allen Hinmelrichtungen genügend Platz hatte.
Mit dennoch gleichgültiger Miene glitt ich aus dem Sattel, gab dem Pferd etwas zu fressen und warf Naevan den Beutel mit Proviant zu.
Er fing ihn vor seinem Gesicht, nahm sich etwas Dörrfleisch heraus und warf ihn zurück. Auch ich nahm mir etwas zu essen und wir setzten uns mit einigem Abstand auf den immer noch trockenen, steinigen Boden.

„Wie hast du kämpfen gelernt?", fragte er irgendwann und ich sah vom Essen auf. Das waren die ersten Worte seit mehreren Stunden.

„Ich hatte eine intensive Ausbildung", antwortet ich nur. Wobei es der Wahrheit entsprach. „Du?"
„Ich hatte viel Zeit, um im Tempel zu trainieren."
Er legte den Kopf schief.
„Aber vager hättest du nicht antworten können."

Langsam kaute ich das trockene Fleisch. Und wieder war ich genervt.
„Was willst du denn hören?"
Es drang nichts von meinem Ärger durch.

Naevan zuckte die Schultern.
„Keine Ahnung. Ich reise nur mit einer komplett Unbekannten in ein fremdes Land. Ich hatte gehofft zumindest etwas über dich zu erfahren."
Ich schmetterte seinen Freundlichkeitsversuch gnadenlos ab:
„Ich brauche die Magie, du brauchst mich, um innerhalb der Bedingungen deines Deals aus dem Tempel zu kommen. Wir sind Partner, aber wir brauchen nichts voneinander zu wissen."

Sein Mund wurde zu einer Linie und er verdrehte die Augen.
„Ich versuche gerade nett zu sein."
„Steht dir nicht."
Ich aß weiter, aber Naevan sah das Gespräch als noch nicht beendet.

„Du kannst den Göttern nicht trauen. Was auch immer du zu wissen glaubst, es entspricht nicht der Wahrheit."
Fast verschluckte ich mich. Das Gleiche hatte auch der Drache zu mir gesagt.

Langsam richtete ich meine grauen Augen auf ihn. Er sah unbeeindruckt zurück.
„Und du weißt, was wahr ist und was nicht?"
„Zumindest besser als du. Ich bin nicht blind in einen Deal mit dem Göttervater hereingestolpert. Denn wenn du auch nur das klitzekleinste Bisschen gewusst hättest, hättest du ihn nicht angenommen. Kanntest du überhaupt das Risiko, wenn du es nicht schaffst?"

Und wieder redete er, als wäre ich ein kleines, dummes, inkompetentes Kind.
Was bildete er sich eigentlich ein, zu wissen wie ich handeln würde?

„Ich weiß, dass ich sterbe, wenn ich den Deal nicht erfülle!", fauchte ich.
Eine tief sitzende Wut stand in seinen Augen geschrieben, die meine eigene rief. Mein eigener schwelender Zorn in meinem Inneren horchte auf, als er leise sagte:
„Du weißt gar nichts."

Ich wusste nicht, warum mir sein Zorn so vertraut vorkam. Auch er hatte eine Wut in sich, die jahrelang geschwärt hatte. Auch er versteckte sie tief in seinem Inneren.
Beunruhigt musste ich zugeben, dass ich es mit der Angst zu tun bekommen würde, wenn er der Wut freien Lauf lassen würde.

Jetzt ließ ich mein Essen sinken und wandte ich mich ihm vollständig zu.
„Dann klär' mich auf, oh allwissender Naevan."

Der Zorn war nicht aus seinen bernsteinernen Augen verschwunden, als er den Kiefer aufeinander presste. Dabei konnte ich nicht genau bestimmen, was der Ursprung dieses Zorns war. Es musste etwas mit den Göttern zu tun haben.

Nemesis - Kronen und GötterWhere stories live. Discover now