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Nemesis
Ich wusste nicht, wie lange wir vor der kleinen Kerze knieten, aber irgendwann wurde mir wieder klar, wer da vor mir saß.
Und was er bereits am ersten Tag von mir gesehen hatte.
Schwach.

Mit einer Mauer aus Stahl die nichts, aber auch gar nichts durchblicken ließ, sah ich Naevan an. Er war bis jetzt in seinen eigenen Gedanken versunken gewesen, hob bei meiner Bewegung aber ebenfalls den Kopf.

„Ein Wort zu irgendjemanden", zischte ich, aber er hob die Hand und unterbrach mich.
„Spar dir deinen Atem. Das hier ist nie passiert", er ließ die Hand sinken, während ich ihn misstrauisch musterte, „Und es interessiert mich auch nicht, welche Dämonen dich heute heimgesucht haben, so lange du deinen Scheiß wieder beisammen hast."

Ich blinzelte bei seinen harten Worten, aber das war tausendmal besser als irgendwelche Fragen.

„Also?", fragte er nach, „Hast du dich wieder gefasst und wir können morgen nach Koranée aufbrechen?"
„Ja", bestätigte ich mit einem Nicken.
„Dann leg dich schlafen. Ich nehme so lange den Boden."
Sein Blick wurde warnend.
„Und glaub ja nicht, dass diese Großzügigkeit zur Gewohnheit wird."

Seine gebieterischer Ton passte mir ganz und gar nicht, aber die Wut war ein Rettungsanker, an den ich mich klammern konnte.
Und ich hatte das Gefühl, dass er genau das beabsichtigte.

„Ein zweites Mal mit dir in einem Bett wird es auch definitiv nicht geben", schnaubte ich.
Er erwiderte nur trocken: „Man beachte die Zweideutigkeit."
Dazu konnte ich nur die Augen verdrehen, ehe ich aufstand und mich in das Bett einkuschelte, die Matratze noch warm von unseren Körpern.

Leise hörte ich wie er sich in der Nähe der Kerze zusammenrollte und es sich so bequem machte, wie es auf harten Stein eben möglich war.

~•~

Am nächsten Morgen sprach keiner von uns die Nacht an. Weder sagte ich etwas zu meiner Panikattacke, noch beklagte er sich über den harten Boden. Wir funkelten uns lediglich gegenseitig an, eine unausgesprochen Warnung, das Thema auch nur anzuschneiden.

Als wir beide Kiro vor dem Gasthaus trafen, die geschulterten Taschen gefüllt mit Proviant, wanderten die Augen des blonden Mannes in die Höhe.
„Wow, keiner von euch hat dem anderen ein Messer in die Brust verpasst?", meinte er trocken, „Ich bin beeindruckt."

Ohne darauf einzugehen, schon ich mich an ihm vorbei.
„Wir müssen noch mein Pferd holen."
Da warf Kiro in meinem Rücken, Naevan einen fragenden Blick zu, aber dieser schüttelt nur grimmig den Kopf.
Jetzt neugierig sah Kiro zwischen mir und Naevan hin und her, während die beiden hinter mir durch die gerade erwachende Stadt liefen.

Als klar wurde, dass weder Naevan noch ich irgendwas erklären würden, wollte er stattdessen von uns wissen: "Was ist jetzt euer Plan?"
"Ich bringe Neavan nach Koranée, wir besichtigen ein paar Infizierte, statten der Front einen Besuch ab und er gibt mir die Magie", sagte ich ohne den Hauch eines Zweifels, "Der Urlaub seines Lebens."
"Mit dir ganz bestimmt", grinste Kiro und Naevan warf ihm einen düsteren Blick zu, ehe er an mich gewandt sagte:
"Ich würde mir da mal nicht so sicher sein. Noch hast du die Magie nicht."
Gelangweilt musterete ich ihn über die Schulter, dann sah ich wieder auf die Straße vor mit.
"Noch nicht."
Denn eines war mal sicher, er würde mich nicht davon abhalten, sie zu bekommen.

Als wir zu der Höhle kamen, wo ich mein Pferd abgestellt hatte, lehnte der Schrank von einem Mann wieder gelangweilt am Eingang. Relativ schnell machte er mich zwischen den umherstreifenden Bewohnern aus, da ich ziemlich eindeutig auf ihn zuging.

Nemesis - Kronen und GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt