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Nemesis
Ungläubig schüttelte ich den Kopf.
„Deine Welt?", wiederholte ich, „Wie meinst du das?"

Ich bemerkte sofort, wie er versuchte seine Gefühle zu verbergen, aber es misslang ihm. Zwar wusste ich nicht, was er geträumt hatte, aber es hatte ihn übel mitgenommen. Es war deutlich in seinem ebenen Gesicht zu sehen.

Seufzend wandte er sich der Brüstung zu und stützte die nackten Unterarme aufs Geländer.
Das wenige Licht, das uns Halbmond und Fackeln verteilt auf dem verlassenen Schlossgelände spendeten, betonte die Wölbungen seines Bizeps.

Ich tat es ihm gleich, meine Augen aufmerksam auf sein Gesicht gerichtet.
Naevan schwieg so lange und musterte das Palastgelände und den Innenhof unter uns, dass ich glaubte, er würde gar nicht mehr antworten. Doch dann begann er leise zu erzählen:

„Ich stamme nicht aus deiner Welt. Ursprünglich wurde ich in einer anderen geboren, die deiner tatsächlich nicht unähnlich ist."
Sein Blick wurde abwesend und er sah auf etwas in der Ferne, dass nur für ihn sichtbar war.
„Wir hatten so viel mehr Grün und wunderbare, klare Wasser. Die Pflanzenwelt war ein Paradies - auch wenn es viele giftige Pflanzen gab. Da musste man echt aufpassen."
Ein wehmütiges Lächeln erschien auf seinem Gesicht.
„Ma hat mich und meinen Bruder immer ermahnt, keine Früchte zu essen. Natürlich haben wir es trotzdem gemacht und wir waren im Vollrausch gewesen, als wir zu Hause ankamen. Oh Mann, haben wir Ärger gekriegt!"

Das Lächeln verschwand.
„Aber meine Welt gibt es nicht mehr. Ich bin der einzige Überlebende."

Ich konnte ihn nur anstarren.
Das war... gewaltig. Es war mir nur schwer vorstellbar, dass er aus einer ganz anderen Welt stammen sollte. Ein Universum, wie unseres, aber anscheinend auch ganz anders.
Und das Maß an Verlust, dass er ertrug....

Ich wagte es nicht, ihn zu unterbrechen und ich wollte ihn auch nicht drängen, also wartete ich stumm, falls er weiter erzählen wollte.

„Die Götter sind auch aus dieser anderen Welt, weißt du? Es gab einen Kampf, der die Balance massiv aus dem Gleichgewicht gebracht hat. So massiv, dass unsere Welt daran zerbrochen ist."

Seine Hände umklammerten das Geländer und beunruhigt stellte ich fest, wie der Stein bröselte.
„Xenos und Riniah haben Infizierte erschaffen wie Arnicus jetzt und das hat das Gleichgewicht gekippt."
Hart stieß er die Luft aus und sah zu den Sternen hoch.
„Der Boden hat gezittert, der Himmel ist gerissen. So viele Schreie. Flammen überall."

Sein Atem beschleunigte sich und seine Hände begannen zu zittern.

Ich blieb stumm und regungslos, gab ihm die Zeit die er brauchte. Es gab nichts zu sagen, das es besser machen würde. Und Berührungen halfen vielleicht auch nicht. Oder machten es eher schlimmer, das konnte ich ja nicht wissen.

Schließlich konnte Naevan sich aus den Erinnerungen ziehen, aber er ließ müde den Kopf hängen.
„Ich will einfach, dass Riniah und Xenos bekommen, was sie verdienen. Für die vielen Leben, die sie ausgelöscht haben. Für meine Familie. Für mich."

Zwar berührten wir uns nicht, aber ich rückte ein wenig näher ran, um ihm Trost zu spenden.

Kaum merklich neige er seinen Körper zu mir. Meine Haut kribbelte, obwohl noch immer Luft zwischen unseren Armen war.

„Deswegen kann ich ihnen die Magie nicht geben, Nemesis. Ich hab es meiner Fanilie geschworen und dieses Ziel hat mich all die Jahre weiter machen lassen. Ich kann das nicht einfach aufgeben... Ich kann einfach nicht."

Wieder wäre es einfacher, wenn ich seine Qual nicht nachvollziehen könnte. Wenn ich einfach wütend wäre und ihn hinauswerfen würde.
Zumindest würde es das viel weniger kompliziert machen.

Nemesis - Kronen und GötterWhere stories live. Discover now