4

1.6K 173 24
                                    

Drystan
Nach dem Kampf mit Chara, folgte eine weitere Ratsitzung. Nach dieser begleitete ich die ausländische Prinzessin zu Virginia, der es bereits besser ging. Zumidest war sie bei Bewusstsein und ließ den ein oder anderen zynischen Kommentar ab, wenn sich das Gespräch Nemesis zuwendete.

Mit dem Gedanken bei der leymalschen Kriegerin ließ ich die beiden Delerierinnen allein und kehrte zu meinem Gemach zurück. Das weiß und gold der Gänge oder die ausgedünnte Zahl der Bediensteten beachtete ich kaum.

Wo war Nemesis wohl jetzt? Nach einer Woche würde sie längst in Leymalien sein. So wie ich sie kannte, hatte sie bestimmte nur kurze Pausen in der Nacht eingelegt und war sonst unermüdlich geritten.

Sofort dachte ich an unsere Flucht aus der Burg zurück und ein Schauer lief mir über den Rücken, wenn ich an die kalten, grausamen Augen des Königs dachte. An die Feuchtigkeit des Kerkers, die einem bis auf die Knochen sickerte. Aber am prägnantesten war immer Nemesis.

Wie sie auf dem Zellenboden gekauert hatte, nachdem Allstair mit ihr fertig gewesen war. Wobei ich bis heute nicht wusste, was er genau getan hatte. Sie hatte keine Verletzungen gehabt, zumindest keine, die man sehen konnte.

Aber den Moment, als sie aufgeschaut hatte... Diese Augen, in denen ein Sturm tobte, der alles verschlingen würde. Allstair hatte sie nicht gebrochen, das hatte er nie. Wenn, hatte er eine messerscharfe Wut in ihr genährt, die sich langsam begann, gegen ihn zu richten.

Chara hatte mir erzählt, dass unsere Magie an Gefühle gebunden war. Und es hatte diese allesverzehrende Wut aus Nemesis gesprochen, als sie durch den Thronsaal gefegt war und nichts als Blut zurück gelassen hatte.
Wobei ihre Magie nicht von den Göttern stammte, wie es bei mir und Chara der Fall war.
Irgendwie war es bei Nemesis etwas eigenes, dunkleres.

Ich stieß die Luft aus und blieb mitten auf den Gängen stehen.

In nichts war ich mir sicherer, als das Nemesis meine Freundin war und ich ihr vertrauen konnte. Sie würde mir niemals freiwillig weh tun. Und ich bezweifelte, dass jemand sie zu irgendetwas zwingen könnte.

Du bist meine Schwäche Drystan.

Und es brach mir das Herz, wenn ich daran dachte, wie viel sie von klein auf gelitten hatte. Ich hatte es im Garten gesehen, als sie sich die Rippe verletzt hatte. Ich hatte es in der Burg gesehen, als man uns angewiesen hatte, uns zu waschen - das war echte Angst in ihrem Gesicht gewesen, als sie ins Wasser gestiegen war.
Sie war genauso zusammengebrochen, als der Geist in ihren Erinnerungen rumgewühlt hatte.
Das alles zog offensichtlich längst nicht spurlos an ihr vorbei, wie sie es nach außen vielleicht gerne wirken ließ, aber dennoch stand sie immer wieder auf und begegnete jedem Gegner ohne einen Schritt zurück zu weichen.

Und wenn sie eins konnte, dann war es kämpfen und töten.

Ich setzte mich wieder in Bewegung.

Meine Gefühle für diese Frau waren ein heilloses Durcheinander. Da war zumal eine Menge Respekt, die mit jedem Tag stieg, die sie in dem Land verbrachte, das vermeintlich ihren Tod wollte und in dem der einzige wohnte, der ihr etwas entgegenzusetzen hatte.

Dann natürlich Zuneigung. Sie war meine Freundin, hatte mir das Leben gerettet und von Anfang an keine falschen Höflichkeiten geheuchelt. Sie verschwendete keinen Atem auf Beschönigungen. Sie war direkt und manchmal fehlte es ihr an Einfühlungsvermögen, aber das war eben ihre Art.

Aber ich wäre naiv, wenn ein kleiner Teil von mir, sie nicht auch fürchten würde. Das war bei dieser Willensstärke, Kontrolle und Kraft, die in jeder ihrer Bewegungen lag auch kein Wunder. Ihr Gewissen hatte sie vor langer Zeit zum schweigen bringen müssen und sie hatte unverzeihliches in Allstairs Namen getan, um zu überleben.

Nemesis - Kronen und GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt