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Drystan
Wenn Nemesis die gefährlichste Frau war, die ich kannte, dann war der Mann neben ihr das männliche Gegenstück.

Es ging mit jedem Schritt und jedem Blick von ihm aus. Das Versprechen von Gewalt, wie es auch in Nemesis Haltung zu lesen war.

Wo sie hell war: blasser Teint, weißblondes Haar, graue Augen, da war er dunkel. Gebräunte Haut, schwarzes Haar, braune Augen.

Die Haare auf meinen Nacken stellten sich auf, als der Mann uns einen nach dem anderen musterte. Bei mir und Chara blieb der Blick hängen, aber was auch immer er dachte, nichts war in seinem Gesicht zu lesen.

Mein Vater fasste sich als erstes, da starrte der Rest noch auf den Ankömmling und wollte mit verkniffenen Mund wissen:
„Wer ist das?"

Stumm sah Nemesis zu dem geheimnisvollen Fremden hoch - sie reichte ihm gerade mal bis zum Schlüsselbein.
Dieser wandte sich also dem König zu.
„Naevan, Eure Majestät. Hüter der Magie der Götter, auf die Ihr so verzweifelt zu setzen scheint."

Ich wusste nicht, was in seiner Stimme mitschwang, aber Respekt war es garantiert nicht. Richtige Anrede hin oder her.

Daran wie meine Mutter sich aufrichte, hörte sie den Unterton auch, aber bevor sie ihn ermahnen konnte, fragte auch schon General Lasberc:
„Ihr habt die Magie?"
Naevan schüttelte knapp den Kopf: „Ich weiß lediglich, wo sie ist."
„Gebt Ihr sie uns dann?", der General hatte die Zähne aufeinander gebissen, „Ich weiß nicht, wie viel Ihr von der derzeitigen Lage versteht, aber ohne die Magie, wir unser Land untergehen."

Aber während der General auf die Magie fixiert war, hatte Chara neben mir etwas anderes begriffen:
„Ihr hütet die Magie für Arnicus. Ihr seid aus Leymalien."
Mit neuem Interesse wandte sich der Hüter der Prinzessin zu. Nemesis stand so lange wachsam daneben und verfolgte schweigend das Gespräch. Genauso hätte sie eine Statue sein können, so regungslos, wie sie verharrte.

„Damit liegt Ihr richtig Prinzessin", bestätigte er, „Und ich werde euch die Magie erst geben, wenn ich mich einigen Sachen vergewissert habe."

Der Rat keuchte empört auf. Wieder war es der General, der seiner Verachtung Luft machte.
„Aha. Und welche Sachen sollen das sein? Werdet Ihr uns die Magie geben, während Ihr auf unseren Leichen tanzt? Wenn ihr schließlich aus dem Land kommt, das uns versucht zu vernichten."
Seine Augen glitten weiter zu Nemesis.
„Man kann dem Hüter genauso wenig trauen wie der Verräterin."

Nemesis betrachtete den General ausdruckslos und der Seitenhieb zeigte keine Wirkung. Dagegen schenkte Naevan dem jungen Mann ein Lächeln, das seine Augen nicht erreichte.
„Zu allererst, ob man respektvoll mit mir umgeht oder nicht."

Die beiden Männer starrten sich gegenseitig an. Keiner wollte zuerst den Blick senken. Aber es war Naevan, der am längeren Hebel saß, denn wir brauchten die Magie. Dringend.
Das schien auch der General zu begreifen, denn mit angespannten Kiefer sah er weg und verschränke die Arme vor der Brust.

Nach einigen Sekunden des angespannten Schweigende, versuchte Lady Indiras es mit einer diplomatischeren Herangehensweise.
„Was könen wir tun, damit Ihr bereit seid, uns die Magie zu geben?"
Bevor Naevan etwas antworten konnte, meldete sich Lord Delaney zu Wort.
„Bin ich der einzige, der befürchtet, dass er uns nur hinhalten will, bis Allstair hier ist? Er hütet die Magie für Arnicus!"
Düster sah er in die Runde.
„Wir sollten gar nicht erst versuchen, seinen Anforderungen gerecht zu werden."

Langsam richtete Naevan das Augenmerk auf Lord Delaney, doch dieser ließ sich nicht von dem harten Blick einschüchtern.
"Es ist ein berechtigter Einwand, aber ich muss Euch korrigieren. Ja, ich schütze die Magie, weil Arnicus mich darum gebeten hat, aber mit dem Erschaffen von Infizierten bin ich nicht einverstanden und mit einem Kreig sicherlich auch nicht."
Mit verschränkten Armen sah er jetzt jeden von uns einmal an.
"Aber ich werde die Magie nicht einfach so jeden in die Hand drücken, der behauptet, sie für die richtigen Zwecke zu benutzen. Egal, auf welcher Seite ich oder die Person steht."

Nemesis - Kronen und GötterWhere stories live. Discover now